5 Minuten Lesezeit 23 September 2021
Family business

Wie deutsche Familienunternehmen sich international behaupten

Von Wolfgang Glauner

Leiter Marktaktivitäten Familienunternehmen, EY Corporate Solutions GmbH & Co KG | Deutschland

Wolfgang Glauner weiß, was Familienunternehmen bewegt, welche Herausforderungen sie haben und was ihre Erfolgsfaktoren sind. Er lebt mit seiner Familie in Stuttgart.

5 Minuten Lesezeit 23 September 2021

Der „Global Family Business Index 2021“ zeigt die Stärke der deutschen Familienunternehmen und analysiert ihre aktuellen Herausforderungen.

Überblick
  • 79 der Top-500-Familienunternehmen stammen aus Deutschland (16 %), wo es auch die ältesten Familienunternehmen gibt: Jedes zweite ist über 100 Jahre alt.
  • In Sachen Gleichberechtigung gibt es bei den Familienunternehmen noch großen Nachholbedarf: Nur rund 5 % der CEOs sind weiblich.
  • Knapp die Hälfte der Top-500-Familienunternehmen ist an der Börse gelistet. In Deutschland sind dies deutlich weniger, nämlich nur knapp ein Fünftel.

Sie sind nicht nur sehr erfolgreich, sondern auch das Herzstück der deutschen Wirtschaft: die Familienunternehmen. Doch wo stehen sie im internationalen Vergleich? Der „Global Family Business Index 2021“, den EY zusammen mit der Universität St. Gallen herausgebracht hat, gibt Antwort auf diese Fragen.

Deutsche Familienunternehmen behaupten ihre Position im internationalen Vergleich

Fast die Hälfte aller Familienunternehmen (236) des „Global Family Business Index 2021“ ist in Europa zu Hause. Insgesamt 79 bzw. rund 16 % der Top-500-Familienunternehmen kommen aus Deutschland, unter ihnen so bekannte Namen wie die Schwarz-Handelsgruppe, der Discounter Aldi oder die Fresenius-Medical-Care-Gruppe.

Nur die USA stellen mehr Unternehmen in den Top 500 – 119 beziehungsweise rund 24 Prozent. Gleichzeitig haben sieben der zehn größten Familienunternehmen der Welt ihren Sitz in den Vereinigten Staaten – darunter der Handelsriese Walmart auf Rang eins sowie die Holding Berkshire Hathaway auf Rang zwei. 

Insgesamt 32 Unternehmen stammen aus China, Hongkong und Taiwan. Japan ist mit neun Unternehmen und Südkorea mit 14 Familienunternehmen im Index vertreten, darunter auch die LG Corporation, die zu den zwanzig größten Unternehmen im Index gehört.

„Der neue Global Family Business Index zeigt, dass Europa weiterhin die Heimat der Familienunternehmen ist“, sagt Wolfgang Glauner, Leiter Familienunternehmen von EY Deutschland, zu den Ergebnissen. „Gleichzeitig macht er deutlich, welche herausragende Bedeutung die Familienunternehmen in Deutschland haben, wo sie für 90 % der Wirtschaftsleistung stehen.“

Die weltweit größten Familienunternehmen erwirtschaften im Durchschnitt 14,57 Milliarden US-Dollar im Jahr. Insgesamt mussten die Top-500-Familienunternehmen gegenüber dem 2019-er Index – hauptsächlich aufgrund der weltweiten Corona-Pandemie mit ihren gravierenden Folgen - Umsatzrückgänge von 2,5 % verzeichnen, wohingegen die Zahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weitgehend konstant geblieben ist.

