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Warum die neue Außenprüfung zur Belastung werden kann

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Die Modernisierung der steuerlichen Außenprüfung schafft in der Praxis neuartige Probleme. Sie reichen von der berüchtigten Berichtigungspflicht über das qualifizierte Mitwirkungsverlangen bis zu den neuen Spielregeln bei grenzüberschreitender Betriebsprüfung.


Überblick

  • Die Reform der steuerlichen Außenprüfung bringt neue Pflichten und Risiken mit sich.
  • Das qualifizierte Mitwirkungsverlangen eröffnet Prüfern weitreichende Befugnisse und kann bei falscher Handhabung zu erheblichen Sanktionen führen.
  • Grenzüberschreitende Betriebsprüfungen nehmen zu und belasten Unternehmen durch fehlende Anhörungsrechte und Abstimmung.

Für viele Steuerabteilungen sind sie sehr belastend: steuerliche Außenprüfungen sind zäh, sie dauern mitunter bis zu zehn Jahre oder gar noch länger, binden Kräfte, führen zu unbefriedigenden Kompromissen und enden nicht selten in einer Doppelbesteuerung. Berlin und Brüssel wollten das ändern und erarbeiteten eine Reform. Seit bald drei Jahren steht die Modernisierung der Außenprüfung im Bundesgesetzblatt, im besten Behördendeutsch heißt es „Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2021/514 des Rates vom 22.3.2021 zur Änderung der Richtlinie 2011/16/EU über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung und zur Modernisierung des Steuerverfahrensrechts“. Über die vereinfacht als DAC7-Gesetz bezeichneten Vorschriften wird seither diskutiert.

Seit Anfang 2025 wird das DAC7-Gesetz stufenweise angewendet. Nun gibt es erste Erfahrungen in der Praxis. Die sind, um es vorwegzunehmen, nicht so gut, wie es sich die politisch Verantwortlichen in Deutschland wohl erhofften. Die Reform verschlimmert vielmehr die Betriebsprüfung für viele Steuerabteilungen. Die verkürzten Vorlagefristen für die Verrechnungspreisdokumentation, die automatische Vorlagepflicht für die Transaktionsmatrix und der Anspruch der Prüfer, die angeforderten Daten elektronisch übermittelt zu bekommen, prägen schon heute den Prüfungsalltag. Insbesondere beim streitanfälligen Thema der Verrechnungspreise wächst das Gefühl der Ohnmacht. 

Das DAC7-Gesetz fügt sich in das Gesamtbild rechtlicher, technischer, organisatorischer und auch personeller Entwicklungen, mit denen sich die Steuerabteilungen seit Jahren konfrontiert sehen und auf die sie reagieren müssen. Wegen der Tragweite der jüngsten gesetzlichen Entwicklung lohnt ein erstes Fazit bei der Außenprüfung samt Ausblick.


E-Mail-Zugriff durch die Betriebsprüfung

Der BFH hat in einem Beschluss vom 30. April 2025 (Az. XI R 15/23) festgestellt, dass die Betriebsprüfung grundsätzlich berechtigt ist, vom Steuerpflichtigen sämtliche E-Mails mit steuerlichem Bezug gem. § 147 Abs. 6 AO anzufordern.

Eine erste rechtliche und technische Hilfestellung

Frau rennt über Berge

Abb.: Zusätzliche Steuereinnahmen durch Betriebsprüfungen in Deutschland
in Milliarden Euro 

Grafik: Zusaetzliche Steuereinnahmen durch Betriebspruefungen
in Deutschland

Lauter Nachteile

Dass diese Modernisierung nicht wirklich gelungen ist, erleben Steuerabteilungen beispielsweise im Dilemma zwischen Einigungsbereitschaft und erweiterter Berichtigungspflicht gem. § 153 Abs. 4 AO. Oder im Streit darüber, welche Daten man eigentlich genau gem. § 147 Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 AO an die Behörden-Cloud übertragen hat. Oder wenn die Steuerabteilung für einen Einspruch anstelle eines Schreibens per E-Mail nun 50, 100 oder mehr Einreichungen per Elster vornehmen muss – für jede Gesellschaft, für jedes Steuerjahr und für jede Steuerart. Negative Erfahrungen machen Unternehmen auch bei den sogenannten Joint Audits und Simultaneous Audits.

