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M&A in der Pflege: Fusionen und Übernahmen als Transformationsmotor

Transaktionen in der Pflegebranche verändern die Eigentümerlandschaft und bieten Chancen für Wachstum und Effizienz. Während große Betreiber ihre Marktanteile ausbauen, bleibt der Markt fragmentiert. Strategische Käufer dominieren die Transaktionen, während Private Equity selektiver agiert.


Überblick

  • M&A in der Pflegebranche transformiert die Eigentümerlandschaft, fördert Wachstum und Effizienz, während große Betreiber Marktanteile ausbauen.
  • Strategische Käufer dominieren die Transaktionen, während Private Equity selektiver agiert, was die Fragmentierung des Marktes verstärkt.
  • Erfolgreiche Integration und kulturelle Anpassung sind entscheidend, um die Herausforderungen des Fachkräftemangels und steigender Kosten zu meistern.

Veränderungen in der Pflege betreffen nicht nur den demografischen Wandel, Fachkräftemangel und Qualitätsstandards, auch die Eigentümerlandschaft vieler Einrichtungen wird durch Fusionen und Übernahmen (engl. Mergers and Acquisitions, M&A) grundlegend neu geordnet. Während kleinere Träger unter wirtschaftlichen Zugzwang geraten, weiten große Betreiberketten wie Alloheim oder emeis (ehemals Orpea) ihre Marktanteile gezielt aus. Zugleich wird der Sektor für internationale Investoren attraktiv.

M&A ist dabei jedoch längst mehr als ein Reaktionsinstrument auf Insolvenzen — es kann ein aktiver Hebel für Wachstum, Konsolidierung und operative Effizienz sein. Die Motive reichen von der Erschließung neuer Regionen über die Integration ambulanter Dienste bis hin zur Digitalisierung und ESG-fokussierten Infrastrukturentwicklung. Gleichzeitig steigen die Anforderungen an Governance, Kapitalstruktur und operative Steuerung. 

Die Insolvenzen von Convivo und Novent Holding machen jedoch deutlich: Ambitioniertes Wachstum allein reicht nicht aus. Ohne strategische Klarheit, disziplinierte Kapitaldisziplin und Integration droht selbst eine gut finanzierte Expansion zu scheitern. Wer M&A erfolgreich gestalten will, braucht ein tiefes Verständnis für die Besonderheiten des Pflegemarkts, regulatorische Sensibilität und ein belastbares operatives Modell.

Marktstruktur und Eigentumsverhältnisse: Fragmentierung trotz Konsolidierung

Trotz zunehmender M&A-Aktivität bleibt der deutsche Pflegemarkt hochgradig fragmentiert. Eine Analyse der Plattform Pflegemarkt.com zeigt: Die 30 größten Betreiber vereinten 2024 nur rund 23 Prozent aller stationären Pflegeplätze auf sich. Der Großteil der Versorgung liegt weiterhin bei Hunderten kleinen regionalen Trägern, die durch begrenzte Skaleneffekte und angesichts steigender Kosten unter Druck stehen. Diese Struktur schafft Raum für Konsolidierung. Insbesondere in Regionen mit hoher Nachfrage und angespanntem Versorgungsangebot oder wirtschaftlich angeschlagenen Einrichtungen entstehen attraktive Einstiegsmöglichkeiten.

Parallel dazu hat sich die Eigentümerlandschaft in den letzten Jahren deutlich verändert: Während früher gemeinnützige und kommunale Träger dominierten, steigt der Anteil privater Investoren kontinuierlich an. Besonders aktiv sind internationale Private-Equity-Gesellschaften wie Nordic Capital, Waterland oder Chequers Capital, die über Plattformstrategien (z. B. Dorea, convivo, Schönes Leben) Marktanteile aufbauen. Auch institutionelle Kapitalgeber wie Aedifica oder Capital Bay investieren — meist in die Immobilien, nicht in den Betrieb. Diese Entwicklung verändert dabei nicht nur die Eigentumsverhältnisse, sondern auch die Steuerungslogik: Pflegeheime werden zunehmend als strategische Assets geführt.

