5 Minuten Lesezeit 16 Dezember 2021
Frau fotografiert frische grüne Suppe -  Close-up of a woman taking a photo of green cream soup with her mobile phone.

Wie Startups die Food-Branche transformieren

Von Wolfgang Glauner

Leiter Marktaktivitäten Familienunternehmen, EY Corporate Solutions GmbH & Co KG | Deutschland

Wolfgang Glauner weiß, was Familienunternehmen bewegt, welche Herausforderungen sie haben und was ihre Erfolgsfaktoren sind. Er lebt mit seiner Familie in Stuttgart.

5 Minuten Lesezeit 16 Dezember 2021

Der Online-Händler Foodist fordert mit seinem innovativen D2C-Geschäftsmodell die klassische Lebensmittelbranche heraus. 

Überblick
  • Die Lebensmittelbranche steht vor einer radikalen Transformation. Der Online-Handel gewinnt zunehmend an Bedeutung.
  • Das Hamburger Startup Foodist hat diesen Trend früh erkannt und setzt erfolgreich auf Online-Shopping, Social Media, Influencer und eine Creator Economy.
  • Voraussetzung für die Zukunftsfähigkeit nicht nur in der Food-Branche sind Kreativität, Mut und die Bereitschaft, ganz Neues zu wagen.

Der Lebensmittelmarkt steht vor einem radikalen Umbruch. Der Online-Händler Foodist mischt bei dieser Transformation an vorderster Front mit. Im Interview sprechen die beiden Geschäftsführer Tobias Eismann und Alexander Djordjevic über ihre Online-Shopping-Plattform, die große Bedeutung von Social Media und Influencern, die Vorteile des Direct-to-Consumer-Modells und die Notwendigkeit, die Komfortzone zu verlassen und Risiken einzugehen. Und sie verraten, was Familienunternehmen von ihnen lernen können und wohin aus ihrer Sicht die Reise der Lebensmittelbranche führt.

Herr Eismann, Sie haben 1999 Ihr erstes Unternehmen gegründet, eine Internetagentur, und 2014 dann Metacrew aus der Taufe gehoben, zu der seit 2019 auch Foodist gehört. Wie ist es dazu gekommen? Und welche Geschäftsidee steckt dahinter?

Tobias Eismann: Nachdem ich mich von meinem ersten Unternehmen getrennt hatte, war ich drei Jahre bei einem Gütersloher Medienkonzern aktiv, dem ich dann das Konzept seiner Beauty-Abo-Boxen abgekauft habe. Dahinter steckte die Idee, dass die Abonnenten jeden Monat ein Überraschungspaket erhalten, in dem sie sorgfältig ausgesuchte Kosmetik- und Schönheitsartikel entdecken. Wir haben dieses Geschäftsmodell zunächst mit der Kosmetik-Online-Plattform „BeautyLove“ und dann mit dem Lebensmittel-Online-Shop „Foodist“ konsequent ausgebaut. So haben wir im Beauty- und Lifestyle-Bereich mit großen Medienpartnern neue Pakete wie die „Brigitte Box“ oder die „InStyleBox“ entwickelt. Und im Food-Bereich haben wir zusammen mit Influencern wie Pamela Reif oder Stefanie Giesinger die „Pam Box“ oder die „For Your Soul Box“ kreiert, in der sich ausgesuchte und vor allem gesunde Leckereien befinden. Diese Abo-Boxen sind echte Verkaufskracher! Seit Foodist zu uns gehört, heben wir richtig ab. Im vergangenen Jahr konnten wir aufgrund der Corona-Krise unseren Umsatz um 40 Prozent auf über 40 Millionen Euro steigern; unser Ziel für 2021 sind 60 Millionen Euro. Heute versenden wir etwa 100.000 Boxen im Monat. Das ist eine wahnsinnige Entwicklung, die uns selbst überrascht. 

Tobias Eismann

Tobias Eismann, Gründer und Geschäftsführer der Metacrew Group, Osnabrück und Berlin, sowie Geschäftsführer von Foodist, Hamburg

Herr Djordjevic, Sie haben zusammen mit Ihren beiden Mitgründern die Foodist-Idee 2014 in der ersten Staffel der Vox-Show „Die Höhle der Löwen“ vorgestellt. Was ist dann passiert?

