4 Minuten Lesezeit 14 Oktober 2020
Drei Frauen schauen seitlich in die Kamera

„Wir brauchen eine Sowohl-als-auch-Mentalität“

Von EY Deutschland

Building a better working world

Co-Autoren
4 Minuten Lesezeit 14 Oktober 2020

Frauenkarrieren sind sehr wohl möglich, erklärt Sonja Mechling, Head of Global Marketing der Schindler AG, Berlin. Dafür braucht es allerdings gleichwertige Partnerschaften, starke Netzwerke und den Mut, im richtigen Moment die Hand zu heben.

Überblick
  • Frauen denken häufig noch in einem Entweder-oder-Schema. Besser ist ein Sowohl-als-auch-Denken. Dies hilft ihnen, den Ansprüchen von Familie und Karriere gerecht zu werden.
  • Welche Karrierechancen Frauen im Beruf haben, liegt nicht nur am Umfeld, sondern auch an den Paarbeziehungen und der Art, wie Aufgaben geregelt werden.
  • Frauen in Führungspositionen bringen frischen Wind in die Unternehmen, da diverse Teams verschiedene Perspektiven einbringen und damit kreativer sind. 

Frauen sind die besseren Chefs“ lautete das pointierte Ergebnis einer schwedischen Umfrage unter mehreren 1000 Teilnehmern. Trotzdem ist der Anteil von Frauen in Chefpositionen nach wie vor gering. Woran liegt das Ihrer Meinung?

Sonja Mechling: Ich sehe hierfür zwei Gründe. Zum einen glauben insbesondere in Deutschland immer noch viele Frauen, dass sie sich zwischen Familie und Beruf, Kind und Karriere entscheiden müssen. Sie denken in einem Entweder-oder-Schema. Wenn sie sich dann trotzdem für beides entscheiden, wollen sie auch beides perfekt machen. Das klappt natürlich nur in den seltensten Fällen, so dass sie schnell ein schlechtes Gewissen bekommen und sich aufreiben. Damit verbauen sie sich aber viele Möglichkeiten. In meiner Heimat, der Slowakei, war es schon immer völlig normal, dass Frauen arbeiten und die Kinder betreut werden. Die Sowohl-als-auch-Mentalität, die in der Slowakei und vielen anderen Ländern üblich ist, macht es den Frauen und ihrer beruflichen Entwicklung leichter.

Zum anderen herrscht in den Führungsetagen häufig noch eine Männerkultur mit bestimmten Spielregeln, die wir Frauen teilweise nicht oder noch nicht kennen. Darüber hinaus geht es uns Frauen eher um die Sache, um die Lösung, und weniger um die Macht. Aber das ändert sich Gott sei Dank in dem Maße, in dem immer mehr Frauen in die Führungspositionen kommen. Denn damit ändern sich auch die Spielregeln.

Frauen wird mehr Teamplay nachgesagt, Männern mehr Rambo-Mentalität. Ersteres ist gewünscht, letzteres nicht. Könnte die Kooperationsbereitschaft der Frauen aber gerade ein Grund dafür sein, dass sie es schwerer haben, nach vorne zu kommen?

Mechling: Ich glaube nicht, dass diese Gleichung noch stimmt. Die Welt ist einfach viel zu komplex, um sie mit einer Rambo-Mentalität zu steuern. Was wir heute brauchen, das sind Teamplay, Kooperation und respektvolles Miteinander. Es geht darum, Menschen und Mitarbeiter mit ihren verschiedenen Fähigkeiten mitzunehmen und damit die besseren Ergebnisse zu erzielen. Das haben auch die meisten großen Konzerne und Unternehmen verstanden. Sie wollen Teamplayer, die führen und begeistern können und so die Dinge voranbringen.

Mittelstandsbarometer 2020

Sonja Mechling

Frauen denken oft in einem Entweder-oder-Schema, was zu Widersprüchen führt. Eine Sowohl-als-auch-Mentalität würde es ihnen viel leichter machen, Familie und Karriere miteinander zu verbinden.
Sonja Mechling
Head of Global Marketing der Schindler AG, Berlin

Eine Studie der Internationalen Arbeitsorganisation ILO unter mehr als 12.000 Firmen zeigte, dass Unternehmen, die auf eine Geschlechterdurchmischung in der Firmenleitung setzen, erfolgreicher sind. Was ist der Grund dafür?