Die Käuferlandschaft wird von Strategen dominiert — Private Equity bleibt selektiv

Laut der Analyse der Plattform Pflegemarkt.com zum ersten Halbjahr 2024 entfielen rund 80 Prozent der im Zuge von Betriebsübernahmen integrierten Pflegeplatzkapazitäten auf strategische Akteure. Ihr Fokus liegt vorrangig auf dem Ausbau bestehender Plattformen sowie der regionalen Expansion. Finanzinvestoren sind zwar weiterhin aktiv, agieren jedoch deutlich selektiver. Ihr Anteil am Gesamtvolumen der Übernahmen liegt bei lediglich 20 Prozent. Dabei konzentrieren sie sich vor allem auf Buy-and-Build-Strategien mit definierten Exit-Zeithorizonten oder auf Immobilieninvestitionen mit langfristig gesicherten Mietverträgen.

Zu den größten Transaktionen der vergangenen Jahre zählen unter anderem die Übernahmen der Katharinenhof-Gruppe durch Alloheim sowie mehrerer Pflegeeinrichtungen durch Aedifica. Im Jahr 2024 übernahm Alloheim 24 Pflegeheime der Katharinenhof-Gruppe mit über 3.500 Pflegeplätzen. Der Transaktionswert lag bei über 300 Mio. € — der größte Deal des Jahres in der Branche. Alloheim stärkte damit seine Marktführerschaft im deutschen Pflegemarkt und erhöhte seinen Marktanteil auf rund 3,1 Prozent. Im Jahr 2021 erwarb der belgische Immobilieninvestor Aedifica 19 unabhängige Pflegeheime mit rund 2.200 Plätzen für 240 Mio. €. Die Einrichtungen werden operativ von der AZURIT Gruppe geführt, während Aedifica als Eigentümer fungiert — ein klassisches Beispiel für die Trennung von Eigentum und Betrieb im Pflegesektor.

Synergien und Integration bilden den Hebel für Effizienz und Qualität

Erfolgreiche M&A-Transaktionen zeichnen sich dadurch aus, Synergien zu heben und operative wie kulturelle Integration umzusetzen. Insbesondere durch die gezielte Vernetzung mehrerer Einrichtungen lassen sich umsatzwirksame Effekte realisieren: Pflegeplätze können effizienter ausgelastet, geografische Einzugsgebiete strategisch erweitert und die Bewohnerzahlen nachhaltig gesteigert werden. Zudem bietet die Kombination verschiedener Leistungsformen — etwa stationäre Pflege, Tagespflege und ambulante Dienste — die Chance, neue Erlösquellen zu erschließen. Auch Zusatzleistungen, die privat abgerechnet werden können, etwa Komfortpakete oder digitale Services, gewinnen an Bedeutung.

Auf der Kostenseite lassen sich durch M&A signifikante Effizienzgewinne erzielen: etwa durch eine zentrale Infrastruktur, einen gebündelten Einkauf oder den Abbau redundanter Verwaltungsstrukturen. Prozesssynergien entstehen insbesondere durch die Standardisierung von Abläufen, IT-Systemen und Personalentwicklungsmaßnahmen. Besonders relevant ist auch die operative Integration, wobei Personalplanung, Bewohnerkommunikation und Qualitätsmanagement harmonisiert werden müssen, idealerweise ohne die Identität der übernommenen Einrichtung zu zerstören.

Ein oft unterschätzter, aber entscheidender Erfolgsfaktor ist die kulturelle Integration. Pflege ist ein personenbezogenes Geschäft — geprägt von Vertrauen, Empathie und lokaler Bindung. Wer M&A nur als Excel-Modell versteht, riskiert Widerstand bei Mitarbeitenden, Verunsicherung bei Bewohner:innen und letztlich: Wertvernichtung.

