Trend zu Multi-Hub-Modellen?
Die geopolitisch weitgehend konstante Phase der 2000er und 2010er-Jahre hat zentralisierte Prinzipalmodelle bzw. „Hub“ Strukturen begünstigt. Doch die zuvor genannten Trends setzen diese Modelle zunehmend unter Druck. Besonders in Fällen, in denen die Prinzipalgesellschaft in einem steuerlich begünstigten Ausland angesiedelt ist, wirft die neue, flexible Arbeitswelt oft die Frage nach der erforderlichen „Mindestsubstanz“ auf. Konzerninitiativen mit dem Titel „Work from anywhere“ oder „Hire from anyware“ machen den Schutz bestehender Strukturen vor hohen steuerlichen Risiken zu einem anspruchsvollen Unterfangen. Hier gilt es, die richtige Balance zu finden zwischen der wünschenswerten Flexibilität, der unternehmerischen Notwendigkeit und den aus steuerlicher Sicht notwendigen „Spielregeln“.
Oftmals lassen sich Wege finden, wie bestehende Hub-Strukturen zwar leicht angepasst werden müssen, jedoch in ihrer Grundkonzeption und ihrem und ihren steuerlichen Auswirkungen im Wesentlichen erhalten bleiben können. Beispielsweise können bestimmte Mitarbeitergruppen, die bisher in der Prinzipalgesellschaft angestellt waren, auch von Gesellschaften in ausgewählten anderen Standorten angestellt werden. Ein solches Outsourcing mag allerdings nicht mehr funktionieren, wenn zu viele Entscheidungsträger ausgelagert werden und die Substanz der Prinzipalgesellschaft damit zu sehr ausgehöhlt wird. In diesen Fällen sollte über weitere Optionen nachgedacht werden, z. B. über Multi-Hub-Modelle, bei denen Residualgewinne effektiv zwischen mehreren Hubs aufgeteilt werden.
Höhere Flexibilität
Der Vorteil von Multi-Hub-Modellen besteht vor allem in der höheren Flexibilität bzgl. der Ansiedlung wichtiger strategischer Rollen. Darüber hinaus kann ein Multi-Hub-Modell, verglichen mit einem substanzschwachen „Single Principal“-Modell, steuerliche Risiken maßgeblich reduzieren. Natürlich sollten auch die Unternehmenssteuersätze (unter Berücksichtigung der globalen Mindestbesteuerung) sowie steuerliche und nicht steuerliche Fördermaßnahmen bei der Analyse der optimalen Hub-Struktur Berücksichtigung finden.
Eine einzige europäische Vertriebsgesellschaft?
Auf der Vertriebsseite des Operating Model agieren Unternehmen in vielen Branchen traditionell über Landesvertriebsgesellschaften, die Fertigprodukte konzernintern einkaufen und mit einer aus Verrechnungspreissicht angemessenen Marge an Kunden verkaufen. Diese Strukturen haben sich als steuerlich robust erwiesen, u. a. weil sie das Risiko der Entstehung von Vertreterbetriebsstätten in der Regel vermeiden. Allerdings ist ein Netzwerk aus vielen, mitunter sehr kleinen Landesvertriebsgesellschaften unter Kosten- und Komplexitätsgesichtspunkten nicht zwingend die ideale Vertriebsstruktur. Denn jede Legaleinheit, insbesondere wenn sie als Eigenhändler mit den dafür notwendigen IT-Prozessen ausgestattet sein muss, löst Infrastruktur- und Compliance-Kosten aus. In vielen Fällen soll auch der interne Aufwand für die Pflege konzerninterner Transaktionen (etwa Verrechnungspreissteuerung) auf ein Minimum reduziert werden.
Steuer- und Zollfunktion
Gleiches gilt in Bezug auf gegenwärtige Ausweichhandlungen bei Handelskonflikten durch Strafzölle und Sanktionen. Gefordert ist das gesamte Instrumentarium der Gestaltung von Material- und Werteflüssen. Nimmt man kurzfristig die Materialflüsse als gegeben hin, sollten sich Konzerne zunächst auf die Werteflüsse im Konzern konzentrieren, womit wir beim Instrumentarium der Verrechnungspreisgestaltung wären. Für jedes Standort- und Lieferkettenszenario sind die jeweiligen Steuer- und Zollimplikationen durchzurechnen, um dem Management eine verlässliche Planungs- und Entscheidungsgrundlage bereitzustellen.