Im Zuge der COVID-19-Pandemie kann es passieren, dass bestehende Verträge durch die aktuelle Situation nicht mehr im vertraglich festgelegten Rahmen erfüllt werden können.
2. Belastende Verträge prüfen
Unternehmen müssen prüfen, ob Verträge als „belastende Verträge“ gelten können, bei denen die unvermeidbaren Kosten zur Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen höher sind als der erwartete wirtschaftliche Nutzen.
Im Hinblick auf den Stichtag (Beispiel Quartalsabschluss) können aufgrund der COVID-19-Pandemie bestimmte Lieferverpflichtungen oder Abnahmeverpflichtungen möglicherweise nicht fristgerecht erfüllt werden. Dabei kann das Unternehmen als Lieferant, aber auch als Abnehmer von Lieferungen einen belastenden Vertrag halten. Besonders kritisch sind in der Krise insbesondere Verträge mit einer kurzen Restlaufzeit (ca. 3–4 Monate). So ist zum Beispiel ein fester, nicht kündbarer Energieliefervertrag, bei dem durch die Schließung von Teilbereichen eines Werks den Kosten kein Nutzen entgegensteht, ein belastender Vertrag. Wichtig ist jedoch auch hier die Betrachtung über die gesamte Vertragslaufzeit.
Rückstellungen für verlustbringende Verträge sind mit dem niedrigeren Wert aus Strafzahlungen für eine Beendigung des Vertrags und den Vertragserfüllungskosten zu bewerten. Verträge sollten auch auf mögliche Sonderregelungen zu höherer Gewalt geprüft werden; das gilt auch für die Frage, ob Verträge vorzeitig kündbar sind. Es gilt der Vorrang der verlustfreien Bewertung.
3. Wie sich die Corona-Krise auf Mieter und Vermieter auswirkt
Hotels, Büros oder Einzelhandelsläden sind derzeit nicht bzw. nur eingeschränkt nutzbar, Mieten müssen jedoch weiter gezahlt werden. Leasingnehmer können mit dem Vermieter über Mietstundungen, mietfreie Zeiträume oder eine Umstellung von fixen Mietzahlungen auf variable verhandeln. Außerdem sollten sie Klauseln zu höherer Gewalt (Force-Majeure-Klauseln) oder mögliche staatliche Zuschüsse betrachten, um die Mietlasten möglichst gering zu halten. Die Auswirkungen der Corona-Krise, zum Beispiel geschlossene Filialen, machen eine Neueinschätzung des Leasingzeitraums möglich, die dazu führen kann, dass optionale Verlängerungszeiträume nicht mehr zu berücksichtigen sind. Die unterschiedlichen Grundlagen für geänderte Mietzahlungen müssen jeweils entsprechend den geltenden Standards bilanziert werden. Bei anhaltender Nichtnutzung ist das Nutzungsrecht ebenfalls auf eine Wertminderung zu überprüfen.
Am 17. April 2020 hat das IASB einen einstimmig beschlossenen Entwurf veröffentlicht, auf dessen Basis der Leasingnehmer das Wahlrecht hat, gestundete oder (teilweise) erlassene Mietzahlungen als negative variable Zahlung zu erfassen, und im Zuge dessen nicht überprüfen muss, ob das Kriterium einer „Modifikation“ vorliegt. Grund für die Anwendung muss die aktuelle COVID-19-Pandemie sein. Für die Inanspruchnahme des Wahlrechts gelten folgende Voraussetzungen:
a) Die geänderten Leasingzahlungen müssen im Wesentlichen den Zahlungen vor der Änderung entsprechen (oder geringer sein).
b) Die (reduzierten) Leasingzahlungen dürfen nur im Jahr 2020 fällige Zahlungen betreffen.
c) Es dürfen keine wesentlichen Änderungen sonstiger Vertragskonditionen vorgenommen worden sein.
Dieser Entwurf gilt nicht für Leasinggeber und muss nach endgültiger Verabschiedung noch von der EU endorst werden.
Auch auf der Vermieterseite macht sich die COVID-19-Pandemie bemerkbar. Mieter fragen nach Mietstundungen, umsatzabhängige Mieten brechen ein und es gibt kaum Neuanmietungen von Gebäuden. Insgesamt besteht eine große Unsicherheit bezüglich der Bewertung von Immobilien.
4. Finanzinstrumente
Die Corona-Krise wirkt sich auch auf Finanzinstrumente aus. So können abgesicherte Transaktionen (z. B. geplante Umsätze, Einkäufe, Investitionen, Zinszahlungen) verschoben werden, ausfallen oder in deutlich geringerem Umfang als ursprünglich geplant erfolgen.
