Veränderungen in der Pflege betreffen nicht nur den demografischen Wandel, Fachkräftemangel und Qualitätsstandards, auch die Eigentümerlandschaft vieler Einrichtungen wird durch Fusionen und Übernahmen (engl. Mergers and Acquisitions, M&A) grundlegend neu geordnet. Während kleinere Träger unter wirtschaftlichen Zugzwang geraten, weiten große Betreiberketten wie Alloheim oder emeis (ehemals Orpea) ihre Marktanteile gezielt aus. Zugleich wird der Sektor für internationale Investoren attraktiv.
M&A ist dabei jedoch längst mehr als ein Reaktionsinstrument auf Insolvenzen — es kann ein aktiver Hebel für Wachstum, Konsolidierung und operative Effizienz sein. Die Motive reichen von der Erschließung neuer Regionen über die Integration ambulanter Dienste bis hin zur Digitalisierung und ESG-fokussierten Infrastrukturentwicklung. Gleichzeitig steigen die Anforderungen an Governance, Kapitalstruktur und operative Steuerung.
Die Insolvenzen von Convivo und Novent Holding machen jedoch deutlich: Ambitioniertes Wachstum allein reicht nicht aus. Ohne strategische Klarheit, disziplinierte Kapitaldisziplin und Integration droht selbst eine gut finanzierte Expansion zu scheitern. Wer M&A erfolgreich gestalten will, braucht ein tiefes Verständnis für die Besonderheiten des Pflegemarkts, regulatorische Sensibilität und ein belastbares operatives Modell.
Marktstruktur und Eigentumsverhältnisse: Fragmentierung trotz Konsolidierung
Trotz zunehmender M&A-Aktivität bleibt der deutsche Pflegemarkt hochgradig fragmentiert. Eine Analyse der Plattform Pflegemarkt.com zeigt: Die 30 größten Betreiber vereinten 2024 nur rund 23 Prozent aller stationären Pflegeplätze auf sich. Der Großteil der Versorgung liegt weiterhin bei Hunderten kleinen regionalen Trägern, die durch begrenzte Skaleneffekte und angesichts steigender Kosten unter Druck stehen. Diese Struktur schafft Raum für Konsolidierung. Insbesondere in Regionen mit hoher Nachfrage und angespanntem Versorgungsangebot oder wirtschaftlich angeschlagenen Einrichtungen entstehen attraktive Einstiegsmöglichkeiten.
Parallel dazu hat sich die Eigentümerlandschaft in den letzten Jahren deutlich verändert: Während früher gemeinnützige und kommunale Träger dominierten, steigt der Anteil privater Investoren kontinuierlich an. Besonders aktiv sind internationale Private-Equity-Gesellschaften wie Nordic Capital, Waterland oder Chequers Capital, die über Plattformstrategien (z. B. Dorea, convivo, Schönes Leben) Marktanteile aufbauen. Auch institutionelle Kapitalgeber wie Aedifica oder Capital Bay investieren — meist in die Immobilien, nicht in den Betrieb. Diese Entwicklung verändert dabei nicht nur die Eigentumsverhältnisse, sondern auch die Steuerungslogik: Pflegeheime werden zunehmend als strategische Assets geführt.
Die Käuferlandschaft wird von Strategen dominiert — Private Equity bleibt selektiv
Laut der Analyse der Plattform Pflegemarkt.com zum ersten Halbjahr 2024 entfielen rund 80 Prozent der im Zuge von Betriebsübernahmen integrierten Pflegeplatzkapazitäten auf strategische Akteure. Ihr Fokus liegt vorrangig auf dem Ausbau bestehender Plattformen sowie der regionalen Expansion. Finanzinvestoren sind zwar weiterhin aktiv, agieren jedoch deutlich selektiver. Ihr Anteil am Gesamtvolumen der Übernahmen liegt bei lediglich 20 Prozent. Dabei konzentrieren sie sich vor allem auf Buy-and-Build-Strategien mit definierten Exit-Zeithorizonten oder auf Immobilieninvestitionen mit langfristig gesicherten Mietverträgen.
Zu den größten Transaktionen der vergangenen Jahre zählen unter anderem die Übernahmen der Katharinenhof-Gruppe durch Alloheim sowie mehrerer Pflegeeinrichtungen durch Aedifica. Im Jahr 2024 übernahm Alloheim 24 Pflegeheime der Katharinenhof-Gruppe mit über 3.500 Pflegeplätzen. Der Transaktionswert lag bei über 300 Mio. € — der größte Deal des Jahres in der Branche. Alloheim stärkte damit seine Marktführerschaft im deutschen Pflegemarkt und erhöhte seinen Marktanteil auf rund 3,1 Prozent. Im Jahr 2021 erwarb der belgische Immobilieninvestor Aedifica 19 unabhängige Pflegeheime mit rund 2.200 Plätzen für 240 Mio. €. Die Einrichtungen werden operativ von der AZURIT Gruppe geführt, während Aedifica als Eigentümer fungiert — ein klassisches Beispiel für die Trennung von Eigentum und Betrieb im Pflegesektor.
Synergien und Integration bilden den Hebel für Effizienz und Qualität
Erfolgreiche M&A-Transaktionen zeichnen sich dadurch aus, Synergien zu heben und operative wie kulturelle Integration umzusetzen. Insbesondere durch die gezielte Vernetzung mehrerer Einrichtungen lassen sich umsatzwirksame Effekte realisieren: Pflegeplätze können effizienter ausgelastet, geografische Einzugsgebiete strategisch erweitert und die Bewohnerzahlen nachhaltig gesteigert werden. Zudem bietet die Kombination verschiedener Leistungsformen — etwa stationäre Pflege, Tagespflege und ambulante Dienste — die Chance, neue Erlösquellen zu erschließen. Auch Zusatzleistungen, die privat abgerechnet werden können, etwa Komfortpakete oder digitale Services, gewinnen an Bedeutung.