Die Berichtigungspflicht …

Für große Aufregung und persönliche Betroffenheit sorgt die nicht mehr ganz neue Berichtigungspflicht aus § 153 Abs. 4 AO. Kaum eine Betriebsprüfung geht bei größeren Konzernen mehr zu Ende, ohne dass sich die Steuerabteilung ernsthaft fragen muss, ob sie eine einvernehmliche Einigung mit der Betriebsprüfung zu steuerlichen Dauersachverhalten finanziell oder auch strafrechtlich noch vertreten kann.

… wirkt zunächst harmlos …

Vom theoretischen Ansatz wirkt die Berichtigungspflicht zunächst harmlos und von der Intention her folgerichtig. § 153 Abs. 4 AO verpflichtet Unternehmen im Rahmen der Betriebsprüfung dazu, Korrekturen aus bestandskräftigen Bescheiden, die Auswirkungen auf andere nicht geprüfte Besteuerungsgrundlagen haben, eigenständig vorzunehmen. Die Neuregelung soll die Eigenverantwortung der Steuerpflichtigen stärken und ist seit dem 1.1.2023 in Kraft, mit Anwendungsschwerpunkten ab dem 31.12.2024.

… führt aber zu strafrechtlichen Risiken

Das eigentliche Problem ist das Strafrecht. Passt der Head of Tax aufgrund eines Bescheids nach Einigung in der Betriebsprüfung die Folgejahre nicht nachträglich entsprechend an, könnte der Tatbestand der leichtfertigen Steuerverkürzung oder sogar der Steuerhinterziehung erfüllt sein. Wie weit diese Berichtigungspflicht reicht, ist aber völlig unklar. Gesetzesbegründung und Gesetzeswortlaut passen kaum zusammen, die Literatur ist uneins. Niemand weiß also so ganz genau, wann er sich rechtskonform verhält und wann nicht. Das ist für Geschäftsführungen wie Steuerabteilungen ein unzumutbarer Zustand. Der lässt sich auch nicht mit der Beschleunigung der Betriebsprüfung rechtfertigen. Diese wird durch eine klarere gesetzliche Regelung oder zumindest konkretisierende Verwaltungsanweisung nicht gefährdet.

Abb.: Zahl der Betriebsprüfer in den Bundesländern

Grafik: Zahl der Betriebspruefer in den Bundeslaendern

Weniger Betriebsprüfer

In Deutschland nimmt die Zahl der Betriebsprüfer ab. 2024 waren nur noch etwa 12.360 Betriebsprüferinnen und -prüfer aktiv, fast 10 Prozent weniger als vor zehn Jahren. Gleichzeitig nahmen die Prüfungen der steuerlichen Angaben der rund 3,5 Millionen Unternehmen in Deutschland seit 2015 um 60 Prozent ab. Und auch die Mehreinnahmen aus steuerlichen Betriebsprüfungen sind zurückgegangen – von über 16 Milliarden Euro in den Nuller- und Zehnerjahren auf weniger als 11 Milliarden Euro im vergangenen Jahr. Die Gründe sind vielfältig. Es mangelt an Fachkräften, und die Prüfungen werden zunehmend komplexer. Zudem mussten viele Prüferinnen und Prüfer bei anderen Projekten wie der Reform der Grundsteuer aushelfen. 
 
Während große Unternehmen kontinuierlich überwacht werden, müssen kleine Firmen im Schnitt nur alle 38 Jahre mit einer Prüfung rechnen. Kleinstbetriebe, die mehr als 80 Prozent aller Firmen in Deutschland ausmachen, werden im statistischen Durchschnitt sogar nur alle 150 Jahre geprüft. Hier kommt es sehr auf konkrete Verdachtsmomente an. 
 
Die hohe Erfolgsquote bei Prüfungen, die oft über 50 Prozent liegt, zeigt, dass dort, wo geprüft wird, auch häufig Korrekturbedarfe aufgedeckt werden.

