Bunte Container im Hafen

Warum Unternehmen ihre steuerlichen Strukturen anpassen sollten


Unternehmen passen ihr Operating Model an die globalen Verwerfungen, Trends und eigene Geschäftsentwicklung an. Das sollte steuerlich eng begleitet sein.


Überblick

  • Unternehmen müssen ihre steuerlichen Strukturen an globale Veränderungen anpassen, um wettbewerbsfähig zu bleiben und Risiken zu minimieren.
  • Die Resilienz von Lieferketten wird entscheidend, um Störungen zu vermeiden und die Kundenversorgung sicherzustellen.
  • Digitale Vertriebskanäle erfordern neue Ansätze in der Vertriebsstruktur und steuerlichen Gestaltung für nachhaltigen Erfolg.

Die fortwährenden Krisen haben die gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die optimale Ausrichtung von Geschäftsmodellen und deren steuerliche Strukturen maßgeblich verändert. Die Pandemie hat bereits vor Jahren aufgezeigt, wie verletzlich globale und auf Kosteneffizienz getrimmte Lieferketten sein können. Der russische Angriffskrieg und die daraus ergangenen Sanktionen haben die geopolitischen Spannungen weiter verschärft und Unternehmen gezwungen, ihre Strategien zu überdenken. Insbesondere die Strafzölle der aktuellen US-Regierung haben zusätzliche Herausforderungen geschaffen, die eine Anpassung der Geschäftsmodelle und eine Neubewertung der steuerlichen Strukturen erforderlich machen. Auch stellt die neue Arbeitswelt, in der flexibles Arbeiten über Ländergrenzen hinweg zum Standard wird, Strukturen wie Prinzipalmodelle, die auf der Ansiedlung bestimmter Rollen an einem zentralen Standort basieren, auf den Prüfstand. Zu guter Letzt werfen auch digitale Verkaufskanäle die Frage nach der optimalen Vertriebsstruktur auf.

Wer angesichts dieser Veränderungen im Unternehmen nach alternativen Strukturen und Prozessen sucht, muss zwingend auch steuerliche Fragestellungen einbeziehen. Bei der Analyse der am besten geeigneten Vertriebsstruktur empfiehlt es sich, die Präferenzen und Anforderungen verschiedener Fachbereiche (u. a. Vertrieb, Supply Chain, HR, Steuern, Recht und IT) ganzheitlich zu berücksichtigen.

Lange bewährtes Prinzip

Lange Zeit galt die Zentralisierung entlang der Wertschöpfungsketten von Konzernen als das vorherrschende Prinzip. Kosteneffiziente Strukturen wurden in einem gesamtwirtschaftlichen Umfeld geschaffen, in dem internationaler Handel weitgehend ohne Friktionen stattfand, dank der Standardisierung und Zentralisierung von Unternehmensprozessen. Diese manifestierten sich in globalen Lieferketten und Shared-Service-Center-Strukturen. Gleichzeitig wurden strategische Rollen häufig in sog. Prinzipal- oder „Hub“-Gesellschaften an einem zentralen Standort zusammengefasst, was wiederum effiziente (konzerninterne) Liefer- und Leistungsbeziehungen ermöglichte.

Abb.: Eine einzige europäische Vertriebseinheit mit Niederlassungen kann das Verkaufs- und Vertriebsmodell vereinfachen

Grafik: Eine einzige europaeische Vertriebseinheit mit Niederlassungen
kann das Verkaufs- und Vertriebsmodell vereinfachen

Lieferketten resilienter machen

Strafzölle verteuern auf Naht geplante Produktwege? Das technische Herzstück hängt in einem Hafen oder in einem Kanal fest? Das entscheidende Bauteil kommt aus der Ukraine? Rohstoffe fehlen wegen Sanktionen? Unternehmen, die diese Erfahrungen machen, denken um. Um die Anzahl der „Single Points of Failure“ in globalen Lieferketten zu reduzieren, überprüfen gegenwärtig viele Unternehmen ihre Produktions-, Einkaufs- und Handelsnetzwerke. Es geht darum, die Widerstandsfähigkeit der Lieferketten zu erhöhen. Um Lieferketten resilienter zu machen, nehmen Unternehmen zwischenzeitlich sogar höhere Kosten in Kauf. Mehrkosten entstehen zwangsläufig, wenn zusätzliche Werke in der Nähe der Absatzmärkte errichtet werden, um die Abhängigkeit von nur einem Produktionsbetrieb zu verringern. Gleiches gilt für die Verbreiterung der Lieferantenbasis, um für Ausfälle gerüstet zu sein. In vielen Unternehmen findet ein regelrechter Paradigmenwechsel statt, weg von dem alleinigen Credo „Wie können wir die Kosten in der Lieferkette minimieren?“, hin zu „Wie können wir Kunden schnellstmöglich und ohne Unterbrechung beliefern?“. Ein Beispiel dieser Neuausrichtung ist die strategische Lagerhaltung, die es Unternehmen ermöglicht, flexibel auf Nachfrageschwankungen zu reagieren. Durch die Einrichtung von Abruflagern in der Nähe der Absatzmärkte können Unternehmen nicht nur die Lieferzeiten verkürzen, sondern auch die Versorgungssicherheit erhöhen, was in Zeiten unvorhersehbarer Störungen von entscheidender Bedeutung ist.

