4 Minuten Lesezeit 14 Oktober 2020
Nahaufnahme einer Ampel

„Gebt euch eine Vision!“

Von EY Deutschland

Building a better working world

4 Minuten Lesezeit 14 Oktober 2020

„Seid visionär und habt Mut zur Zukunft!“ ist das Credo von Prof. Dr. Gunther Olesch, Chief Representative der Phoenix Contact GmbH & Co. KG, Blomberg. Denn dies ist die Voraussetzung für die digitale Transformation, für Innovation und Erfolg.

Überblick
  • Die Kultur eines Unternehmens ist so gut wie seine Vision. Sie sorgt für Begeisterung, Mut und Optimismus und ist die Voraussetzung für Erfolg
  • Eine gute Vision darf sich nicht in Details verlieren, sondern muss das große Ganze zeigen. Nur so kann sie motivieren.
  • Die Vision ist der Nordstern des Unternehmens. Er gibt Kraft und Orientierung für die Zukunft – nicht nur in der Krise, sondern immer.

Die Corona-Krise hat viele Unternehmenskulturen auf den Prüfstand gestellt. Manche Unternehmen sind besser, manche schlechter durch die Krise gekommen. Was macht aus Ihrer Sicht eine gute Unternehmenskultur aus?

Prof. Dr. Gunther Olesch: Eine Unternehmenskultur ist so gut wie die übergreifende Leitidee, die ein Unternehmen hat. Sie zeigt den Mitarbeitenden den Weg in eine sinnvolle und lebenswerte Zukunft, für die es sich lohnt, sich einzusetzen. Sie sorgt für Begeisterung und Mut, Energie und Optimismus und schafft den Flow, der zum Erfolg führt. Jogi Löw ist das beste Beispiel dafür: Er hat vor sechs Jahren der deutschen Nationalmannschaft das Ziel und den Flow gegeben, der sie zum Sieg geführt hat. Wenn ich einen Rat habe, dann heißt er: „Gebt euch eine Vision!“

Neben der Corona-Krise sorgt insbesondere die digitale Transformation bei vielen Mitarbeitenden für Unsicherheit. Wie kann ein Unternehmen gegensteuern und seine Mannschaft für die digitale Reise begeistern?

Olesch: Wenn Populärphilosophen behaupten, dass durch die Digitalisierung 60 Prozent der Arbeitsplätze verlorengehen, ist das nicht nur demotivierend und bremst Innovationen aus, sondern es ist auch schlichtweg falsch. Als Henry Ford sein Model T auf die Straße brachte, gingen die Kutscher auf die Barrikaden, weil sie um ihre Arbeit fürchteten. Es stimmt, die Kutscher verloren ihre alte Arbeit, aber sie erhielten dafür neue, nämlich als Chauffeur, Taxi- und Lkw-Fahrer oder als Tankwart. So wird es auch bei der Digitalisierung sein. Es kommt alles darauf an, dass die Unternehmensleitung deutlich macht, dass in der Digitalisierung die Zukunft liegt und dass sie riesige Chancen bietet – für den Einzelnen und das ganze Unternehmen. Es geht ums „Just do it!“, wie die Angelsachsen sagen.

Mittelstandsbarometer 2020

Prof. Dr. Gunther Olesch

Eine Unternehmenskultur ist so gut wie die Vision, die das Unternehmen hat. Sie sorgt für Begeisterung und Mut, Energie und Optimismus und schafft den Flow, der zum Erfolg führt.
Prof. Dr. Gunther Olesch
Chief Representative der Phoenix Contact GmbH & Co. KG, Blomberg

Wie schafft es die Unternehmensführung, diesen Mut zum Handeln auf die Mitarbeitenden zu übertragen?

Olesch: Die Unternehmensführung braucht erstens eine klare Vision, die jeder versteht. Und zweitens muss sie an diese Vision wirklich selbst glauben, um sie mit der notwendigen Begeisterung vorzubringen. Steve Jobs und Elon Musk haben an ihre Visionen mit jeder Faser ihres Körpers geglaubt – und sie haben mit diesem Glauben wirklich Berge versetzt. Dabei kommt es darauf an, sich bei der Vision nicht in Details zu verlieren, sondern das große Ganze im Blick zu haben. Saint-Exupéry sagt treffend im Kleinen Prinzen: „Wenn Du ein Schiff bauen willst, dann trommele nicht Männer zusammen, um Holz zu beschaffen, Aufgaben zu vergeben und die Arbeit einzuteilen, sondern lehre die Menschen die Sehnsucht nach dem weiten, endlosen Meer.“

Wir Deutschen sind für unseren Perfektionismus bekannt. Könnte uns dieser Perfektionismus bei der Digitalisierung ausbremsen, weil wir Angst vor Fehlern haben? Und wie könnte eine konstruktive Fehlerkultur aussehen?

