Viele Familienunternehmen tun sich immer noch schwer damit, die mit der Digitalisierung einhergehende Transformation ihres Geschäftsmodells zu stemmen. Aber diese Transformation ist unbedingt erforderlich, wenn sie auch in Zukunft erfolgreich sein wollen.
Sie haben mit der Nachfolgegeneration ein ganz wichtiges Thema angesprochen. Was sind aus Ihrer Sicht die entscheidenden Erfolgsfaktoren, damit die Nachfolge gelingt und die „Next Gen“ ihre eigenen Ideen und Vorstellungen ins elterliche Unternehmen einbringen kann?
Kammerlander: Die Familie muss möglichst früh transparent und fair regeln, wer ins Unternehmen einsteigt, wer was wann und wie sagen darf und wer wann, wie und wo zustimmen muss, aber auch wer wann nichts mehr sagen darf – beispielsweise weil sie oder er ausgeschieden ist. Sowohl die ältere als auch die jüngere Nachwuchsgeneration müssen ihre Karten offen auf den Tisch legen und sowohl innerhalb der Familie als auch im Unternehmen klipp und klar darlegen, was sie wollen und voneinander erwarten. Das Schlimmste wäre das Prinz-Charles-Syndrom, bei dem der designierte Nachfolger über Jahre darauf wartet, endlich die Führung zu übernehmen. Ein solcher Fall wäre nicht nur für die betreffende Person fatal, sondern auch ein Hemmschuh für jegliche Innovation. Eine geglückte Nachfolge hängt letztlich immer davon ab, ob und wie gut die feine Balance zwischen Unterstützung und Freiraum, zwischen einem Zuviel und einem Zuwenig an Hilfe gelingt.
Die Family Governance spielt für eine geglückte Nachfolge eine entscheidende Rolle, da sie die von Ihnen angesprochenen kritischen Themen im Vorfeld klären soll. Was sollte eine Unternehmerfamilie beachten, wenn sie ihre Family Governance aufsetzt?
Kammerlander: Das Wichtigste ist meiner Meinung nach, dass die Familie erkennt, wie wichtig eine Family Governance ist. Dabei sollte sie den Vertrag möglichst früh aufsetzen. Es ist viel einfacher, sich auf ein bestimmtes Vorgehen und bestimmte Regeln zu einigen, wenn es noch keine Unstimmigkeiten gibt. Dabei ist eine Family Governance umso wichtiger, je größer die Familie ist. Wenn beispielsweise angeheiratete oder verschwägerte Personen am Familienunternehmen beteiligt sind, muss geklärt werden, wer ins Unternehmen einsteigt und wie jetzt und in Zukunft zusammengearbeitet werden soll. Es ist wichtig, dass die Family Governance von möglichst allen Beteiligten und insbesondere zusammen mit der nachfolgenden Generation aufgesetzt wird. Das ist häufig ein sehr mühsamer Prozess, da die unterschiedlichsten und oft kontroversesten Fragen geklärt werden müssen. Es muss ja nicht nur entschieden werden, wer eigentlich zur Familie gehört und wer ins Unternehmen einsteigt, sondern auch, wie weitergemacht, wo und wie investiert und wie mit Konflikten umgegangen wird. Das lässt sich nicht von einer Person allein entscheiden. Ich rate den Familienunternehmen sogar, sich zu überlegen, ob sie sich bei der Ausarbeitung der Family Governance externe Begleitung suchen.
Die Familie muss möglichst früh transparent und fair regeln, wer ins Unternehmen einsteigt und wer was entscheiden darf. Dabei spielt eine lebendige Family Governance eine ganz entscheidende Rolle.
Wenn es um die Bewältigung von Herausforderungen geht, geht es immer auch um die Frage, wie resilient ein Unternehmen ist – beispielsweise gerade jetzt in der Corona-Krise. Wie widerstandsfähig sind aus Ihrer Sicht Familienunternehmen? Wie gut sind sie gegen Krisen gewappnet?
