Mit dieser Stellungnahme wollen wir die Gelegenheit nutzen, weitere Konkretisierungen insbesondere für verfahrensrechtliche Begleitmaßnahmen vorzuschlagen, die in der steuerlichen Praxis der Betriebe eine große Erleichterung darstellen könnten.
Steuererleichterungen
Erleichterungen im allgemeinen Besteuerungsverfahren
Die Regelung der deutschen Amtssprache gilt auch für Dokumente. So erlaubt § 87 AO (Abgabenordnung) den Finanzbehörden das unverzügliche Verlangen einer deutschen Übersetzung. Aktuell wird eine unverzügliche Übersetzung nicht möglich sein. Daher sollte das Bundesfinanzministerium (BMF) per Erlass anordnen, dass dieses Ermessen in den aktuellen Zeiten großzügiger ausgelegt wird und auch kleinere englischsprachige Dokumente ohne Übersetzung zuzulassen sind.
Unbürokratische Erleichterung der elektronischen Kommunikation bzw. der Datenübermittlung – §§ 87 a und 87 b AO: Steuererklärungen können bereits elektronisch eingereicht werden. Im Zuge von Ausgangssperren und auch des persönlichen Befindens der Bürgerinnen und Bürger sollte eine elektronische Kommunikation mit den Finanzbehörden möglich sein. So sollte eine Kommunikation mit dem zuständigen SachbearbeiterIn per E-Mail ohne weitere bürokratische Hürden möglich gemacht werden. Dies ist im Übrigen auch im normalen Veranlagungsverfahren sachdienlich. Die Aufgabe eines Schreibens zur Post und auch die tatsächliche postalische Übermittlung des Schreibens kann aktuell nicht mehr gewährleistet werden, da jederzeit damit zu rechnen ist, dass die Post ihren Betrieb einstellt.
Erleichterung bei Fristen, Terminen und Wiedereinsetzung
- Aussetzen der Meldepflichten für Auslandssachverhalte und MDR (z. B. erst ab 2021)
- In der AO sind verschiedene Meldungen (insbesondere die Anzeigepflichten in §§ 137 ff. AO) mit Fristen bewehrt, deren Nichteinhaltung mit Bußgeldern (§ 379 AO) bestraft werden kann. Hier gilt das Opportunitätsprinzip. Es liegt demnach im Ermessen der Finanzbehörde, ob ein Verfahren eingeleitet wird. Dieses Ermessen sollten die Finanzbehörden in diesen schweren Zeiten dahingehend ausüben, dass kein Verfahren eingeleitet wird, da die Unternehmen unter Umständen derzeit keine Chance haben, den Anzeigepflichten nachzukommen, da schlichtweg das Personal nicht vorhanden ist.
- Auf 2020 begrenzte Verdopplung von Fristen zur Abgabe von Steueranmeldungen und Erklärungen (Lohnsteuer, Umsatzsteuer, Kapitalertragsteuer, ESt, KSt, Versicherungssteuer etc.). Nichts anderes sollte für Rechtsbehelfsfristen etc. gelten. Hierzu wäre eine temporäre Gesetzesanpassung notwendig in der außerdem geregelt werden sollte, dass die Fristversäumnis in solchen Fällen höherer Gewalt nicht durch Verspätungszuschläge etc. bestraft wird.
- Ausweitung der Möglichkeit einer Fristverlängerung auch für steuerlich beratene Steuerpflichtige
- Weitere Fristverlängerung für steuerlich nicht Beratene und zwar insbesondere für
1. Jahressteuererklärungen, sowie
2. die Frist für Vorsteuervergütungsanträge,
3. zusammenfassende Meldungen,
4. Frist zur Vorlage der Jahreskontrollmeldung für 2019 bei Teilnahme am vereinfachten Kontrollmeldeverfahren nach § 50d Abs. 6 EStG bei der Entlastung Kapitalertragsteuereinbehalt nach § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bzw. Nr. 4 EStG,
5. umwandlungsteuerliche Nachweispflichten bei Einbringungen unter dem gemeinen Wert (§ 22 Abs. 3 UmwStG).
- Großzügige Handhabung der Regelung für die Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand, § 110 AO. Hier sind besondere Maßnahmen erforderlich, denn in Folge der aktuellen Homeoffice-Tätigkeiten sind Fristversäumnisse nicht auszuschließen. Die Finanzverwaltung könnte hier beispielsweise den unbestimmten Rechtsbegriff „ohne Verschulden“ auf die unmittelbaren und mittelbaren Corona-Auswirkungen anwenden und unbürokratisch Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand gewähren.
Erleichterung bei Außenprüfungen
- Pausieren von Betriebsprüfungen (ist faktisch zu erwarten) und sollte in der BpO umgesetzt werden
Erleichterungen im Erhebungs- und Vollstreckungsverfahren (Liquiditätshilfen)
- Billigkeitsregelung zur pauschalen Verlängerung von Steuerzahlungsfristen um vier Wochen (z. B. auch für die am 14.04.2020 anstehende Abführung von Steuerabzugsbeträgen bei beschränkt Steuerpflichtigen nach § 50a Abs. 5 Satz 3 EStG)
- Billigkeitserlass für Nebenleistungen, § 227 AO: Säumniszuschläge, Stundungszinsen, Verspätungszuschläge, Zwangsgeld und Verzicht auf deren Festsetzung
- Großzügigere Stundungen für Steuerzahlungen und steuerliche Nebenleistungen (bereits in Arbeit) ohne Stundungszinsen als Liquiditätshilfe
- Genereller Verzicht auf Steuervorauszahlungen im 2. und 3. Quartal 2020, wenn bis Jahresende 2020 ein Antrag auf Herabsetzung der Vorauszahlungen gestellt wird (Insbesondere für die Gewerbesteuer und Körperschaftsteuer sowie die Einkommensteuer)
- Genereller Verzicht auf Vollstreckungsmaßnahmen bei Unternehmen und kleineren Beträgen bei Arbeitnehmern
Allgemein konjunkturstützende und strukturelle Maßnahmen
Steuerpolitik kann auch zur makroökonomischen Stützung der deutschen und europäischen Wirtschaft beitragen. Sofern die vorgeschlagenen Maßnahmen unbefristet eingeführt werden, könnte Deutschland damit auch seine strukturellen Wettbewerbsnachteile beheben, die andernfalls zusätzliche Investitionen behindern und den konjunkturellen Impuls abschwächen würden.
- Vollständige Abschaffung des Solidaritätszuschlags zum 01.07.2020
- Ggf. befristete Einführung der degressiven AfA
- Senkung des Körperschaftsteuersatzes auf 10 Prozent
- Rückwirkende Verdopplung des Höchstbetrags der Forschungszulage zum 01.01.2020
Coronavirus: Die Auswirkungen im Detail
Fazit
Das Coronavirus verbreitet sich schnell auf der ganzen Welt. Bund und Länder reagieren in Deutschland mit umfassenden Maßnahmen. Wenn möglich, sollen die Menschen zu Hause bleiben, das öffentliche Leben ist fast vollständig zum Erliegen gekommen. Als Marktführer in der Steuerberatung berät EY sowohl die großen als auch mittelständischen in Deutschland tätigen Unternehmen. Wir haben Einblick in die wirtschaftlichen Belange und steuerlichen Herausforderungen unserer Mandanten und regen deshalb nachdrücklich weitere Maßnahmen an, die das bestehende Maßnahmenpaket ergänzen und flankieren. Es handelt sich dabei größtenteils um Vorschläge, die eine unbürokratische Handhabung im Verfahrensrecht anregen.