4 Minuten Lesezeit 12 März 2021
Watchmaker in action

„Meine Vision sind schönste, mechanisch vollkommene Uhren“

Christine Hutter gründete mit einer großen Vision, viel Mut und einem starken Team die Moritz-Grossmann-Uhrenmanufaktur in Glashütte.

Überblick

  • Die gelernte Uhrmacherin Christine Hutter gründete 2008 in Glashütte die Moritz-Grossmann-Uhrenmanufaktur.
  • Mit viel Mut und einem starken Team setzte sie damit ihre Vision um, die schönsten und mechanisch vollkommene Uhren zu bauen.
  • Christine Hutter hat mit der Gründung ihrer Manufaktur bewiesen, dass eine große Vision auch scheinbar Unmögliches möglich machen kann. 

Frau Hutter, welche Uhr tragen Sie heute? Und warum gerade diese?

Christine Hutter: Ich trage heute die Backpage in Roségold. Das Besondere an dieser Uhr ist ihr gespiegeltes Uhrwerk. Normalerweise muss man eine Uhr umdrehen, um das Uhrwerk sehen zu können, weil es durch das Zifferblatt verdeckt ist und nur durch den Glasboden auf der Rückseite sichtbar ist. Bei der Backpage haben wir die Rückseite des Werks nach vorne gebracht und gespiegelt konstruiert. Auf diese Weise schaut man von oben auf das wunderschöne, fein finissierte Uhrwerk, und von hinten kann man auf die ebenfalls kunstvoll gearbeitete Werkseite sehen, die normalerweise vom Zifferblatt verdeckt ist. Die Backpage ist meine absolute Lieblingsuhr. Ich trage sie fast täglich.

Sie haben sich im Jahr 2008 entschlossen, die 1854 von Moritz Grossmann gegründete und am Ende des Jahrhunderts erloschene Uhrenmanufaktur in Glashütte neu zu gründen. Was hat Sie zu diesem Schritt bewogen?

Hutter: Das ist eine etwas längere Geschichte. Ich bin gelernte Uhrmacherin und habe viele Jahre im Marketing und im Verkauf gearbeitet. Hier in Glashütte habe ich mich intensiv mit der deutschen Uhrmachergeschichte beschäftigt und bin dabei auf den Namen Moritz Grossmann und die fantastischen Uhren gestoßen, die er seinerzeit in seinem Atelier baute. Das weckte in mir die Idee, die Namensrechte zu erwerben, um irgendwann einmal ebenso großartige Zeitmesser herzustellen. Einige Jahre später, da war ich in der Schweiz, bin ich diesem Traum ein großes Stück nähergekommen: Die Namensrechte waren in meinen Familienbesitz übergegangen. Jetzt fehlten noch Mut, Kapital und ein Geschäftsplan. Zum Glück hatte ich sehr gute Freunde, die mich in meinem Vorhaben bestärkten. 2008 ging ich zurück nach Sachsen und schrieb am Küchentisch meiner Dresdner Wohnung den Business-Plan für das künftige Unternehmen, das natürlich in Glashütte sein musste. Im November 2008 war es dann soweit: Zur Firmengründung hatten wir unseren eigenen Briefkasten. Einige Monate später bezogen wir in der Hauptstraße 25 unsere ersten Räumlichkeiten, direkt gegenüber dem ehemaligen Moritz-Grossmann-Gebäude.

Woher haben Sie den Mut dazu genommen – und das notwendige Kapital?

Hutter: Ich hatte einfach die Vision, die schönsten und zugleich mechanisch vollkommene Uhren zu bauen. Und dieser Vision bin ich hartnäckig und konsequent gefolgt. Ich wollte meinen Traum wahr machen und bin dafür Schritt für Schritt vorwärts gegangen – manchmal, ohne groß darüber nachzudenken. Das war auch gut so, denn mitunter war alles noch viel schwieriger, als ich es mir hätte vorstellen können. Es gab Höhen und Tiefen, aber ich habe immer nach vorne geschaut. Das hat mich gemeinsam mit meinem Team dann auch zum Ziel geführt. Das Startkapital habe ich insbesondere über meine Schweizer Freunde und später auch unterstützend durch Fördergelder des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung erhalten. Ohne diese Gelder wäre mein Traum nicht in Erfüllung gegangen. 