Was Pflegeimmobilien wirklich wertvoll macht

Pflegeimmobilien unterliegen zunehmend komplexen Bewertungslogiken. Ein zentraler Faktor ist dabei der Fachkräftemangel: Er ist längst nicht mehr nur ein operatives Risiko, sondern wirkt sich direkt auf Auslastung, Erlössicherheit und damit auch auf die wirtschaftliche Tragfähigkeit der Immobilie aus. In strukturschwachen oder ländlichen Regionen kann die Verfügbarkeit von Pflegepersonal zur harten Standortrestriktion werden — mit Konsequenzen für Investitionsentscheidungen und Betreiberbindung.

Klassische Bewertungskriterien wie Bausubstanz oder Ausstattung treten zunehmend in den Hintergrund. Für Investoren stehen vielmehr Standortqualität, Nachfragepotenzial und wirtschaftliche Resilienz im Vordergrund. Einrichtungen in wachstumsstarken Regionen mit stabiler demografischer Entwicklung und hohem Versorgungsbedarf bieten hier einen klaren Vorteil. Auch die Betriebsgröße spielt eine Rolle: Einrichtungen mit über 70 Plätzen gelten als wirtschaftlich resilienter und sind effizienter zu betreiben.

Entscheidend ist zudem die strukturelle Ausgestaltung des Investments. Modelle wie PropCo/ OpCo — hier ist der Pflegebetrieb (OpCo) vom Immobilieneigentum (PropCo) getrennt — gewinnen weiter an Bedeutung. Investoren fokussieren sich dabei primär auf langfristige, indexierte Mietverträge mit langen Laufzeiten und stabilen Cashflows, weniger auf den operativen Betrieb.

ESG als Investitionsfilter mit Fokus auf E und S

Auch wenn ESG-Kriterien bislang selten transaktionsentscheidend waren, können Nachhaltigkeit, soziale Verantwortung und gute Unternehmensführung zu wichtigen Differenzierungsfaktoren werden. Insbesondere die Energieeffizienz entwickelt sich vor dem Hintergrund steigender Betriebskosten und wachsender regulatorischer Anforderungen zu einem zentralen wirtschaftlichen Hebel. Nachhaltige Immobilien (E) erhöhen nicht nur die Betriebssicherheit, sondern verbessern auch Finanzierungsbedingungen und Zukunftsfähigkeit. Ein praxisnahes Beispiel liefert die Übernahme der Möhring- und Vital-Wohnen-Gruppe durch Alloheim, bei der gezielt in die energetische Optimierung des Immobilienbestands investiert wurde.

Zudem ist im Pflegemarkt die soziale Verantwortung (S) ein zentraler Erfolgsfaktor. Programme zur Aus- und Weiterbildung sowie zur langfristigen Mitarbeiterbindung erhöhen nicht nur die Resilienz, sondern auch die wirtschaftliche Attraktivität von Pflegeeinrichtungen. Besonders größere Träger verfügen dabei über die notwendigen Strukturen und Ressourcen, um die Integration internationaler Fachkräfte systematisch zu skalieren — ein zunehmend kritischer Hebel angesichts des anhaltenden Fachkräftemangels.

Im Bereich Governance (G) zählen transparente Eigentümerstrukturen und regulatorische Konformität. Investoren führen umfassende ESG-Due-Diligence-Prüfungen durch — nicht nur aus Gründen der Risikoabwägung, sondern als Teil der Bewertung. Wer Nachhaltigkeit konsequent entlang ökologischer, sozialer und struktureller Dimensionen denkt, positioniert sich strategisch robust — und schafft nachhaltige Wertbeiträge in einem zunehmend anspruchsvollen Marktumfeld.

Risiken und Insolvenzfälle: wenn M&A scheitert

Selbst in einem wachsenden Pflegemarkt ist M&A kein Selbstläufer, wie die Insolvenzen von Convivo und Novent Holding zeigen.

