Auf internationaler Ebene hat die Europäische Union die Artenvielfalt in vielen Regulierungsvorhaben bereits mitbedacht. Dazu gehört unter anderem die Sustainable Finance Taxonomy, Due Diligence oder die Corporate Sustainability Reporting Directive.
Unterschiedliche Rahmenwerke helfen beim Aufbau einer Biodiversitätsstrategie
Angesichts dieser Fülle von Ansätzen ist es für Unternehmen nicht einfach, den Überblick zu behalten, welche Elemente eine Biodiversitätsstrategie mitbringen sollte, um die Anforderungen von Investoren zu erfüllen.
Folgende gängige Rahmenwerke und Standards lohnen eine eingehendere Beschäftigung:
- Die Taskforce on Nature-related Financial Disclosures (TNFD) ist das Pendant zur Arbeitsgruppe, die sich der Offenlegung von Klimafolgen annimmt, die Taskforce on Climate-related Financial Disclosures (TCFD). Die TNFD spricht Offenlegungsempfehlungen aus der Sicht von Finanzakteuren aus. Die empfohlenen Informationen zu Klima- oder Biodiversitätsfolgen erlauben Einschätzungen von finanziellen Risiken und Chancen in einem Portfolio. Kürzlich erschien die jüngste Version des Frameworks „beta v0.1“.
- Science Based Targets for Nature (SBTN) schafft ein Rahmenwerk, das Umweltziele ganzheitlich adressiert. Die fünf Belastungen für die Natur – Bodennutzung, Ausbeutung von Rohstoffen, Klimawandel, Umweltverschmutzung und invasive gebietsfremde Arten – bilden Schnittmengen mit den Naturbereichen Land, Frischwasser und Meere. Innerhalb dieser Gruppen lassen sich wissenschaftlich unterfütterte Ziele, sogenannte science-based targets (SBT), umsetzen. Bisher sind nur die klimabezogenen SBT finalisiert. Im Bereich Wasser spricht man von „Contextual Water Targets“. Bis Ende 2022 soll jedoch ein komplettes Regelwerk stehen, das für viele Unternehmen eine entscheidende Grundlage ihrer Strategie bilden könnte.
- Die Global Reporting Initiative (GRI) listet im Standard 304 Anforderungen zur Berichterstattung zu Biodiversität in Form von vier Offenlegungsmöglichkeiten auf. Dieser Standard wird aktuell in Kooperation mit der EFRAG überarbeitet und soll 2023 publiziert werden.
- Das Climate Disclosure Standards Board (CDSB) fasst für den Bereich Biodiversität wesentliche Aspekte verschiedener Rahmenwerke und Standards zusammen. Unternehmen ermöglicht dies die größtmögliche Abdeckung von Strategien. Letztlich verweist das CDSB aber auf die Rahmenwerke selbst, um einen detaillierten Regelüberblick zu bekommen.
- Das Natural Capital Protocol (NCP) gibt eine Übersicht über unterschiedliche Ansätze, um Auswirkungen eines Unternehmens auf Biodiversität zu erheben. Das Protokoll unterstützt Unternehmen dabei, den passenden Erhebungsansatz zu identifizieren.
Global Reporting Initiative (GRI)
GRI 304fasst die GRI-Anforderungen zur Biodiversitätsberichterstattung zusammen.
Diese Rahmenwerke und Standards geben hilfreiche Einblicke und können Ansätze für eine Biodiversitätsstrategie sein. Wer ganz am Anfang steht, sollte zudem folgende strategische Elemente abklopfen:
- Folgenabschätzung: Nicht jeder Erhebungsansatz passt zur Strategie eines Unternehmens. Zunächst müssen die Anforderungen an den Messansatz definiert werden. Folgende Dimensionen stehen dabei im Fokus:
- Welche Geschäftsanwendungen sollen berücksichtigt werden? Soll die aktuelle Situation, der Fortschritt zu Zielen oder der Einfluss verschiedener Optionen miteinander verglichen werden?
- Organisatorische Schwerpunkte müssen festgelegt werden, die gleichzeitig als Systemgrenzen der Betrachtung gelten. Das können beispielsweise Produkte, Niederlassungen oder die Lieferkette sein.
- Je nach Geschäftsmodell und Definition der Systemgrenzen lassen sich unterschiedliche Druckpunkte in Sachen Biodiversität ableiten, etwa Wasserverbrauch, Umweltverschmutzung, Treibhausgasemissionen.
- Abhängigkeiten: Zunächst muss das Unternehmen ein Verständnis dafür entwickeln, von welchen Ökosystemleistungen das Geschäftsmodell abhängt.
- Auswirkungen und Abhängigkeiten enthalten jeweils Risiken und Chancen für das Geschäftsmodell. Daraus lässt sich auch ein finanzielles Risiko ableiten, das sich mit einem System zur Messung von Folgen validieren lässt.
- Ziele können in qualitativer oder quantitativer Form gesetzt werden. SBTN erscheint aktuell als vielversprechendes Rahmenwerk, letztlich hängt die Umsetzbarkeit auf Unternehmens-Ebene jedoch an politischen Faktoren, genauer gesagt an der Definition von globalen gesellschaftlichen Zielen.
- Bei der Berichterstattung lassen sich schon heute klare Anforderungen für die Zukunft ableiten. Die Aufnahme von Modulen zu Biodiversität in die Fragebögen des Carbon Disclosure Project (CDP) zur Abschätzung von Umweltfolgen schafft Tatsachen. Das CDP verweist dabei auf Informationen, die sich aus GRI und TNFD ableiten.
Wer am Beginn der Planung einer Biodiversitätsstrategie steht, ist gut beraten sich einen Überblick zu verschaffen, denn: Nicht jeder Ansatz passt zu jedem Unternehmen. Außerdem sollten die Abhängigkeiten, die Auswirkungen, aber auch die Chancen und Risiken sowie die Zielsetzung geklärt werden.
Biodiversität wird zum nächsten entscheidenden Spielfeld für Unternehmen
Auch zwölf Jahre nach ihrer Veröffentlichung bleiben die Aichi-Prinzipien zur Biodiversität hochaktuell. Für viele Unternehmen bieten sie nach wie vor den Einstieg in die Beschäftigung mit dem Thema.
Doch Forschung und Verständnis von Biodiversität haben seither erhebliche Fortschritte gemacht. Ob die nächste multilaterale Konferenz im chinesischen Kunming endlich zur globalen Verpflichtung führt, das Thema Biodiversität umfangreich anzupacken – wie es die Paris-Konferenz für das Klima geschafft hat – ist offen. Unternehmen sollten sich deshalb schon jetzt darauf vorbereiten und Biodiversität endlich als wesentlichen Ausgangspunkt von Wirtschaftssystemen begreifen, nicht nur als nützliche Ressource.
Fazit
Neben Dekarbonisierung gewinnt Biodiversität als Themenfeld für unternehmerisches Handeln rasch an Bedeutung. Angesichts des Ausmaßes des Artensterbens wird das Thema auch in Zukunft immer mehr Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Die „Doppelte Wesentlichkeit“ gilt auch für die Biodiversitätsstrategien. Die Regeln für das Reporting stecken in den Anfängen. Doch Unternehmen sollten sich eingehend mit dem Thema Biodiversität befassen und sich auf künftige Veränderungen vorbereiten, da es vermehrt im Fokus von Regulationsaufsichten und Investoren steht, die das Offenlegen von Auswirkungen und Abhängigkeiten, sowie biodiversitätsbedingte Chancen und Risiken der Geschäftsmodelle erfordern.