Mechling: Diverse Teams sind einfach kreativer. Und dabei geht es nicht nur um die Diversität der Geschlechter, sondern auch der Kulturen. Homogene Teams sehen alles durch die gleiche Brille, womit sie aber ganz viele Facetten ausblenden. Das kann gerade für international operierende Unternehmen zum großen Nachteil werden. Gemischte Teams dagegen sehen die Herausforderungen aus unterschiedlichen Perspektiven und können so auch viel differenziertere Lösungen entwickeln. Diversität erzeugt allerdings auch oft Reibung und besitzt Konfliktpotenzial. Die Führungsaufgabe besteht darin, diese Reibung positiv zu nutzen und zu einer gemeinsamen Entscheidung zu kommen.

Diverse Teams sind einfach kreativer. Und dabei geht es nicht nur um die Diversität der Geschlechter, sondern auch der Kulturen.
Sonja Mechling

Sie gehören zu denjenigen Frauen, die den Weg in die Führungsetage gegangen sind. Was waren die größten Hürden, die Sie überwinden mussten?

Mechling: Die erste große Hürde bestand für mich darin, Familie, Kinder und Beruf unter einen Hut zu bekommen. Bei dieser Aufgabe hat mich mein Mann sehr unterstützt und ist immer eingesprungen, wenn ich beispielsweise einen kurzfristigen Termin hatte. Ich glaube, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist immer auch eine Angelegenheit, die die Paare unter sich regeln müssen. Gleichzeitig habe ich bereits sehr früh angefangen, ein Netzwerk aus Helfern aufzubauen, auf die ich mich verlassen kann.

Die zweite große Hürde war, mich sichtbar zu machen und die notwendige Aufmerksamkeit zu bekommen. Ich musste selbst die Initiative ergreifen und zeigen, dass ich einen Schritt weiter gehen, Verantwortung übernehmen und zu dieser neuen Verantwortung auch stehen will. Das war für mich besonders schwer, weil mir nicht von Anfang an klar war, dass ich Karriere machen wollte. Damit geht einher, dass ich erst später erkannt habe, wie wichtig es ist, Seilschaften zu knüpfen und einen Mentor zu haben, der einen auf seinem Weg begleitet. Das gilt aber für Frauen ebenso wie für Männer.

Wenn Sie einen Blick in die Zukunft wagen: Sind die mittelständischen Unternehmen in Deutschland auf dem Weg der Gleichberechtigung?

Mechling: Ich sehe mit großer Freude immer mehr Initiativen, mit denen auch Mittelständler in Deutschland versuchen, mehr Frauen in Führungspositionen zu holen. Aber das muss ja auch so sein – wenn die Unternehmen nicht auf mindestens die Hälfte der besten Talente verzichten wollen. 

Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist immer auch eine Angelegenheit, die die Paare unter sich regeln müssen.
Sonja Mechling

Haben Sie einen Tipp für andere Frauen, die sich entwickeln wollen? Was könnten sie von Ihnen lernen?

Mechling: Sie sollten so früh wie möglich Netzwerke mit Gleichgesinnten knüpfen und Seilschaften bilden. Ich bin derzeit in zwei Netzwerken aktiv, dem Verein „Generation CEO“ sowie dem Netzwerk „Frauen in die Aufsichtsräte“. In diesen Netzwerken sind sowohl erfahrene als auch junge Frauen; das Entscheidende ist aber, dass man sich austauschen, voneinander lernen und sich weiterhelfen kann. Ich habe in diesen Netzwerken sehr viel Mut und Unterstützung erfahren, und seit ich dabei bin, hat dies meiner Karriere auch einen starken Schub gegeben!

Was ist Ihnen persönlich beim Thema „Frauen in Führungspositionen“ wichtig?

Mechling: Ich werde immer wieder gefragt: Warum machst du das? Was treibt dich an? Und meine Antwort ist immer dieselbe: Weil ich etwas bewegen will! Ich will anderen Frauen Mut machen, nicht nur ihren eigenen Weg, sondern auch die Extrameile zu gehen, die sie wirklich weiterbringt. Ich will sie ermuntern, Neues zu wagen. Und ich möchte ihnen zurufen: Traut euch! Wir Frauen haben das Potenzial!

Ich will andere Frauen ermuntern, Neues zu wagen. Und ich möchte ihnen zurufen: Traut euch! Wir Frauen haben das Potenzial!
Sonja Mechling

Fazit

Frauen haben es häufig immer noch schwerer als Männer, in Führungspositionen zu gelangen. Das liegt zum einen am Umfeld, zum anderen aber auch an den Frauen selbst. Sie denken oft noch zu sehr in einem Entweder-oder-Schema, das sie daran hindert, sowohl für die Familie als auch auf den Beruf da zu sein. Besser ist die Sowohl-als-auch-Mentalität – und das Wissen darum, dass auch Frau sich vernetzen und im richtigen Moment die Hand heben muss, um den entscheidenden Schritt nach vorne zu gehen.

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