Weniger Betriebsprüfer
In Deutschland nimmt die Zahl der Betriebsprüfer ab. 2024 waren nur noch etwa 12.360 Betriebsprüferinnen und -prüfer aktiv, fast 10 Prozent weniger als vor zehn Jahren. Gleichzeitig nahmen die Prüfungen der steuerlichen Angaben der rund 3,5 Millionen Unternehmen in Deutschland seit 2015 um 60 Prozent ab. Und auch die Mehreinnahmen aus steuerlichen Betriebsprüfungen sind zurückgegangen – von über 16 Milliarden Euro in den Nuller- und Zehnerjahren auf weniger als 11 Milliarden Euro im vergangenen Jahr. Die Gründe sind vielfältig. Es mangelt an Fachkräften, und die Prüfungen werden zunehmend komplexer. Zudem mussten viele Prüferinnen und Prüfer bei anderen Projekten wie der Reform der Grundsteuer aushelfen.
Während große Unternehmen kontinuierlich überwacht werden, müssen kleine Firmen im Schnitt nur alle 38 Jahre mit einer Prüfung rechnen. Kleinstbetriebe, die mehr als 80 Prozent aller Firmen in Deutschland ausmachen, werden im statistischen Durchschnitt sogar nur alle 150 Jahre geprüft. Hier kommt es sehr auf konkrete Verdachtsmomente an.
Die hohe Erfolgsquote bei Prüfungen, die oft über 50 Prozent liegt, zeigt, dass dort, wo geprüft wird, auch häufig Korrekturbedarfe aufgedeckt werden.
Sorge vor strafrechtlichen Konsequenzen bremst Einigungsbereitschaft
In der Praxis führt die als Vereinfachung und Beschleunigung gedachte Berichtigungspflicht nach § 153 Abs. 4 AO zum völlig gegenteiligen Effekt. Konnten Betriebsprüfungen in der Vergangenheit oft einvernehmlich gelöst werden, weil sich alle Beteiligten „um des lieben Friedens willen“ für die geprüften Veranlagungszeiträume ohne Wirkung für die Zukunft einigen wollten, hängt über solchen Einigungen nun das Damoklesschwert des Steuerstrafrechts. Das macht eine gütliche Einigung nicht einfacher.
Bitte dringend überarbeiten
Gesetzgeber und Verwaltung sollten deshalb die Berichtigungspflicht aus § 153 Abs. 4 AO dringend überarbeiten. Die Reichweite der Berichtigungspflicht muss gesetzlich klargestellt werden. Ansonsten wird das nachvollziehbare Ziel einer Beschleunigung der Außenprüfung ins Leere gehen. Zwar sollte man das strafrechtliche Risiko durch bewusst gewählte Formulierungen in den Betriebsprüfungsberichten sowie zusätzliche Hinweise an die Finanzämter und in Steuererklärungen abschwächen können. Dem Wortlaut des § 153 Abs. 4 AO nach müssten Unternehmensverantwortliche aber fast jede Steuerkorrektur mit Wirkung für die Zukunft bei jeder Betriebsprüfung konsequent anfechten, wenn sie jedes Risiko ausschließen wollten.
Vorsicht auch bei Mitwirkungsverlangen
Größte Vorsicht ist geboten, wenn die ersten Prüfer auf das Instrument des qualifizierten Mitwirkungsverlangens gem. § 200a AO zugreifen. Theoretisch ist das seit Juli dieses Jahres denkbar. Was für Praxisfremde konstruktiv klingen mag – „qualifiziertes Mitwirkungsverlangen“ -, ist bei der Außenprüfung heikel. Sobald eine Prüferanfrage mit Rechtsbehelfsbelehrung und einmonatiger Fristsetzung eingeht, müssen die Alarmglocken läuten. Denn die Folgen eines Verstoßes gegen diese Mitwirkungspflicht können drastisch sein. Verjährungsregelungen werden gehemmt und der Zugang zum ICAP-Verfahren kann versperrt sein. Dies ist insbesondere im Fall von Verrechnungspreisstreitigkeiten kritisch. Die Sanktionen können im Extremfall bis zu 3.761.250 Euro pro Einzelgesellschaft erreichen. Das sind Größenordnungen, die man sonst nur bei Kartell- oder Datenschutzverstößen kennt. Nach Ansicht mancher Prüfer, die das Instrument (rechtswidrig) vorzeitig anwenden wollten, soll die Sanktion sogar für jede einzelne Prüferanfrage gelten.
Zwei denkbare Sachverhalte aus der Praxis verdeutlichen das Dilemma:
Das qualifizierte Mitwirkungsverlangen bezieht sich auf Unterlagen, die ohnehin nicht vorliegen und unmöglich zu beschaffen sind. Selbst wenn man den Prüfer bereits im Vorhinein auf diese Umstände hingewiesen hat, sollte man innerhalb der Frist mit dieser Begründung Einspruch einlegen.
Wer glaubt, eine hinreichende Antwort/Unterlage geben zu können, und keinen Einspruch einlegt, unterliegt dem Risiko, dass der Prüfer die Antwort/Unterlage dann doch nicht als hinreichend bewertet. Man streitet dann, ob gem. § 200a Abs. 2 AO eine Mitwirkungsverzögerung vorliegt.
Sofort AdV-Antrag stellen
Was können Steuerabteilungen tun? Zunächst ist es wichtig, Prüferanfragen mit Rechtsbehelfsbelehrung immer höchste Priorität einzuräumen. Das gilt erst recht, wenn dort ein ausdrücklicher Hinweis auf ein qualifiziertes Mitwirkungsverlangen enthalten ist. Einfacher Rat: Immer Einspruch einlegen und am besten gleich einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung stellen, der allerdings einer zeitnahen Begründung bedarf.