Olesch: Die Digitalisierung ist eine Gleichung mit vielen Unbekannten, bei der deshalb auch viele Fehler gemacht werden. Und leider ist es auch so, dass in Deutschland Fehler schnell mit Häme belohnt werden – was fatal ist. Wir sollten uns gerade bei der Digitalisierung an die 80/20-Regelung halten: 20 Prozent dürfen falsch sein, 80 Prozent sollten stimmen. Wir lernen nur aus Fehlern, und darum müssen wir auch Fehler machen können; es sollten nur nicht immer die gleichen sein! Auch hier kann uns Steve Jobs ein Vorbild sein: „It’s not a shame to fall. It’s a shame not to get up.“

Wir lernen nur aus Fehlern, und darum müssen wir auch Fehler machen können; es sollten nur nicht immer die gleichen sein! Steve Jobs sagte: It’s not a shame to fall. It’s a shame not to get up.
Prof. Dr. Gunther Olesch

Die Corona-Krise hat gezeigt, dass diejenigen Unternehmen am besten durch den Lockdown navigiert sind, die digital vorbereitet waren. Was sind die Lessons learned, die wir aus der Krise mitnehmen?

Olesch: Die Corona-Krise hat uns beim mobilen Arbeiten einen Turbo-Schub nach vorne versetzt. Ohne sie wären wir wohl erst in fünf oder acht Jahren da, wo wir heute sind. Dieses mobile Arbeiten fördert die Work-Life-Balance und setzt unglaublich viel Kreativität frei, denn Kreativität funktioniert nicht nach der Stechuhr. Allen Managern, die meinen, ohne Kontrolle funktioniere es nicht, sei gesagt, dass sich Drückeberger auch im Büro rarmachen. Die zweite wichtige Lektion, die wir aus der Krise mitnehmen, ist die Einsicht, dass wir auch ohne viel zu reisen erfolgreich arbeiten können. Die Krise hat also auch dem nachhaltigen Arbeiten einen riesigen Schub nach vorne gegeben. Das dürfen wir nicht verspielen.

Könnte es nicht sein, dass aus dem Segen ein Fluch wird und der Mensch im digitalen Unternehmen der Nach-Corona-Ära irgendwann überflüssig wird?

Olesch: Das glaube ich nicht. Der Mensch wird nie überflüssig werden. Der Neandertaler hat den Stein, und der moderne Mensch die digitalen Technologien zu seinem Werkzeug gemacht. Und so, wie der Stein unsere Vorfahren nicht überflüssig gemacht hat, wird auch die Digitalisierung den modernen Menschen nicht ersetzen können. Allerdings wird die Digitalisierung unser Arbeits- und Gesellschaftsleben radikal ändern. Und das bedeutet für die Vorgesetzen, dass sie ihre Mitarbeitenden nicht mehr nach ihrer Anwesenheit, sondern nach ihren Ergebnissen beurteilen. 

Das mobile Arbeiten fördert die Work-Life-Balance und setzt unglaublich viel Kreativität frei, denn Kreativität funktioniert nicht nach der Stechuhr.
Prof. Dr. Gunther Olesch

Sie bezeichnen sich selbst als Berufsoptimisten, dessen Credo „Mut zur Zukunft“ lautet. Warum ist Ihnen diese positive Sicht auf die Welt so wichtig, besonders in schwierigen Zeiten, wie wir sie gerade durchlaufen?

Olesch: Jedes Unternehmen richtet sich auf das Morgen aus; dort liegt seine Zukunft. Damit wir ihre Chancen sehen und von der Sinnhaftigkeit unseres Tuns überzeugt sind, brauchen wir neben Hoffnung, Glaube und Überzeugung auch Optimismus. Sonst scheitern wir beim kleinsten Rückschlag. Getragen wird dieser Optimismus von der Vision. Sie ist der Nordstern des Unternehmens, an dem sich alle ausrichten. Wir werden diesen Stern vielleicht nie erreichen, aber er ist die Orientierung, die uns Kraft und Mut für die Zukunft gibt – nicht nur jetzt in der Krise, sondern immer.

Der Mensch wird nie überflüssig werden. Der Neandertaler hat den Stein, und der moderne Mensch die digitalen Technologien zu seinem Werkzeug gemacht.
Prof. Dr. Gunther Olesch

Fazit

Wie erfolgreich ein Unternehmen ist, hängt in entscheidendem Maß von seiner Vision und seiner Unternehmenskultur ab. Dabei geht es nicht nur um eine klare und begeisternde Leitidee, an der sich alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausrichten, sondern ebenso um ein Umfeld, das Fehler zulässt, Kreativität fördert und nicht durch starre Bürozeiten charakterisiert ist. Das erfordert allerdings ein Umdenken seitens der Führungskräfte, da anstelle des Anwesenheits- ein Ergebnismanagement gesetzt werden muss.

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