Grossmann Uhren GmbH mit ihrer Chefin Christine Hutter  am 24.06.2014 in Glashuette ( Sachsen ) .
Ich hatte einfach die Vision, die schönsten und zugleich mechanisch vollkommene Uhren zu bauen. Und dieser Vision bin ich hartnäckig und konsequent gefolgt.
Christine Hutter
Gründerin und CEO der Grossmann Uhren GmbH, Glashütte

Was war die größte Herausforderung, die Sie nach der Gründung Ihres Unternehmens bewältigen mussten?

Hutter: Ich glaube, es waren die ersten fünf Jahre. Ich hatte diesen Traum – aber es war am Anfang außer diesem Traum nichts anderes da: kein Fabrikationsgebäude, keine Maschinen, keine Konstruktionszeichnungen, keine Mitarbeiter, einfach gar nichts. Alles musste Schritt für Schritt aufgebaut werden, vom Gebäude über das Team und die Produktion bis hin zum Vertrieb. Ich habe in dieser Zeit gelernt, dass ein gutes Team das Wichtigste ist. Man kann die besten Ideen und Vorstellungen haben, aber wenn es nicht andere Menschen gibt, die sie teilen und umsetzen, sind diese Ideen und Vorstellungen nichts wert.

Und was war der größte Erfolg, den Sie verbuchen konnten?

Hutter: Es sind genau genommen drei größte Erfolge: Der erste ist das großartige Team. Ich bin wahnsinnig stolz auf die Moritz-Grossmann-Mannschaft, die gemeinsam mit mir hier in Glashütte die Vision vom Bau außergewöhnlicher Uhren in die Tat umsetzt. Der zweite Erfolg ist der exzellente Ruf, den wir uns in den letzten Jahren mit unseren Uhren weltweit erwerben konnten. Der dritte Punkt ist unsere hohe Qualität. Moritz-Grossmann-Uhren stehen für überaus edle Materialien, ungewöhnliche Konstruktionen und eine exzellente Finissierung. Darüber hinaus haben wir eine eigene Zeigerfertigung, die in Glashütte einzigartig ist und weltweit ihresgleichen sucht. Der Bau eines einzigen Zeigersets dauert acht Stunden.

„Ich habe gelernt, dass ein gutes Team das Wichtigste ist. Man kann die besten Ideen und Vorstellungen haben, aber wenn es nicht andere Menschen gibt, die sie teilen und umsetzen, sind diese Ideen und Vorstellungen nichts wert.“

Der Juwelier Georg Leicht sagte einmal, dass er niemanden kenne, der sich mit so viel Charme und Durchsetzungskraft in der Uhrenbranche behauptet hat wie Sie. Was sind aus Ihrer Sicht die Voraussetzungen für Erfolg?

Hutter: Das ist natürlich ein Kompliment, über das ich mich sehr freue! Erfolg hat aus meiner Sicht verschiedene Aspekte: Zuallererst muss es eine Vision geben, an die man felsenfest glaubt. Sie ist der Nordstern, der einen leitet. Dann muss man seinen Weg konsequent gehen. Wenn es Hindernisse gibt, kann man vielleicht einmal einen Umweg machen, aber die Schwierigkeiten dürfen einen nicht vom Ziel abbringen. Und dann kommt es auf das Team an. Nur mit einer guten Mannschaft kann man Visionen in die Tat umsetzen und neue Ideen entwickeln und dann mutig realisieren. Ein schönes Beispiel dafür ist unsere Tefnut-Twist-Uhr: Sie wird nicht über die klassische Krone, sondern mit dem drehbaren Armband aufgezogen. Damit können insbesondere Frauen mit frisch lackierten Fingernägeln einfach und komfortabel ihre Uhr aufzuziehen. Das ist ein echtes Novum in der Branche, für das wir sehr viel Anerkennung erhalten haben. Die Idee dafür kam aus dem Team.

Die Moritz-Grossmann-Manufaktur hatte gerade ihren zwölften Geburtstag. Auch wenn es kein rundes Jahr ist, so war es doch ein besonderes. Wie haben Sie den Geburtstag gefeiert?