Sorge vor strafrechtlichen Konsequenzen bremst Einigungsbereitschaft

In der Praxis führt die als Vereinfachung und Beschleunigung gedachte Berichtigungspflicht nach § 153 Abs. 4 AO zum völlig gegenteiligen Effekt. Konnten Betriebsprüfungen in der Vergangenheit oft einvernehmlich gelöst werden, weil sich alle Beteiligten „um des lieben Friedens willen“ für die geprüften Veranlagungszeiträume ohne Wirkung für die Zukunft einigen wollten, hängt über solchen Einigungen nun das Damoklesschwert des Steuerstrafrechts. Das macht eine gütliche Einigung nicht einfacher.

Bitte dringend überarbeiten

Gesetzgeber und Verwaltung sollten deshalb die Berichtigungspflicht aus § 153 Abs. 4 AO dringend überarbeiten. Die Reichweite der Berichtigungspflicht muss gesetzlich klargestellt werden. Ansonsten wird das nachvollziehbare Ziel einer Beschleunigung der Außenprüfung ins Leere gehen. Zwar sollte man das strafrechtliche Risiko durch bewusst gewählte Formulierungen in den Betriebsprüfungsberichten sowie zusätzliche Hinweise an die Finanzämter und in Steuererklärungen abschwächen können. Dem Wortlaut des § 153 Abs. 4 AO nach müssten Unternehmensverantwortliche aber fast jede Steuerkorrektur mit Wirkung für die Zukunft bei jeder Betriebsprüfung konsequent anfechten, wenn sie jedes Risiko ausschließen wollten. 

Vorsicht auch bei Mitwirkungsverlangen

Größte Vorsicht ist geboten, wenn die ersten Prüfer auf das Instrument des qualifizierten Mitwirkungsverlangens gem. § 200a AO zugreifen. Theoretisch ist das seit Juli dieses Jahres denkbar. Was für Praxisfremde konstruktiv klingen mag – „qualifiziertes Mitwirkungsverlangen“ -, ist bei der Außenprüfung heikel. Sobald eine Prüferanfrage mit Rechtsbehelfsbelehrung und einmonatiger Fristsetzung eingeht, müssen die Alarmglocken läuten. Denn die Folgen eines Verstoßes gegen diese Mitwirkungspflicht können drastisch sein. Verjährungsregelungen werden gehemmt und der Zugang zum ICAP-Verfahren kann versperrt sein. Dies ist insbesondere im Fall von Verrechnungspreisstreitigkeiten kritisch. Die Sanktionen können im Extremfall bis zu 3.761.250 Euro pro Einzelgesellschaft erreichen. Das sind Größenordnungen, die man sonst nur bei Kartell- oder Datenschutzverstößen kennt. Nach Ansicht mancher Prüfer, die das Instrument (rechtswidrig) vorzeitig anwenden wollten, soll die Sanktion sogar für jede einzelne Prüferanfrage gelten. 

Zwei denkbare Sachverhalte aus der Praxis verdeutlichen das Dilemma: 

  • Das qualifizierte Mitwirkungsverlangen bezieht sich auf Unterlagen, die ohnehin nicht vorliegen und unmöglich zu beschaffen sind. Selbst wenn man den Prüfer bereits im Vorhinein auf diese Umstände hingewiesen hat, sollte man innerhalb der Frist mit dieser Begründung Einspruch einlegen. 

  • Wer glaubt, eine hinreichende Antwort/Unterlage geben zu können, und keinen Einspruch einlegt, unterliegt dem Risiko, dass der Prüfer die Antwort/Unterlage dann doch nicht als hinreichend bewertet. Man streitet dann, ob gem. § 200a Abs. 2 AO eine Mitwirkungsverzögerung vorliegt. 

Sofort AdV-Antrag stellen

Was können Steuerabteilungen tun? Zunächst ist es wichtig, Prüferanfragen mit Rechtsbehelfsbelehrung immer höchste Priorität einzuräumen. Das gilt erst recht, wenn dort ein ausdrücklicher Hinweis auf ein qualifiziertes Mitwirkungsverlangen enthalten ist. Einfacher Rat: Immer Einspruch einlegen und am besten gleich einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung stellen, der allerdings einer zeitnahen Begründung bedarf.