Alexander Djordjevic: Im Anschluss an die Sendung sind unsere Bestellserver komplett eingeknickt. Innerhalb von wenigen Stunden sind Tausende von Bestellungen für unsere Food-Boxen eingegangen, worauf wir damals in keinerlei Weise vorbereitet waren – weder mit unserer Technik noch mit unseren Vorräten noch mit unserer Logistik. Aber wir haben einen riesigen Aufmerksamkeitsschub erhalten, über 10.000 Abonnements für oft zwölf Monate abschließen können – und ein Angebot des Juroren Frank Thelen abgelehnt, weil es unseren Erwartungen nicht entsprach. Der erste Investorendeal war dann zwei Jahre später, als wir mit einem Medienkonzern gemeinsame Sache machten, von dem wir das notwendige Wachstumskapital erhielten. Und seit 2019 kooperieren wir erfolgreich mit Metacrew.

Alexander Djordjevic

Tobias Eismann, Gründer und Geschäftsführer der Metacrew Group, Osnabrück und Berlin, sowie Geschäftsführer von Foodist, Hamburg

Wie geht denn Metacrew mit dem rasanten Wachstum von Foodist um?

Eismann: Das ist eine echte Herausforderung. Foodist wächst und muss weiterwachsen, da sich der Lebensmittelmarkt derzeit sowohl von Angebots- als auch von Kundenseite komplett verändert, und dabei werden auch die Anteile im Online-Food-Markt neu verteilt. Hier wollen wir weiterhin ganz vorne mitspielen. „New Food“, also gesunde und vegane Ernährung, ist ein Bereich, in dem Foodist seit seiner Gründung sehr erfolgreich unterwegs ist. Unser Ziel ist es, Foodist in ganz Europa zur führenden New-Food-Online-Plattform zu machen. In den kommenden drei Jahren soll Foodist die 100-Millionen-Euro-Umsatzmarke knacken. Dafür verstärken wir jetzt auch unser Management und suchen nach einem starken Partner, um so unsere ambitionierten Wachstumspläne konsequent in die Tat umsetzen zu können. Foodist ist eine bärenstarke Marke mit einem riesigen Potenzial!

Welche Rolle spielen die neuen Technologien wie etwa künstliche Intelligenz oder Social Media für Sie, um Ihre Kunden einzubinden, auf deren Wünsche optimal zu reagieren und Trends frühzeitig zu erkennen?

Djordjevic: Social Media spielen für uns eine eminent wichtige Rolle. Wir haben auf Instagram derzeit 125.000 und auf TicToc 85.000 Follower, die unsere Angebote kontinuierlich bewerten. Unser Anspruch ist es, mit unseren Kunden direkt zu kommunizieren. Wir wollen von ihnen wissen, wie ihnen unsere Produkte gefallen, was wir besser machen können und vor allem was sie sich wünschen. Wir verstehen uns als führender Player in der Creator Economy. Dabei helfen uns die neuen Technologien, indem wir genau auswerten, welche Produkte mit welchen Zutaten und Geschmacksrichtungen am besten laufen, um so neue Angebote zu entwickeln. So haben wir beispielsweise unsere eigene Erdnussbutter mit Zimt und Vanille kreiert, weil wir über unsere Datenanalyse herausgefunden haben, dass diese Geschmacksrichtungen gefragt sind. Die Schlüsse aus den Analysen ziehen wir allerdings selbst. Da ist unsere Kreativität gefragt.

Der Lebensmittelmarkt verändert sich derzeit sowohl von Angebots- als auch von Kundenseite komplett. Und dabei werden auch die Anteile im Online-Food-Markt neu verteilt.
Tobias Eismann
Gründer und Geschäftsführer der Metacrew Group sowie Geschäftsführer von Foodist

Was können etablierte Familienunternehmen von Ihnen lernen?