Vielfältige Vertriebskanäle

Der Trend zu größerer Agilität und Resilienz wird weiterhin durch die sich wandelnden Erwartungen der Kunden vorangetrieben. Immer mehr Kunden greifen auf digitale Vertriebskanäle zurück und machen ihre Kaufentscheidung von der Existenz eines Online-Shops oder weiteren online verfügbaren Erfahrungsberichten abhängig. Viele Unternehmen unterhalten daher nicht mehr nur einen Vertriebskanal, sondern eine Kombination aus klassischem B2B-Geschäft und einem neuen, wachsenden D2C-Geschäft, das zusätzlich noch einen nahtlosen Übergang zwischen Online- und Offline- Kanälen erforderlich macht. Diese Vielfalt trifft auf bestehende transaktionale und steuerliche Vertriebsstrukturen, die nur für den traditionell dominierenden Vertriebsweg (oftmals B2B) konzipiert wurden.

Dienstleistungen anstatt Produkte

Zudem legen Kunden zunehmend Wert auf Umweltfreundlichkeit und zeigen ein wachsendes Interesse an der Reduzierung von physischem Eigentum., was unter anderem zu einer stärkeren Verbreitung von Leasing oder „Product as a Service“-Geschäftsmodellen führt, bei denen der Kunde nicht das Produkt erwirbt, sondern nur dessen Nutzung bzw. Nutzen. Hier entstehen gänzlich neue Umsatzströme aus Dienstleistungserlösen, die auch steuerlich anders zu beurteilen sind als Umsätze aus klassischen Produktverkäufen.

Passt die steuerliche Struktur noch?

Geprüft werden sollte dabei, ob die unter damaligen Rahmenbedingungen entwickelten Operating Models und steuerlichen Strukturen den genannten Anforderungen weiterhin gerecht werden. Insbesondere stehen sog. Hub-/Prinzipalstrukturen sowie Vertriebsstrukturen, die auf klassischen Landesvertriebsgesellschaften basieren, auf dem Prüfstand.

Abb.: Eine Weiterentwicklung zu Multi-Hub-Modellen kann zusätzliche geschäftliche Flexibilität und eine robustere Resilienz bewirken

Grafik: Eine Weiterentwicklung zu Multi-Hub-Modellen kann zusaetzliche
geschäftliche Flexibilität und eine robustere Resilienz bewirken

Trend zu Multi-Hub-Modellen?

Die geopolitisch weitgehend konstante Phase der 2000er und 2010er-Jahre hat zentralisierte Prinzipalmodelle bzw. „Hub“ Strukturen begünstigt. Doch die zuvor genannten Trends setzen diese Modelle zunehmend unter Druck. Besonders in Fällen, in denen die Prinzipalgesellschaft in einem steuerlich begünstigten Ausland angesiedelt ist, wirft die neue, flexible Arbeitswelt oft die Frage nach der erforderlichen „Mindestsubstanz“ auf. Konzerninitiativen mit dem Titel „Work from anywhere“ oder „Hire from anyware“ machen den Schutz bestehender Strukturen vor hohen steuerlichen Risiken zu einem anspruchsvollen Unterfangen. Hier gilt es, die richtige Balance zu finden zwischen der wünschenswerten Flexibilität, der unternehmerischen Notwendigkeit und den aus steuerlicher Sicht notwendigen „Spielregeln“.