„Die Entwicklung der Familienunternehmen zeigt, dass sie auch in Krisenzeiten zu ihrer Belegschaft stehen und langfristig denken und handeln“, kommentiert Michael Marbler, Leiter Mittelstand bei EY Deutschland, diese Zahlen. „Die Tradition des ‚ehrbaren Kaufmanns‘ trägt wesentlich zur Stärke des Standortes Deutschland bei, weil die Familienunternehmen dadurch nach Krisen schnell wieder den Betrieb auf Volllast fahren können.“

Die Tradition des ‚ehrbaren Kaufmanns‘ trägt wesentlich zur Stärke des Standortes Deutschland bei, weil die Familienunternehmen dadurch nach Krisen schnell wieder den Betrieb auf Volllast fahren können.
Wolfgang Glauner
Leiter Marktaktivitäten Familienunternehmen, EY Corporate Solutions GmbH & Co KG | Deutschland

Deutschland beheimatet die ältesten Familienunternehmen

Erfolgreiche Familienunternehmen denken und handeln langfristig und zeichnen sich durch ihr nachhaltiges Wachstum aus. Diese Kontinuität spiegelt sich auch im Alter der Top-500-Familienunternehmen wider.

So sind 75 % der im aktuellen Index aufgeführten Familienunternehmen älter als 50 Jahre; die meisten von ihnen sind zwischen 50 und 100 Jahre alt. Das älteste Unternehmen stammt dabei aus Japan: Mit über 400 Jahren ist die Takenaka Corp. das älteste Unternehmen im aktuellen Index. Insgesamt sind nur 8 % der Unternehmen jünger als 30 Jahre, wovon 43 % aus dem Asien-Pazifik-Raum und 50 % aus Europa stammen. Obwohl die USA die meisten Unternehmen im Index stellen, ist hier nur ein Familienunternehmen jünger als 30 Jahre.

Deutschland beheimatet im Durchschnitt die ältesten Familienunternehmen: Jedes zweite ist über 100 Jahre alt und damit schon über mehrere Generationen hinweg erfolgreich unterwegs.

Mehr als die Hälfte der CEOs kommt nicht aus der eigenen Familie – nur fünf Prozent sind Frauen

Familienunternehmen stehen für ein langfristiges und wertorientiertes Denken und Handeln. Grund dafür ist die oft untrennbare Beziehung zwischen der Familie und dem Unternehmen.

Im aktuellen Index stellen 45% der Top-500-Familienunternehmen den CEO aus der eigenen Familie. In Deutschland sind dies deutlich weniger, nämlich nur ein Drittel. „Ein Hauptgrund dafür dürfte das deutlich höhere Alter der deutschen Familienunternehmen im Gegensatz zu den internationalen Vergleichsunternehmen sein“, erklärt EY-Middle-Market-Leiter Michael Marbler diesen Unterschied.

Wenn es um die Frage geht, ob Frauen oder Männer in den Führungsetagen der Top-500-Familienunternehmen das Sagen haben, gibt es noch Nachholbedarf: Weltweit und auch in Deutschland sind nur rund 5 % der CEOs weiblich. „Familienunternehmen müssen sowohl auf der Führungs- als auch auf der Managementebene das Geschlechterverhältnis entscheidend verbessern“, sagt Wolfgang Glauner dazu, „denn gemischte Führungsteams tragen wesentlich zum Unternehmenserfolg bei.“

Ein großes Thema: Die „Next Gen“ ist in den Top-500-Familienunternehmen unterrepräsentiert

Für die meisten der Top-500-Familienunternehmen ist aber nicht nur die fehlende Gleichstellung von Frauen und Männern ein großes Thema, sondern auch das Durchschnittsalter der Familienmitglieder in der Führungsetage, das  61 Jahre beträgt. Und 80% aller im aktuellen Global Family Business Index gelisteten Familienunternehmen müssen damit klarkommen, dass in ihrer Führungsriege kein Familienmitglied 40 Jahre alt oder jünger ist.

Familienmitglieder in der Führungsetage

61 Jahre

Durchschnittsalter der Familienmitglieder mit Board-Funktion

„Das ist ein echtes Problem“, sagt Wolfgang Glauner dazu, „denn die junge Generation ist mit den Wünschen und Konsumgewohnheiten der eigenen Altersgruppe vertraut, besitzt die heute unbedingt notwendigen digitalen Skills und bringt einfach neue Ideen ins Unternehmen. Fehlt dieser Input, kann die Innovationskraft des ganzen Unternehmens darunter leiden.“ 