Man weiß ja nie …

Denn selbst wer innerhalb der gesetzlichen Monatsfrist die angeforderten Unterlagen und Informationen liefert, kann nie sicher sein, dass der Prüfer sie am Ende als ausreichend erachtet. Für den Einwand, dass vielleicht schon die Prüferanfrage zu weit ging, wäre es dann aber zu spät, Sanktionen wären programmiert. Wer entweder gar nicht oder nicht innerhalb der gesetzlichen Frist liefern kann, sollte dies auch innerhalb der Frist bekannt geben und ggf. um Fristverlängerung bitten bzw. die Gründe für die Unmöglichkeit darlegen.

BP-Vertrag schließen

Ein weiterer Schritt wäre, die Ermessensentscheidung des Prüfers zu hinterfragen. Hierüber kann schnell Streit entstehen, weil es hierfür einer Akteneinsicht beim Prüfer bedarf. Dass ein Anspruch wegen gebundenen Ermessens bestehen könnte, dürfte die wenigsten Prüfer wirklich überzeugen. Hingewiesen sei auf die strategische Option, vor der Prüfung und solange noch ein vernünftiges Verhältnis mit den Prüfern herrscht, einen BP-Vertrag über die Rahmenbedingungen der Mitwirkung abzuschließen. Solange man sich dann an die vereinbarten Spielregeln (die entsprechend ausgefeilt sein müssen) hält, ist der Weg zum qualifizierten Mitwirkungsverlangen für den Prüfer rechtlich versperrt. 

Abb.: Entwicklung der Zahl der Verständigungsverfahren 
ausgewählte Länder, Jahresendbestand 2023

Grafik: Entwicklung der Zahl der Verstaendigungsverfahren

Zusammenarbeit aller Beteiligten

Bei der Konzern-BP sind die Verrechnungspreise traditionell das wichtigste, schwierigste und langwierigste Thema. Und auch viele der langwierigsten Verständigungsverfahren, bei denen Deutschland Weltmeister ist, drehen sich um dieses Thema. Bestechend erscheint daher die Idee, dass sich die verschiedenen Jurisdiktionen an einen Tisch setzen und bei der Außenprüfung von vornherein zusammenarbeiten. Dann, so die Theorie, könnten sich die Finanzbeamten aller beteiligten Länder auf die Verrechnungspreise verständigen. Kein Streit mehr, keine Doppelbesteuerung und keine Verständigungsverfahren – eine schöne Vision.

Grenzüberschreitende Prüfungen

Das mussten sich die verantwortlichen Politiker und Fachbeamten in Brüssel und Berlin so gedacht haben. Sie treiben den Einsatz von koordinierten Betriebsprüfungen zwischen den Staaten voran. Entsprechende Regelungen erließ die EU 2021 im Rahmen der DAC7-Richtlinie, hierzulande wurden sie mit dem Wachstumschancengesetz 2024 ins deutsche Recht übernommen. Mit dem überarbeiteten Merkblatt zu Joint Audits vom 15.5.2025 wurden sie jetzt auch in die Behördenpraxis übersetzt und sind damit Teil der Prüfungsrealität. 

Abb.: Deutschlands Verständigungsverfahren zur Gewinnverteilung 
Ende 2023

Grafik: Deutschlands Verstaendigungsverfahren zur Gewinnverteilung

Der Ton wird rauer

Gemeinsame (Joint) und gleichzeitige (Simultaneous) Audits finden zumindest innerhalb der EU nun häufiger statt. Genaue Angaben zu den Fallzahlen werden nicht veröffentlicht, aber international agierende Konzerne und ihre Berater nehmen eine deutliche Zunahme solcher Prüfungen wahr. Bei Simultaneous Audits handelt es sich um einen erweiterten Informationsaustausch zwischen den Prüfern, die ihre jeweiligen Prüfungserkenntnisse miteinander teilen. Im Joint Audit führen die Prüfer die Betriebsprüfung gemeinsam durch und arbeiten gemeinsam vor Ort im Unternehmen an der Sachverhaltsaufklärung. Um die grenzüberschreitenden Betriebsprüfungen zu fördern, kommt die EU für die Kosten auf. Mit der Zunahme dieser international koordinierten Betriebsprüfungen wird aber auch deutlich, dass die nationalen Finanzbehörden in der Breite bislang nicht auf derartige Formen der internationalen Kooperation vorbereitet sind. Dies beginnt bei Unkenntnis über die Gepflogenheiten der internationalen Kooperation und endet bei fehlenden Sprachkenntnissen, die die Kommunikation mit den ausländischen Prüfern erschweren. Waren koordinierte Betriebsprüfungen in ihrer Pilotphase noch Prestigeprojekte, bei denen alle Beteiligten bestrebt waren, zu einem für alle vertretbaren Ergebnis zu kommen, wird der Ton zwischen den Prüfern nun zunehmend rauer. Statt einer Einigung im Rahmen der Prüfung werden die Konflikte zunehmend am Ende doch wieder auf ein Verständigungsverfahren verschoben, weil jeder Prüfer versucht, für sein Land jeweils am meisten Steuersubstrat „herauszuholen“ und die notwendige Kompromissbereitschaft fehlt. 