Oftmals lassen sich Wege finden, wie bestehende Hub-Strukturen zwar leicht angepasst werden müssen, jedoch in ihrer Grundkonzeption und ihrem und ihren steuerlichen Auswirkungen im Wesentlichen erhalten bleiben können. Beispielsweise können bestimmte Mitarbeitergruppen, die bisher in der Prinzipalgesellschaft angestellt waren, auch von Gesellschaften in ausgewählten anderen Standorten angestellt werden. Ein solches Outsourcing mag allerdings nicht mehr funktionieren, wenn zu viele Entscheidungsträger ausgelagert werden und die Substanz der Prinzipalgesellschaft damit zu sehr ausgehöhlt wird. In diesen Fällen sollte über weitere Optionen nachgedacht werden, z. B. über Multi-Hub-Modelle, bei denen Residualgewinne effektiv zwischen mehreren Hubs aufgeteilt werden.

Höhere Flexibilität

Der Vorteil von Multi-Hub-Modellen besteht vor allem in der höheren Flexibilität bzgl. der Ansiedlung wichtiger strategischer Rollen. Darüber hinaus kann ein Multi-Hub-Modell, verglichen mit einem substanzschwachen „Single Principal“-Modell, steuerliche Risiken maßgeblich reduzieren. Natürlich sollten auch die Unternehmenssteuersätze (unter Berücksichtigung der globalen Mindestbesteuerung) sowie steuerliche und nicht steuerliche Fördermaßnahmen bei der Analyse der optimalen Hub-Struktur Berücksichtigung finden.

Eine einzige europäische Vertriebsgesellschaft?

Auf der Vertriebsseite des Operating Model agieren Unternehmen in vielen Branchen traditionell über Landesvertriebsgesellschaften, die Fertigprodukte konzernintern einkaufen und mit einer aus Verrechnungspreissicht angemessenen Marge an Kunden verkaufen. Diese Strukturen haben sich als steuerlich robust erwiesen, u. a. weil sie das Risiko der Entstehung von Vertreterbetriebsstätten in der Regel vermeiden. Allerdings ist ein Netzwerk aus vielen, mitunter sehr kleinen Landesvertriebsgesellschaften unter Kosten- und Komplexitätsgesichtspunkten nicht zwingend die ideale Vertriebsstruktur. Denn jede Legaleinheit, insbesondere wenn sie als Eigenhändler mit den dafür notwendigen IT-Prozessen ausgestattet sein muss, löst Infrastruktur- und Compliance-Kosten aus. In vielen Fällen soll auch der interne Aufwand für die Pflege konzerninterner Transaktionen (etwa Verrechnungspreissteuerung) auf ein Minimum reduziert werden.

Steuer- und Zollfunktion

Gleiches gilt in Bezug auf gegenwärtige Ausweichhandlungen bei Handelskonflikten durch Strafzölle und Sanktionen. Gefordert ist das gesamte Instrumentarium der Gestaltung von Material- und Werteflüssen. Nimmt man kurzfristig die Materialflüsse als gegeben hin, sollten sich Konzerne zunächst auf die Werteflüsse im Konzern konzentrieren, womit wir beim Instrumentarium der Verrechnungspreisgestaltung wären. Für jedes Standort- und Lieferkettenszenario sind die jeweiligen Steuer- und Zollimplikationen durchzurechnen, um dem Management eine verlässliche Planungs- und Entscheidungsgrundlage bereitzustellen.


Steuerliche Fragen bei Änderungen von Lieferprozessen


Tax & Legal strategies for the digital economy –
Powering growth and international expansion

Disruptive digitale Geschäftsmodelle entwickeln sich dynamisch und prägen den Markt. Angesichts des raschen Wachstums und der sich ständig wandelnden regulatorischen Rahmenbedingungen müssen steuerliche Herausforderungen  proaktiv gesteuert werden, um Wachstum nachhaltig zu sichern.  Eine leistungsstarke Steuerfunktion schafft dabei messbaren Mehrwert für die gesamte Organisation.

Tisch mit mehreren Personen am Entwickeln

Fazit

Gerade der Trend zu E-Commerce bzw. „Direct to Consumer“-Vertriebskanälen begünstigt oftmals ein zentralisierteres Vertriebsmodell , bei dem eine zentrale Gesellschaft an Kunden in einer Region wie Europa verkauft. Eine solche zentrale Vertriebsgesellschaft dient typischerweise der Vereinfachung des transaktionalen Geschäftsmodells, während gleichzeitig die aus kommerzieller Sicht notwendige lokale Vertriebspräsenz in Form von Niederlassungen bzw. steuerlichen Betriebsstätten aufrechterhalten werden kann.



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