Eismann: Ich glaube, dass es ganz wichtig ist, eine Infrastruktur zu haben, mit der Trends erkannt, Chancen ergriffen und Ideen ohne langes Zögern in die Tat umgesetzt werden können. Dazu gehören nicht nur Schnelligkeit und Tatkraft, sondern auch die Bereitschaft, Risiken einzugehen und mit seinen Ideen zu scheitern. Es braucht eine Kultur des Wollens, des Handelns und der Akzeptanz, dass nicht immer alles so funktioniert, wie man sich das vorgestellt hat. Aus Fehlern lernt man, und Entscheidungen kann man revidieren. Die Welt ändert sich so wahnsinnig schnell, dass wir den Mut haben müssen, unsere Komfortzone zu verlassen und etwas ganz Neues auszuprobieren. Das gilt nicht nur für jedes Unternehmen, sondern auch für den Standort Deutschland. Ich glaube, dass diese Risiko- und Fehlerkultur in vielen Familienunternehmen noch nicht genug etabliert ist. Häufig fehlt der „Hallo-wach-Moment“. Und das kann dazu führen, dass man weitermacht wie bisher – und plötzlich abgehängt ist, weil das Geschäftsmodell überholt ist.

Mit Ihrem Direct-to-Consumer-Modell schaffen Sie eine direkte Verbindung zwischen Markenartikler und Konsument. Ist das der Trend der Zukunft? Und welche Vorteile hat das D2C-Modell gegenüber dem B2C-Modell?

Djordjevic: Beim klassischen B2C-Modell steht zwischen dem Produzenten und dem Kunden immer der Händler, der bestimmt, wie und sogar ob die Ware zum Kunden gelangt. Vor allem fehlt dem Markenartikler beim B2C-Modell das direkte Feedback des Kunden, von dem er lernen kann. Der D2C-Ansatz gibt dem Hersteller die Möglichkeit, seinen Kunden direkt zu erreichen, seine Produkte zu testen und zu verbessern. All das, was in den anderen Branchen längst üblich ist, fängt jetzt im Food-Bereich an. Ich sehe den Direct-to-Consumer-Ansatz ganz klar als Trend der Zukunft. Und ich finde es wahnsinnig spannend, dass wir hier ganz vorne mitmischen.

Sie geben Ihren Kunden ein großes Versprechen: „We create the most inspiring online shopping platform for food trends.“ Wie lösen Sie dieses Versprechen ein? Was ist die größte Herausforderung dabei?

Djordjevic: Das ist eine doppelte Herausforderung: Zum einen braucht es ein klares, überschaubares und zugleich inspirierendes Sortiment, in dem sich der Kunde wohlfühlt und intuitiv zurechtfindet. Er muss schnell bestellen können, seine Lieferung umgehend erhalten und die Möglichkeit haben, Feedback zu geben und eventuell auch Einspruch zu erheben. Es muss alles ganz einfach sein. Das verlangt zum anderen aber auch eine Technologie, die all dies ermöglicht. Und das ist die weitaus größere Herausforderung. Um hier State of the Art zu sein und dem Kunden ein optimales Einkaufserlebnis zu garantieren, investieren wir in unsere IT jetzt wieder einen massiven Betrag. Die Kunden müssen sicher sein, dass sie bei uns nicht nur ausgesuchte Premium-Food-Produkte erhalten, sondern auch beim Einkaufs- und Lieferprozess in besten Händen sind. Das ist eine Frage des Vertrauens.

Die Welt ändert sich so wahnsinnig schnell, dass wir den Mut haben müssen, unsere Komfortzone zu verlassen und etwas ganz Neues auszuprobieren. Sonst ist man plötzlich abgehängt, weil das Geschäftsmodell überholt ist.
Tobias Eismann
Gründer und Geschäftsführer der Metacrew Group sowie Geschäftsführer von Foodist

Nachhaltigkeit spielt im unternehmerischen Handeln eine immer wichtigere Rolle. Wie gehen Sie mit dem Thema um – sowohl im Hinblick auf die Qualität Ihrer Produkte als auch beim Verpacken und Verschicken der Pakete?

Djordjevic: Wir sind der festen Überzeugung, dass Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit Hand in Hand gehen. Die Idee der Nachhaltigkeit stammt aus dem Cost-Saving-Denken: Je weniger Materialeinsatz man hat, desto wirtschaftlicher handelt man. Wir versuchen, dieses Denken entlang unserer ganzen Lieferkette zu berücksichtigen, angefangen von der Produktion der Lebensmittel über die Verpackung bis hin zum Versand. Durch die hohe Qualität unserer Produkte und Boxen vermeiden wir auch unnötige Retouren, was wiederum der Umwelt zugutekommt. Mit unserem Engagement wollen wir unserer Verantwortung nachkommen, die wir gegenüber unseren Stakeholdern, unseren Mitarbeitern und der Gesellschaft haben. Im nächsten Schritt werden wir unsere Anstrengungen messen und in unsere Planung und Bilanz integrieren. Nachhaltigkeit hat bei uns einen sehr hohen Stellenwert, und ich glaube, dass unsere Kunden dies auch von uns erwarten.

