4 Minuten Lesezeit 24 April 2020
Skyline von Shanghai

„Der Lockdown kam für die meisten Unternehmen völlig überraschend“

Von EY Deutschland

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4 Minuten Lesezeit 24 April 2020
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Titus von dem Bongart, EY-Entsandter in Shanghai, über die Corona-Krise in China und wie EY deutsche Unternehmen unterstützt.

Herr von dem Bongart, wo erreichen wir Sie?

Titus von dem Bongart: Ich sitze gerade in meinem Büro im 49. Stockwerk des EY-Gebäudes und schaue auf den Huangpu-Fluss. Seit Mitte Februar nimmt das Leben hier in Shanghai wieder seinen normalen Gang auf. Allerdings müssen wir auch im Büro eine Maske tragen und kommen nur über einen digitalen Handycode ins Gebäude. Er gibt an, dass wir uns in den letzten 14 Tagen nicht in einem Ansteckungsgebiet oder in der Nähe eines Corona-Infizierten aufgehalten haben. 

Die Krise und der Lockdown kamen für die meisten Unternehmen völlig überraschend. Plötzlich mussten sie sich mit arbeits- und vertragsrechtlichen, lohntechnischen und damit zusammenhängenden steuerlichen Fragen auseinandersetzen.
Titus von dem Bongart
Leiter des German Business Center (GBC) in Greater China
Titus von dem Bongart

Was waren während der Krise die dringendsten Herausforderungen für die deutschen Unternehmen in China?

Bongart: Die Krise und der Lockdown kamen für die meisten Unternehmen völlig überraschend. Plötzlich mussten sie sich wegen des Produktionsstopps und der Kurzarbeit mit arbeits- und vertragsrechtlichen, lohntechnischen und damit zusammenhängenden steuerlichen Fragen auseinandersetzen. Hinzu kamen die Regierungsprogramme, die sie verstehen und umsetzen mussten. Ein ganz großes Thema waren und sind die Lieferketten, die plötzlich unterbrochen waren und die jetzt wieder in Gang gesetzt werden müssen. Die nächste große Herausforderung wird es sein, die Nachfrage anzukurbeln.

Wir haben innerhalb kürzester Zeit Taskforces aufgebaut und unsere Mandanten zu Webcasts eingeladen, in denen wir die Herausforderungen diskutiert und Lösungsmöglichkeiten vorgestellt haben.
Titus von dem Bongart
Leiter des German Business Center (GBC) in Greater China

Konnten Sie den deutschen Unternehmen helfen, die Krise zu bewältigen?

Bongart: Zusammen mit unseren EY-Fachteams haben wir innerhalb kürzester Zeit Taskforces aufgebaut und für die genannten Themen Lösungsmöglichkeiten entwickelt – angefangen von arbeitsrechtlichen und Liquiditätsfragen bis hin zu der Aufgabe, wie Lieferketten reorganisiert und langfristig stabil aufgebaut werden können, was derzeit eine der dringendsten Aufgaben ist. Darüber hinaus haben wir unsere Mandanten zu Webcasts eingeladen, in denen wir die Herausforderungen diskutiert und Lösungsmöglichkeiten vorgestellt haben.

Wie geht es aus Ihrer Sicht der chinesischen Wirtschaft zurzeit? Und wie geht es den deutschen Unternehmen, die in China aktiv sind?

Bongart: Die chinesische Wirtschaft nimmt langsam wieder Fahrt auf, wobei das Wiederhochfahren der Produktion nach Aussage vieler Unternehmen erstaunlich gut und schnell klappt. Die meisten von ihnen sind wieder online und produzieren bereits wieder zwischen 50 und 100 Prozent. Jetzt besteht das größte Problem darin, insbesondere in den hochpreisigen Marktsegmenten die Nachfrage wieder anzukurbeln. Die chinesischen Konsumenten sind aufgrund der Krise und der Frage wie es weitergeht noch verunsichert, weshalb sie größere Kaufentscheidungen zurückhalten. Es kommt also sehr stark darauf an, Vertrauen zu schaffen.

Glauben Sie, dass die Corona-Krise die Handelsbeziehungen und die Lieferketten zwischen China und insbesondere Deutschland langfristig verändern wird?

Bongart: Das ist eine Frage, die uns alle sehr beschäftigt. De facto ist es so, dass es für einige Industrien derzeit keine Alternative zu China gibt. Bei anderen Produkten wie beispielsweise medizinischer Schutzkleidung und Medikamenten wird und muss man versuchen, diese nach Deutschland oder zumindest nach Europa zurückzuholen. Darüber wird in der Politik ja auch schon offen diskutiert.

Was können wir aus der Krise lernen?

Bongart: Für die Unternehmen hat sich gezeigt, dass Notfallpläne überlebenswichtig sind. Dazu gehören beispielsweise ein verlässliches Risiko- und Liquiditätsmanagement, eine klare Aufgabenverteilung sowie eine offene und transparente Mitarbeiter- und Öffentlichkeitskommunikation – und ein hoher Digitalisierungsgrad. Darüber hinaus hoffe ich, dass wir gelernt haben, dass eine so große Krise nur durch gegenseitige Hilfe und in enger Abstimmung von Regierungen, Wirtschaft und Gesellschaft zu bewältigen ist. 

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Fazit

China war das erste Land, das von der Corona-Krise getroffen wurde – und wird höchstwahrscheinlich auch das erste sein, das die Krise wieder verlässt. Titus von dem Bongart lebt seit 24 Jahren in Shanghai und ist Leiter des German Business Center in Greater China. Im Interview spricht er über seinen veränderten Büroalltag, die Herausforderungen der deutschen Unternehmen während der Krise sowie die besonderen Hilfen, die das EY-Netzwerk ihnen in dieser Situation bietet. Titus von dem Bongart spricht auch über die Notwendigkeit, Lieferketten neu zu überdenken, und die Lehre, die wir alle aus der Krise ziehen können.

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