Kammerlander: Ich glaube, dass Familienunternehmen sehr widerstandsfähig sind. Das hat eine ganze Reihe von Gründen. Da ist zunächst die meistens sehr gute Eigenkapitalquote, die sozusagen zu ihrer DNA gehört. Zum anderen sind Familienunternehmen meistens auch sehr gut vernetzt. Oft sind sie über Jahrzehnte oder sogar Jahrhunderte am gleichen Ort ansässig und haben starke Verbindungen zu ihren Geschäftspartnern aufgebaut. Ebenso spielen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine wichtige Rolle. Diese Pseudo-Familie ist gerade in Krisenzeiten eine starke und loyale Stütze für das Unternehmen; hier zahlt es sich aus, wie gut die Beziehung zur Kernfamilie ist! Schließlich sind die meisten Familienunternehmen aber auch krisenerprobt. Das liegt daran, dass sie in den seltensten Fällen „Shooting Stars“, sondern über einen langen Zeitraum gewachsen sind und hier sowohl interne Krisen wie die Nachfolge als auch externe wie einen Weltkrieg bewältigen mussten. Dadurch ergibt sich eine gewisse Gelassenheit und Ruhe, mit Krisen umzugehen, was ihre Resilienz stärkt.
Lassen Sie uns jetzt einen Blick in die Zukunft werfen. Neben der Digitalisierung werden die Dekarbonisierung und das nachhaltige Wirtschaften zwei weitere große Herausforderungen sein, die die Unternehmen meistern müssen. Wie sind aus Ihrer Sicht die Familienunternehmen in puncto Nachhaltigkeit aufgestellt?
Kammerlander: Ich glaube, dass viele Familienunternehmen hier schon sehr gut aufgestellt sind. Zum einen liegt das am nachhaltigen Denken und Handeln, das diese Unternehmen auszeichnet. So möchte sich beispielsweise kein Familienunternehmer am Wohnort nachsagen lassen, dass er die Umwelt verschmutzt. Zum anderen kommt gerade beim Thema Nachhaltigkeit die Nachwuchsgeneration ins Spiel, für die es sehr wichtig ist, dass das Unternehmen beispielsweise umweltverträglich produziert, recycelbare Verpackungen einsetzt oder Lieferketten hat, in denen dubiose Partner nichts verloren haben. Allerdings reden die Unternehmen oft nicht darüber, sondern tun es einfach. Und darum ist das Nachhaltigkeitsengagement gerade von kleineren Familienunternehmen in der Öffentlichkeit oft nicht so präsent.
Familienunternehmen sind wirklich etwas ganz Besonderes. Dies liegt an der engen Verbindung von Mensch und Wirtschaft, von Leidenschaft und Unternehmertum, die jedem Familienunternehmen seinen eigenen Charakter gibt.
Zum Schluss noch eine persönliche Frage: An welchen Themen arbeiten Sie gerade? Und können Familienunternehmen davon vielleicht auch profitieren?
Kammerlander: Wir arbeiten derzeit an ganz unterschiedlichen finanziellen, strategischen und organisatorischen Forschungsprojekten. So untersuchen wir beispielsweise, was bei der Zusammenarbeit von Familienunternehmen und Private-Equity-Investoren zu beachten ist, welche Möglichkeiten Familienunternehmen bei Impact- und Philanthropie-Investments haben, wie Familienunternehmen mit Innovationen umgehen, wie eine optimale Zusammenarbeit mit Start-ups aussieht und wann es sinnvoll ist auszugründen, um dem Unternehmen den notwendigen Innovationskick zu geben. So unterschiedlich all diese Themen sind, so haben sie doch ein Ziel: Wir wollen die DNA der Familienunternehmen nicht nur besser verstehen, sondern auch Ergebnisse erzielen, die den Familienunternehmen helfen, auch morgen noch erfolgreich zu sein.
Fazit
Familienunternehmen zeichnen sich durch die einzigartige Verbindung von Leidenschaft und Unternehmertum aus. Sie besitzen eine mitunter extreme Dynamik, wobei sie gleichzeitig für ein langfristiges und wertorientiertes Handeln stehen. Dies kann dazu führen, dass Innovationen blockiert werden. Eine Möglichkeit, dieses „Family Innovator’s Dilemma“ zu durchbrechen und sich in der Disruption selbst zu disruptieren, besteht darin, mit Start-ups zu kooperieren oder über eine Neugründung die Disruption ins Familienunternehmen zu bringen. Nach wie vor gehört die Nachfolge zu den wichtigsten Themen, weshalb sie frühzeitig und mit möglichst allen Familienmitgliedern in einer lebendigen Family Governance geregelt werden sollte.