Convivo verfolgte eine überambitionierte Wachstumsstrategie, die weder durch stabile Finanzierung noch durch organisatorische Integration unterlegt war. Die Folge: steigende Kosten, eine fragmentierte Struktur und der Vertrauensverlust bei Investoren führten letztlich zur Zahlungsunfähigkeit. Bei Novent Holding erwies sich die Übernahme von 16 Korian-Heimen im Jahr 2022 als strategisch überdehnt. Ohne ausreichendes Kapitalpolster geriet das Unternehmen zusätzlich unter Druck durch das Tariftreuegesetz sowie stark steigende Personalkosten. Fehlende Skaleneffekte und strukturelle Refinanzierungsprobleme machten eine stabile Weiterführung unmöglich. Weniger als ein Jahr nach Markteintritt meldete das Unternehmen Insolvenz an.

Beide Insolvenzen zeigen exemplarisch, dass Transaktionen ohne fundierte Planung, stringente Integration und ausreichende Kapitaldecke scheitern können — selbst bei grundsätzlich positiver Marktdynamik. Ohne operatives Know-how und langfristige Perspektive bleibt der Einstieg riskant.

M&A als Hebel für Transformation

M&A im Pflegesektor sind weit mehr als eine Transaktionslogik — richtig eingesetzt fungieren sie als strategisches Instrument zur strukturellen Modernisierung, zur Schließung von Versorgungslücken und zur Etablierung nachhaltiger Wertschöpfungsmodelle.

Ein wesentliches Transformationspotenzial liegt in der vertikalen Integration entlang des gesamten Pflegekontinuums. Das Ziel ist die organisatorische und strukturelle Verknüpfung verschiedener Leistungsbereiche — von ambulanter Betreuung über die Tages- und Kurzzeitpflege bis hin zur stationären Langzeitpflege. Die Bündelung dieser Konzepte in einem Versorgungspfad ermöglicht eine bedarfsgerechte, kontinuierliche Betreuung innerhalb eines Anbieterverbunds. So können Patient:innen bedarfsgerecht zwischen Leistungsstufen wechseln — ohne Versorgungsabbrüche. Gleichzeitig stärkt dieses Modell die Steuerbarkeit, Kundenbindung und Auslastungssicherheit für Betreiber.

Die vertikale Integration solcher Versorgungspfade wird derzeit noch durch die fragmentierten Versorgungsstrukturen im deutschen Pflegemarkt erschwert. Dennoch lassen sich erste marktseitige Entwicklungen beobachten, die in Richtung funktionale Integration weisen. Dazu zählen etwa betreute Wohnformen im Rahmen der Condo-Strategie, die als intermediäre Lösung zwischen Selbstständigkeit und Pflegebedürftigkeit positioniert sind, oder spezialisierte Konzepte wie die „Junge Pflege“, die auf die Bedarfe pflegebedürftiger Menschen unter 65 Jahren zugeschnitten sind. Ambulante Dienste werden zunehmend als frühzeitiger Einstieg in die Versorgung genutzt, während Tages- und Kurzzeitpflegeangebote flexible Übergänge innerhalb des Versorgungssystems ermöglichen und informelle Strukturen entlasten.

M&A trägt darüber hinaus zur strukturellen Professionalisierung bei und kann Impulse für Innovation und Digitalisierung innerhalb des Pflegesektors setzen. Die Einführung digitaler Dokumentationssysteme, eine smarte Pflegeplanung und automatisierte Verwaltungsprozesse schaffen messbare Effizienzgewinne und entlasten das Fachpersonal von administrativen Aufgaben. Auch der Einsatz von telemedizinischen Lösungen bietet erhebliches Potenzial, die ärztliche Versorgung ohne hohe Aufwände für die Pflege zu verbessern und bestehende Versorgungslücken — insbesondere in strukturell schwach aufgestellten Regionen — gezielt zu schließen.

Fazit

Gerade in einem von Fachkräftemangel, Kostendruck und steigenden regulatorischen Anforderungen geprägten Umfeld bietet M&A die Chance, Skaleneffekte zu nutzen, Innovation zu beschleunigen und die Versorgungsqualität langfristig abzusichern. Der Hebel liegt dabei nicht allein im Wachstum, sondern in der Fähigkeit, Transformation für eine bessere Pflegequalität aktiv zu gestalten — wirtschaftlich tragfähig, zukunftsorientiert und im Einklang mit sozialer Verantwortung.

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