Die Klassifizierung der Sicherungsbeziehung in „Eintritt ist nicht mehr hochwahrscheinlich, aber immer noch zu erwarten“ und „Eintritt ist nicht mehr zu erwarten“ ist sehr wichtig und hat signifikante Auswirkungen auf das Hedge Accounting.
Außerdem können die Ausfallrisiken für Forderungen aus Lieferungen und Leistungen wie auch für Finanzierungen gestiegen sein, was eine Anpassung des Wertminderungsmodells nach IFRS 9 notwendig macht. Denn das erwartete Ausfallrisiko nach dem Expected Credit Loss-Modell beruht auf historischen Erwartungswerten, die auf eine Pandemie nicht zutreffen. Die historischen Werte müssen demnach angepasst werden.
Langfristig ausgegebene Darlehen, die Gegenstand des allgemeinen Wertberichtigungsprinzips sind, könnten durch Verschlechterung der finanziellen Lage der Gegenpartei von Stufe 1 (zwölfmonatige Betrachtung) des Wertberichtigungsmodells in Stufe 2 (Ausfallrisiko über gesamte Restlaufzeit zu berücksichtigen) rutschen.
Die Regierung hat unter anderem Unterstützungsmaßnahmen und umfassende Konjunkturpakete beschlossen. Dazu zählen beispielsweise direkte Subventionen, Steuerbefreiungen, verlängerte Laufzeiten für nicht genutzte Steuerverluste, zinsgünstige Darlehen oder die Einführung von Kurzarbeit.
5. Corona-Krise: Folgen für Arbeitnehmer und Arbeitgeber
Für das Kurzarbeitergeld und die darauf entfallenden Sozialversicherungsbeiträge dürfen Unternehmen keine Rückstellungen bilden. Denn das Anrecht auf Kurzarbeitergeld haben die Arbeitnehmer und der Arbeitgeber fungiert nur als Zahlstelle; das Geld stellt also einen durchlaufenden Posten dar. Die konkrete Leistungsverpflichtung liegt bei der Bundesagentur für Arbeit. Die Erstattungen der Sozialversicherungsbeiträge sind ein Zuschuss, der in den Anwendungsbereich des IAS 20 „Bilanzierung und Darstellung von Zuwendungen der öffentlichen Hand“ fällt. Die erstatteten Beträge sind entweder brutto als sonstige Erträge oder netto als Minderung der Personalaufwendungen zu bilanzieren.
Das Kurzarbeitergeld ist nur eines von vielen arbeitsrechtlichen Fragen der Corona-Krise. Andere große Themen sind die Flexibilisierung der Arbeitszeitkonten oder die Überprüfung von Pensionszusagen. Veränderte Unternehmensplanung und Prognosen verändern auch die erwarteten Unternehmensziele. Das führt zur Prüfung von kurz- und langfristigen Vergütungszusagen.
Handlungsempfehlungen
Je nach Branche und Unternehmen kann es weitere oder andere Themen geben, die ganz wesentlich die Finanzberichterstattung und die einschlägigen Kennzahlen wie z. B. EBITDA, Jahresüberschuss, Eigenkapitalquote oder Verschuldungsgrad und auch Covenants beeinflussen können.
Die aktuelle hohe Unsicherheit und teilweise schlechte Prognostizierbarkeit der Auswirkungen der Krise bedarf neben einer möglichst adäquaten Ermittlung im Wesentlichen auch einer klaren Angabe der mit der Erstellung eines Abschlusses verbundenen Unsicherheiten und der vorgenommenen Einschätzungen. Eventuell kann die Angabe von Sensitivitäten basierend auf den wesentlichen Unsicherheiten ein besseres Bild geben.
Darüber hinaus ist auch die Kommunikation mit dem Kapitalmarkt und mit Investoren zu berücksichtigen.
Als künftige Maßnahmen empfehlen wir nicht nur, die genannten Bilanzierungsthemen zu überprüfen, sondern solche aktuellen Fragestellungen in einen Regelbetrieb zu überführen. Gerade in der Krise zeigt sich, wo Lücken in den Finanzprozessen sind, die die Transparenz beeinflussen und auch zu zeitlichem Verzug führen können.
Entsprechend hoch sollte die Qualität eines Zwischenabschlusses sein, die ggf. durch eine freiwillige prüferische Durchsicht noch erhöht werden könnte.
Fazit
Infolge der Corona-Krise verändert sich auch die Finanzberichterstattung. Bei der Aufstellung der Finanzberichte müssen Unternehmen besonders auf die Themen Wertminderung von Vermögenswerten (Impairment), belastende Verträge, Leasing, Finanzinstrumente und Arbeitnehmerbelange achten.