Hutter: Leider konnten wir wegen Corona unseren zwölften Geburtstag nicht gemeinsam im Team feiern. Das war sehr schade. Dafür haben wir aber eine ganz besondere Geburtstagsuhr gebaut, die auf weltweit zwölf Exemplare limitierte XII Birthday Edition. Das Besondere an dieser Uhr ist ihr anreibeversilbertes Zifferblatt. Wir konnten dafür einen der letzten Experten in Glashütte ausfindig machen, der diese besondere Veredelungstechnik aus dem 19. Jahrhundert noch beherrscht. Ich glaube, dass wir mit dieser Uhr unseren Geburtstag gebührend gefeiert haben. Immerhin waren die zwölf Exemplare unserer Birthday-Edition innerhalb nur weniger Tage verkauft.

Ihre Uhrenmanufaktur wird immer wieder als ein Senkrechtstarter der deutschen Uhrenindustrie bezeichnet. Wo soll die weitere Reise hingehen? Was sind Ihre Pläne für die Zukunft?

Hutter: Ob wir ein Senkrechtstarter sind? Das weiß ich nicht so genau. Aber es ist eine schöne Anerkennung! Wir haben ein klares Ziel: Wir wollen später einmal 800 bis 1000 Uhren im Jahr herstellen – aber nicht mehr. Ansonsten könnten wir unsere Philosophie, einfache, aber wirklich vollkommene, handgefertigte Uhren zu bauen, nicht einhalten. Dabei orientieren wir uns an der Abhandlung Moritz Grossmanns aus dem 19. Jahrhundert über die Konstruktion einer einfachen, aber mechanisch vollkommenen Uhr. Mit einer automatisierten Produktion könnten wir diesen hohen Anspruch an handgefertigte Mechanik und höchste Finissierung nicht einhalten. Ebenso wollen wir weiterhin ein echter Nischenplayer sein, klein, aber fein. Wir legen Wert auf Qualität, nicht auf Quantität. Da wir eine kleine, inhabergeführte Manufaktur sind, gehört dazu neben der eigenen Entwicklung und Umsetzung innovativer und funktionaler Mechaniken auch die Möglichkeit, unsere Uhren zu personalisieren.

„Wir wollen ein echter Nischenplayer sein, klein, aber fein. Wir legen Wert auf Qualität, nicht auf Quantität. Ansonsten könnten wir unsere Philosophie, einfache, aber wirklich vollkommene, handgefertigte Uhren zu bauen, nicht einhalten.“

Seit einiger Zeit sind Sie auch digital unterwegs. Wie soll es hier weitergehen?

Hutter: Insbesondere während der Corona-Zeit haben wir unsere Digitalstrategie intensiv und sehr erfolgreich ausgebaut. So haben wir innerhalb kürzester Zeit rund 25.000 Follower für unseren Instagram-Kanal begeistern können. Wegen des Lockdowns und der Kontaktsperre lassen wir unsere weltweiten Kunden beispielsweise auch virtuell am Zusammenbau ihrer ganz persönlichen Uhr hier in Glashütte teilnehmen. Das hilft uns, trotz Corona den für uns sehr wichtigen engen Kontakt zu unseren Kunden zu halten. Diesen digitalen Weg wollen wir konsequent weiter ausbauen. Als i-Tüpfelchen werden wir schon bald mit einer eigenen Online-Boutique an den Start gehen. Hier können unsere Kunden ihre Uhr nach Wunsch konfigurieren und über einen eigenen Concierge-Service jederzeit eine individuelle Beratung erhalten. Vollendete mechanische Uhrmacherkunst auf der einen und kreatives Digitalmarketing auf der anderen Seite sind für uns keine Gegensätze.

„Insbesondere während der Corona-Zeit haben wir unsere Digitalstrategie intensiv und sehr erfolgreich ausgebaut. Vollendete mechanische Uhrmacherkunst auf der einen und kreatives Digitalmarketing auf der anderen Seite sind für uns keine Gegensätze.“

Fazit

Immer wieder wird gesagt, dass eine visionäre Idee, außergewöhnlicher Mut und ein starkes Team Berge versetzen und das scheinbar Unmögliche möglich machen können. Die Gründerin und CEO Christine Hutter der Moritz-Grossmann-Uhrenmanufaktur zeigt, wie sehr dieser Gedanke stimmt: Die gelernte Uhrmacherin hat ihre Vision vom Bau der schönsten und zugleich mechanisch vollkommenen Uhren wahr gemacht und in Glashütte eine eigene, unabhängige Uhrenmanufaktur gegründet.