Abb.: Durchschnittliche Dauer von Verständigungsverfahren
in Monaten

Grafik: Durchschnittliche Dauer von Verstaendigungsverfahren

Abb.: Dauer und Anzahl der Verständigungsverfahren Deutschlands

Grafik: Dauer und Anzahl der Verstaendigungsverfahren Deutschlands

Mehraufwand für Unternehmen …

Grenzüberschreitende Audits sind für Konzerne somit oft mit Mehraufwand und zusätzlichen Risiken verbunden. Das beginnt damit, dass die lokale Prüfung einzelner Konzerngesellschaften etwas völlig anderes ist als die Prüfung eines Konzerns über mitunter drei, sechs, neun oder mehr Länder hinweg. Bei grenzüberschreitenden Prüfungen werden lokale Gesellschaften mit Fragen und Vorlageverlangen konfrontiert, die sich auf die steuerlichen Verhältnisse anderer, ausländischer Gesellschaften beziehen. Den erhöhten Mitwirkungsaufwand müssen sie aber selbst tragen. Umgekehrt werden ausländische Gesellschaften (vorgeblich) zu den eigenen steuerlichen Verhältnissen befragt, ohne den Gesamtzusammenhang zu kennen und ggf. Missverständnissen vorbeugen zu können.

… und strategische Vorbereitung

Der gesteigerte Mitwirkungsaufwand macht im Konzern eine strategische, organisatorische und logistische Vorbereitung notwendig. Das beginnt bei der Entscheidung darüber, ob lokale oder internationale Berater hinzugezogen werden, ggf. neue Mitarbeitende eingestellt oder heterogene IT-Systeme so vorbereitet werden müssen, dass sie überhaupt grenzüberschreitend nachvollziehbar sind. Die Firmenzentrale muss informieren, koordinieren und Ressourcen zur Verfügung stellen. Die Fachabteilungen müssen sich auf eine grenzüberschreitende Mitarbeit vorbereiten. Auch die Rechtsabteilung muss eingebunden werden, etwa wenn es um die Prüfung bereits veräußerter oder neu erworbener Gesellschaften geht.

Kritik in fünf Punkten

Für Konzerne sind grenzüberschreitende Prüfungen daher ein zweischneidiges Schwert. Der erhoffte Zweck der Reform – eine schnellere und harmonische Verständigung über Ländergrenzen hinweg – kann in Einzelfällen, z. B. bei IP-Verlagerungen, eine grenzüberschreitende Betriebsprüfung vorteilhaft erscheinen lassen. Flächendeckend sollte man sich allerdings keine großen Hoffnungen machen, dass dadurch Konflikte um das Steuersubstrat zwischen den Staaten verhindert oder deren Lösung beschleunigt wird. Mit der jetzigen gesetzlichen Regelungen kommt es vielmehr zu deutlichen Verschlechterungen zulasten der Unternehmen. Wir konzentrieren uns im Folgenden auf fünf Punkte. 

1. Keine Zustimmung nötig

Nach neuer Rechtslage sind gemeinsame, d. h. Joint Audits innerhalb der EU auch ohne Zustimmung des Steuerpflichtigen möglich. Der neu eingeführte § 12a EU-Amtshilfegesetz (EUAHiG) macht die Einleitung einer gemeinsamen Prüfung (Joint Audit) nur noch von der Zustimmung der inländischen Finanzbehörde abhängig. Dies entspricht der Situation bei gleichzeitigen Prüfungen (Simultaneous Audits). Bislang hatte der deutsche Steuerpflichtige das Recht, ein Joint Audit abzulehnen, das ja ggf. auch die Anwesenheit des ausländischen Prüfers in den inländischen Räumlichkeiten des Steuerpflichtigen erfordert und diesem erlaubt, selbstständig Fragen zu inländischen Sachverhalten zu stellen. 