Drei Viertel der gelisteten Familienunternehmen haben in ihrer Führungsriege kein Familienmitglied, das 40 Jahre alt oder jünger ist. Das kann zu einem Problem werden, wenn es darum geht, die Wünsche der jungen Menschen zu erkennen oder innovative Ideen und die unbedingt notwendigen digitalen Skills ins Unternehmen zu bringen.
Wolfgang Glauner
Leiter Marktaktivitäten Familienunternehmen, EY Corporate Solutions GmbH & Co KG | Deutschland

Etwa die Hälfte der Top-500-Familienunternehmen ist börsennotiert – in Deutschland sind es nur knapp ein Fünftel

Die Dynamik, Agilität und gleichzeitige Kontinuität im Handeln der Familienunternehmen wird oft damit erklärt, dass sie über eine hohe Eigenkapitalausstattung verfügen und dabei nicht vom Kapitalmarkt abhängig sind, somit bei ihren Entscheidungen auch nicht auf kurzfristige Quartalszahlen und Aktionärserwartungen angewiesen sind. Dieser Gedanke trifft jedoch primär auf deutsche Familienunternehmen zu; der internationale Vergleich gibt ein anderes Bild.

So zeigt der aktuelle „Global Family Business Index 2021“, dass rund die Hälfte der hier aufgeführten Familienunternehmen an der Börse gelistet ist; im Asien-Pazifik-Raum sind es sogar 87 %. Allein in Deutschland sind dies deutlich weniger, nämlich nur knapp ein Fünftel. „Dies ist eine deutsche Besonderheit“, kommentiert Michael Marbler diesen Unterschied. „Viele hiesige Familienunternehmen legen nach wie vor großen Wert darauf, ihr Wachstum über ihren Cash-flow und eigene Mittel zu finanzieren, um damit ihre Unabhängigkeit zu sichern.“ 

Der Blick nach vorn

Familienunternehmen denken und handeln langfristig, zeichnen sich aber gleichzeitig durch eine hohe Flexibilität und Agilität aus. Gerade dies hat sie in der Corona-Pandemie mit ihren mitunter enormen Herausforderungen so resilient gemacht. „Jetzt kommt es darauf an, dass die Unternehmen die aktuell anstehenden Aufgaben wie die digitale Transformation und das Thema Nachhaltigkeit anpacken, um so weiterhin innovativ sein zu können“, resümiert Michael Marbler. „Dazu gehört es auch, die Next Gen-Herausforderung und die Geschlechterparität in den Führungsetagen anzugehen. Dann werden die Familienunternehmen weiterhin das bleiben, was sie sind: Das entscheidende Rückgrat der Wirtschaft – in Deutschland und weltweit.“

Über den Global Family Business Index

Der Global Family Business Index wurde in diesem Jahr zum vierten Mal gemeinsam von der Universität St. Gallen und EY herausgegeben. Der Index listet die 500 umsatzstärksten Familienunternehmen weltweit, die seit mindestens zwei Generationen von einer Familie geführt werden. 

Zum Index

Business people and girl looking at shining tablet in office

Podcast Zukunft Familienunternehmen

 

Der gemeinsame Podcast mit dem Lehrstuhl für Familienunternehmen der WHU - Otto Beisheim School of Management, behandelt relevante Top-Themen, denen sich Familienunternehmen und Mittelstand im Zeitalter der Disruption stellen müssen. Die Themen werden in Dialogen mit erfolgreichen Familienunternehmen beleuchtet.

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Fazit

Der Global Family Business Index 2021 zeigt, dass Europa die Heimat der Familienunternehmen ist; fast die Hälfte von ihnen (236) ist hier zu Hause. Insgesamt 16 % der Top-500-Familienunternehmen kommen aus Deutschland, wo sie für 90 % der Wirtschaftsleistung stehen. Nachholbedarf gibt es beim Thema Next-Generation und bei der Geschlechterparität, da nur 5 % aller CEOs in den Top-Familienunternehmen weiblich sind.

Über diesen Artikel

Von Wolfgang Glauner

Leiter Marktaktivitäten Familienunternehmen, EY Corporate Solutions GmbH & Co KG | Deutschland

Wolfgang Glauner weiß, was Familienunternehmen bewegt, welche Herausforderungen sie haben und was ihre Erfolgsfaktoren sind. Er lebt mit seiner Familie in Stuttgart.