5 Minuten Lesezeit 27 März 2020
Konferenzraum mit leeren Sitzen

Was COVID-19 für Hauptversammlungen und das Insolvenzrecht bedeutet

Von Anja Pissarczyk

Senior Managerin, Corporate Governance Services, EY Center for Board Matters, EY GmbH & Co. KG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft | Deutschland

Unterstützt Aufsichtsräte, Vorstände und Geschäftsführungen bei der effektiven Unternehmensführung und -überwachung.

5 Minuten Lesezeit 27 März 2020

Bundestag und Bundesrat haben ein Gesetz verabschiedet, das virtuelle Hauptversammlungen und Erleichterungen im Insolvenzrecht ermöglicht.

Der Deutsche Bundestag hat am 25. März das Artikelgesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht in dritter Beratung angenommen, der Bundesrat hat am 27. März zugestimmt. Damit ist der Weg frei für substanzielle Erleichterungen bei der Durchführung von Hauptversammlungen (AG, KGaA, VVaG und SE), Gesellschafterversammlungen (GmbH) bzw. von General- und Vertreterversammlungen der Genossenschaft sowie von Mitgliederversammlungen von Vereinen.

Zusätzlich sieht das Gesetz Anreize zur Liquiditätszuführung vor sowie die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und der Zahlungsverbote bis zum 30. September 2020, sofern die Insolvenz auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruht und Aussicht auf die Beseitigung der eingetretenen Zahlungsunfähigkeit besteht.

Wesentliche Erleichterungen für die Hauptversammlung im Kalenderjahr 2020 (Artikel 2 § 1 und Übergangsregelung in § 7)

Virtuelle Hauptversammlung auch ohne Satzungsermächtigung

Der Vorstand kann – bei Zustimmung des Aufsichtsrats – entscheiden, dass die Versammlung ohne physische Präsenz der Aktionäre oder ihrer Bevollmächtigten als virtuelle Hauptversammlung abgehalten wird. Voraussetzungen dafür sind:

  • Bild- und Tonübertragung der gesamten Hauptversammlung
  • Stimmrechtsausübung der Aktionäre über elektronische Kommunikation (Briefwahl oder elektronische Teilnahme) sowie Vollmachtserteilung
  • Fragemöglichkeit im Wege der elektronischen Kommunikation
  • Möglichkeit zum Widerspruch gegen einen Beschluss der Hauptversammlung

Der Vorstand entscheidet – bei Zustimmung des Aufsichtsrats – nach pflichtgemäßem, freiem Ermessen, welche Fragen er wie beantwortet; er kann auch vorgeben, dass Fragen bis spätestens zwei Tage vor der Versammlung im Wege elektronischer Kommunikation einzureichen sind.

Erleichterte Zustimmung des Aufsichtsrats

Der Aufsichtsrat kann seine in diesem Zusammenhang jeweils erforderlichen Zustimmungen abweichend von § 108 Abs. 4 AktG und etwaigen Regelungen in Satzung oder Geschäftsordnung ohne physische Anwesenheit der Mitglieder schriftlich, fernmündlich oder in vergleichbarer Weise beschließen.

Verkürzung der Einberufungspflicht auf 21 Tage

Der Vorstand kann – bei Zustimmung des Aufsichtsrats – entscheiden, die Hauptversammlung spätestens am 21. Tag vor dem Tag der Versammlung einzuberufen. Das Gesetz sieht u. a. angepasste Fristen für den Nachweis des Anteilsbesitzes und Ergänzungsverlangen vor.

Zahlung von Abschlagszahlungen auf den Bilanzgewinn ohne Hauptversammlungs-Beschluss

Der Vorstand kann – nach Zustimmung des Aufsichtsrats – auch ohne Satzungsermächtigung entscheiden, einen Abschlag auf den Bilanzgewinn nach Maßgabe von § 59 Abs. 2 AktG an die Aktionäre zu zahlen. Dies gilt entsprechend für eine Abschlagszahlung auf die Ausgleichszahlung (§ 304 AktG) an außenstehende Aktionäre im Rahmen eines Unternehmensvertrags.

Hauptversammlung innerhalb des Geschäftsjahres

Der Vorstand kann – bei Zustimmung des Aufsichtsrats – entscheiden, dass die HV innerhalb des Geschäftsjahres stattfindet. Die Vorgabe, die HV innerhalb von acht Monaten abzuhalten, wird somit ausgeweitet.

Beschränkung der Anfechtungsmöglichkeiten bei präsenzloser Hauptversammlung

Die Anfechtung von HV-Beschlüssen wird mit Blick auf Verletzungen bestehender aktienrechtlicher Vorgaben zur elektronischen Ausübung der Stimmrechte und Formerfordernisse für Mitteilungen an Aktionäre und Aufsichtsratsmitglieder sowie der Voraussetzungen der präsenzlosen HV (siehe oben) auf Vorsatz der Gesellschaft beschränkt.

Wesentliche Erleichterungen für die Insolvenzantragspflicht

Darüber hinaus soll die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags nach § 15a InsO und § 42 Abs. 2 BGB bis 30. September 2020 ausgesetzt (Artikel 1 § 1) werden, sofern

  • die Insolvenz auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruht und
  • Aussicht auf die Beseitigung der eingetretenen Zahlungsunfähigkeit besteht.

Das Gesetz sieht das Vorliegen der beiden Voraussetzungen (d. h. Insolvenzreife in Zusammenhang mit COVID-19 und Aussicht auf Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit) dann als vermutbar an, wenn die Zahlungsunfähigkeit am 31. Dezember 2019 noch nicht bestand.

Fazit

Im Eiltempo bringen Bundestag und Bundesrat derzeit Maßnahmengesetze und Milliarden-Hilfen zur Abfederung der Corona-Krise auf den Weg. Ein Gesetz bringt substanzielle Erleichterungen bei der Durchführung von Hauptversammlungen, Gesellschafterversammlungen bzw. von General- und Vertreterversammlungen der Genossenschaft sowie von Mitgliederversammlungen von Vereinen. Zudem setzt es unter bestimmten Voraussetzungen die Insolvenzantragspflicht aus.

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Von Anja Pissarczyk

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