2. Kein Anhörungsrecht vorab 

Viel gravierender ist, dass das für einen grenzüberschreitenden Informationsaustausch eigentlich vorgesehene gesetzliche Anhörungsrecht vor Einleitung eines Joint/Simultaneous Audits entfällt. Das hat erhebliche praktische Relevanz. Bisher war Deutschland innerhalb der EU einer der wenigen Staaten, die ein solches Anhörungsrecht vorgesehen hatten. Das gesetzliche Anhörungsrecht ist dabei kein Ausdruck kooperativen Entgegenkommens, das Gesetzgeber oder Prüfer nach eigenem Gutdünken gewähren oder versagen können – es ist Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips. Der Verzicht auf eine Anhörung unterliegt deshalb den hohen Hürden des Grundgesetzes. Die in der Gesetzbegründung genannte Möglichkeit, sich kostenpflichtig und nachträglich einstweiligen Rechtsschutz zu suchen oder sich nach Abschluss der aufwandsgesteigerten Prüfung gegen den Steuerbescheid selbst zu wenden, sind gerade kein Ersatz für die Anhörung. Denn der gesteigerte und möglicherweise ungerechtfertigte oder unverhältnismäßige Mitwirkungsaufwand kann in diesen ersatzweisen Verfahren gar nicht mehr Gegenstand sein. 

3. Keine nachträgliche Information

Selbst die nachträgliche Information des Steuerpflichtigen über die Durchführung eines Joint/Simultaneous Audits soll entfallen können, wenn ein Mitgliedsstaat Einwände erhebt. Die Einwände des anderen Mitgliedstaats müssen nur die Interessen des Steuerpflichtigen überwiegen. Letztere kennt das hierzulande zuständige Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) mangels Anhörung aber nicht. Beim häufigeren Simultaneous Audit ist, anders als beim Joint Audit, nicht einmal nach Prüfungsabschluss eine Information des Steuerpflichtigen vorgesehen. Die ausländischen Prüfer werden trotz ihrer Ermittlungsbefugnisse laut Merkblatt auch nicht in der Prüfungsanordnung genannt. Insofern ergibt auch der Verweis der Gesetzesbegründung auf die vermeintlichen, nachträglichen Rechtsschutzmöglichkeiten keinen Sinn. 

4. Keine Einigungspflicht

Geworben wird für Joint/Simultaneous Audits damit, dass sie zu einem übereinstimmenden Sachverhaltsverständnis führen. Es geht um mehr Effizienz von Außenprüfungen und um die Vermeidung von Doppelbesteuerungen. Im Gesetz ist dies aber lediglich als erstrebenswertes Ziel formuliert. Ein Kann, aber kein Muss. Es besteht nur ein gesetzliches Ermessen der Finanzbehörde, bei einem Joint Audit neben übereinstimmenden Prüfungsfeststellungen auch die unterschiedlichen Sachverhaltsfeststellungen im gemeinsamen Prüfungsbericht zumindest zu benennen. Dies sollte unseres Erachtens für die Steuerbehörden verpflichtend sein, da es zumindest in der Folge die notwendigen Verständigungs- und Schiedsverfahren beschleunigen würde. 

5. Einigung zulasten des Steuerpflichtigen

Der Gesetzgeber nimmt erstmals neben der bloßen Feststellung des Sachverhalts bei Joint Audits auch deren steuerliche Würdigung in den Blick. Auch hier soll zwischen den beteiligten Behörden ein einvernehmliches steuerliches Ergebnis erzielt werden. Grundsätzlich ist dieser Ansatz durchaus zu begrüßen. Es ist aber Obacht geboten. In einem jüngeren Verfahren vor dem Bundesfinanzhof kam heraus, dass sich deutsche und niederländische Prüfer zulasten des Klägers ein steuerliches Ergebnis ausgedacht hatten, das rechtlich gar nicht möglich war. Die deutschen und niederländischen Prüfer gingen davon aus, dass ihre gemeinsame Prüfungsfeststellung für den Steuerpflichtigen Bindungswirkung habe. Dem Steuerpflichtigen blieb nur der Weg in die Klage, da absehbar war, dass ein Verständigungsverfahren zu keinem abweichenden Ergebnis führen würde. Tatsächlich konnten das Finanzgericht Düsseldorf und der Bundesfinanzhof für das Vorgehen der Prüfer keinerlei Rechtsgrundlage erkennen, schon gar nicht für die Bindungswirkung der Prüfungsfeststellungen.

