Wie der Einstieg in die Wasserstoffwirtschaft gelingt
Langfristig wird sich grüner Wasserstoff, hergestellt mit Ökostrom per Elektrolyse, in Deutschland durchsetzen. Er ist im Rahmen der Klimaneutralität die einzige wirklich nachhaltige Option. Dafür wird er in der EEG-Novelle von der EEG-Umlage komplett befreit. Trotzdem wird in Deutschland erzeugter grüner Wasserstoff nach Berechnungen des Energiewirtschaftlichen Instituts an der Universität zu Köln bis 2030 mindestens doppelt so teuer bleiben wie klimaschädlicher grauer Wasserstoff aus fossilen Brennstoffen. Es ist somit unrealistisch, für den Markthochlauf nur auf grünen Wasserstoff aus Deutschland zu setzen.
Zwei Drittel des Bedarfs werden Wasserstoffimporte decken. Das macht gerade für die Verbrauchszentren wie das Ruhrgebiet eine verstärkte grenzüberschreitende Zusammenarbeit nötig. Grüner Wasserstoff könnte zum Beispiel aus der Nordsee kommen – hier ist die Zusammenarbeit mit dem Vereinigten Königreich und Dänemark geplant. Auch Mittelmeerstaaten, der Nahe Osten und Nordafrika sowie Australien und Chile bieten sich als Partner für die grüne Wasserstoffproduktion an.
Blauer Wasserstoff als Zwischenlösung
In einer Übergangsphase bis 2030 sollte zudem akzeptiert werden, dass Elektrolyseure nicht nur mit Ökostrom betrieben werden. Das ist wichtig, um frühzeitig Know-how in dieser Technologie zu erwerben und um die Umstellung auf Wasserstoff in einigen Endenergiesektoren rasch voranzubringen. Blauer Wasserstoff, hergestellt aus fossilem Erdgas per Dampfreformierung, ist dafür eine sinnvolle Option. Das bei der Herstellung entstehende CO2 wird anders als beim grauen Wasserstoff geologisch gespeichert, zum Beispiel am Meeresgrund. So kann es nicht in die Erdatmosphäre gelangen und zur globalen Erwärmung beitragen.
In Deutschland ist diese Speicherung von Kohlendioxid umstritten. Länder wie die Niederlande, Island oder Norwegen stehen allerdings für die Speicherung von CO2 aus Deutschland bereit. Auch Importe von blauem Wasserstoff zum Beispiel aus den Niederlanden, Norwegen und Russland sind eine Möglichkeit für den Übergang. Die Niederlande wollen ihr Gasnetz dafür nach dem Ausstieg aus der Erdgasförderung umrüsten und mit dem deutschen Ferngasnetz verknüpfen.
Türkiser Wasserstoff aus Biomethan – nicht nur für den Übergang
Eine weitere Option ist türkisfarbener Wasserstoff aus Methanpyrolyse, der durch die thermische Spaltung von Methan aus Erdgas hergestellt wird. Als Nebenprodukt entsteht hierbei fester Kohlenstoff, der sich weiter stofflich nutzen lässt. Wenn der türkise Wasserstoff aus Biomethan gewonnen wird (Deutschland erzeugt jährlich 33 ThW Biomethan), ist dies die einzige H2-Technologie, die proaktiv CO2 reduzieren kann, also die CO2-Bilanz verbessert. Mit dem entstehenden grünen Carbon könnte die Chemieindustrie zum Beispiel wirklich grüne Moleküle herstellen – aus grünem Wasserstoff und grünem Carbon. Zurzeit wird grüner Wasserstoff noch mit Carbon aus fossilen Quellen gekoppelt.
Europas Wasserstoffstrategie
Wahrscheinlich noch 2021 wird die EU einen vollständigen Rechtsrahmen für Wasserstoff vorstellen. Dabei spielt die Taxonomie für Nachhaltigkeit eine wichtige Rolle, die eine Art Standard für grüne Investments sein soll. Noch offen ist, ob die EU nur grünen Wasserstoff privilegiert oder auch Wasserstoff aus Atomstrom oder fossiler Energie, wenn das Kohlendioxid gespeichert (CCS) oder stofflich genutzt (CCU) wird. Umweltverbände fordern strenge Schwellenwerte, auch wegen der bislang unterschätzten Methanemissionen bei der Erdgasförderung und beim -transport. Auf der anderen Seite droht Widerstand gegen zu strenge Taxonomie-Vorgaben von mehreren EU-Staaten, der den „Green Deal“ als Ganzes blockieren könnte. Klar scheint nur eines: Grüner Wasserstoff wird auf lange Sicht in Europa die erste Wahl bei der Dekarbonisierung der Industrie sein.
Fazit
Die deutschen Klimaziele sind mit dem neuen Klimaschutzgesetz noch ambitionierter geworden. Der Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft ist ein zentrales Handlungsfeld. Doch nicht überall ergibt der Hoffnungsträger volkswirtschaftlich Sinn. Die Förderung sollte dort Schwerpunkte setzen, wo frühzeitiger Bedarf besteht, eine langfristige Nutzung zu erwarten ist und keine effizientere Alternative zur Verfügung steht. Grüner Wasserstoff aus Deutschland wird für die Umwälzungen allerdings nicht ausreichen. Importe sind nötig – und für den Übergang sollte auch Wasserstoff aus CO2-reduzierten Energieträgern zum Einsatz kommen.