Wenn Sie einen Blick in die Zukunft werfen: Wie sieht die Food-Branche in fünf Jahren aus? Was wird sich ändern?

Djordjevic: Es wird – ebenso wie in den anderen Branchen – auch im Nahrungsmittelbereich einen starken Shift in Richtung Online-Handel geben. Begünstigt wird diese Entwicklung noch durch die neuen Lebensmittel-Lieferdienste, die Social-Media-Kommunikation und die zunehmende Bedeutung, die Influencer als Food-Trendsetter gewinnen. Ebenso werden in Zukunft die Herkunft und Produktionsbedingungen, die Zutaten, die Qualität und die Verpackung der Lebensmittel eine weitaus größere Rolle spielen. Viele Kunden werden ein Bio-Label, vielleicht sogar ein Demeter-Label verlangen. Sie wollen wissen, wo ihre Produkte herkommen, was ihn ihnen steckt und wie nachhaltig sie produziert sind. Die Menschen werden sich mehr und mehr bewusst, dass ein gesundes und glückliches Leben mit guten, abwechslungsreichen und innovativen Lebensmitteln zusammenhängt.

Eismann: Das sehe ich ganz genauso. Die Richtung ist eindeutig mehr Digitalisierung, mehr Transparenz und Nachhaltigkeit, mehr Gesundheit und mehr Abwechslung. Foodist zeigt also, wohin die Reise geht. Welches Potenzial der Online-Food-Handel in Deutschland noch hat, zeigt ein Vergleich mit Großbritannien: Während dort der digitale Lebensmittelhandels bereits einen Anteil von rund 16 Prozent hat, sind es bei uns erst 2 bis 3 Prozent. Mit Foodist gestalten wir diesen Umbruch mit viel Elan und großer Überzeugung mit. Darauf sind wir richtig stolz – übrigens genauso wie darüber, dass wir beim „Entrepreneur Of The Year 2021“ in Berlin in die Finalistenrunde gekommen sind. Unser kleiner Film zeigt, wie sehr wir uns darüber gefreut haben. Diese Auszeichnung hat uns noch einmal einen großen Kick nach vorne gegeben!

  • EY Entrepreneur Of The Year

    Der EY Entrepreneur Of The Year  ist eine der renommiertesten Auszeichnungen für unternehmerische Exzellenz weltweit. Das Programm findet in 60 Ländern statt und würdigt die besten Entrepreneure rund um den Globus. In diesem Jahr wurde der Wirtschaftspreis für die deutschen Teilnehmer am 4. November 2021 in Berlin verliehen, und zwar in den Kategorien „Familienunternehmen“, „Innovation“, „Nachhaltigkeit“ und „Junge Unternehmen“. Das Startup Foodist schaffte mit seinem innovativen Geschäftsmodell den Sprung ins Finale der Kategorie „Junge Unternehmen“.

Fazit

Der Nahrungsmittelbereich befindet sich in einem radikalen Umbruch. Immer mehr Kundinnen und Kunden bestellen ausgesuchte Lebensmittel im Internet. Unterstützt wird diese Entwicklung durch die neuen Lebensmittel-Lieferdienste, die Social-Media-Kommunikation und die zunehmende Bedeutung, die Influencer als Food-Trendsetter gewinnen. Das Hamburger Startup Foodist hat diese Entwicklung als eines der ersten Unternehmen erkannt und sich zu einem führenden Player im New-Food-Online-Handel entwickelt. Mit seinem innovativen Geschäftsmodell und seinem Direct-2-Consumer-Ansatz fordert Foodist die etablierte Branche heraus – nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa.

Über diesen Artikel

Von Wolfgang Glauner

Leiter Marktaktivitäten Familienunternehmen, EY Corporate Solutions GmbH & Co KG | Deutschland

Wolfgang Glauner weiß, was Familienunternehmen bewegt, welche Herausforderungen sie haben und was ihre Erfolgsfaktoren sind. Er lebt mit seiner Familie in Stuttgart.