Wie können Steuerabteilungen reagieren?

Wichtig ist und bleibt eine vernünftige Beziehungspflege zu den eigenen Prüfern. Diese sind nicht selten bereit, informell Hinweise zu geben, auch wenn kein gesetzlicher Informationsanspruch besteht. Daneben ist es wichtig, Unternehmen für die Möglichkeit eines Simultaneous/Joint Audits zu sensibilisieren. Folgende Anhaltspunkte können darauf hindeuten: Sind Prüfer mehrerer Staaten zum gleichen Zeitpunkt nicht erreichbar bzw. auf Dienstreise (Hinweis auf ein Auswahl-/Prüfertreffen)? Beziehen sich Prüferanfragen in mehreren Staaten auf den gleichen Sachverhalt und wirken sie zeitlich und inhaltlich aufeinander abgestimmt (Hinweis auf ein gemeinsames Questionnaire/Strategie)? Passen die zu einer Landesgesellschaft gestellten Anfragen gar nicht zu deren steuerlichen Verhältnissen oder wirken sie sogar zugunsten der Landesgesellschaft? Wirken einige Fragen in Stil, Länge und Grammatik gänzlich anders als die Fragen, die man sonst von seinen Prüfern kennt (Hinweis auf übersetzte Fragen ausländischer Prüfer)?

Informationen im Konzern bündeln

Um solche Muster zu erkennen, ist es nötig, dass Konzernzentralen die Informationen zu sämtlichen europäischen Betriebsprüfungen an einem Ort bündeln. Nur dann kann man frühzeitig reagieren und die schon angesprochenen Maßnahmen ergreifen. Und dann gibt es vermutlich eben doch Rechtsschutzmöglichkeiten, auch wenn man hierfür neue, noch nicht ausgetretene Pfade beschreiten muss.

Der menschliche Faktor

Unabhängig von den juristischen Neuerungen und neben den technischen Möglichkeiten, die hier nicht weiter ausgeführt werden sollen, zeichnet sich in der Betriebsprüfung eine weitere Entwicklung ab, auf die wir abschließend hinweisen möchten. Zu beobachten ist ein Generationenwechsel bei den leitenden Konzernprüfern. Der Nachwuchs ist oft technikaffiner und auch stärker von der Medienberichtserstattung zu Cum-Ex, Panamapapers, BEPS etc. geprägt und deshalb zum Teil auch weniger kooperativ eingestellt. Hier liegt es an jedem Steuerpflichtigen, soweit möglich, dennoch eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Prüfern zu entwickeln. Dazu gehört auch, berechtigte Beanstandungen der Prüfer zu akzeptieren und problematische Sachverhalte gegebenenfalls auch einmal proaktiv mit den Prüfern vorab anzusprechen. Dann sollte es auch möglich sein, bei umstrittenen Themen ohne Groll miteinander zu sprechen und Eskalationen zu vermeiden.

Autor:innen: Dr. Nevada Melan & Dr. Juliane Sassmann 

Fazit

Kurz zusammengefasst sollten Steuerabteilungen mehr denn je Betriebsprüfungen möglichst strategisch begegnen. Dafür bedarf es einer Zentralisierung des Informationsflusses im Konzern, gerade mit Blick auf Verrechnungspreise und grenzüberschreitende Audits. Nur so lassen sich Risiken und Muster am besten erkennen. Trotz der konfrontativen rechtlichen Änderungen bleibt es am wichtigsten, dass die Steuerabteilung mit der Verwaltung – und hier nicht nur mit dem Prüfer – immer im konstruktiven Gespräch bleibt. Es reicht nicht, nur in Konflikt- und Duellsituationen zu kommunizieren. Auf diese Weise lassen sich nach praktischer Erfahrung die hier angesprochenen Themen oft entschärfen.




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