6 Minuten Lesezeit 20 Juni 2022
Stecknadel an einem Kalender

Wie Investor Relations, Vorstand und Aufsichtsrat zusammenspielen

Von Martin Steinbach

EY EMEIA IPO Leader, EY GmbH & Co. KG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft | Deutschland

Kennt das nationale und internationale Kapitalmarktparkett in- und auswendig. Lebt mit Frau und drei Kindern in Friedrichsdorf. Wann immer Zeit ist, spielt er Tennis, fährt Rad oder läuft Ski.

6 Minuten Lesezeit 20 Juni 2022

Weitere Materialien

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Die aktuelle Studie von DIRK und EY zeigt, wie sich IR intern mit Vorstand und Aufsichtsrat im jährlichen Kapitalmarktkalender organisiert.

Überblick
  • Das perfekte Zusammenspiel zwischen Vorstand, Aufsichtsrat und IR ist für börsennotierte Unternehmen essenziell.
  • Die aktuelle Studie von DIRK und EY „Zusammenspiel zwischen Investor Relations, Vorstand und Aufsichtsrat im Kapitalmarktjahr“ zeigt, wie es geht.

Investor Relations (IR) hat sich als zentrale Schnittstelle zwischen Unternehmen und dem Kapitalmarkt fest etabliert. Dabei ist das gute Zusammenspiel zwischen Vorstand, Aufsichtsrat und IR besonders in „stürmischen Zeiten“ essenziell, um Kapitalmarktanforderungen zu erfüllen, die „One-Voice-Policy“ – also die Kommunikation von Inhalten mit „gleicher Stimme“ – sicherzustellen sowie durch eine aktive Kommunikation nachhaltig faire Kapitalkosten zu erreichen.

Die aktuelle Studie von DIRK und EY „Zusammenspiel zwischen Investor Relations, Vorstand und Aufsichtsrat im Kapitalmarktjahr“ zeigt, wie sich die IR-Funktion intern mit Vorstand und Aufsichtsrat im jährlichen Kapitalmarktkalender organisiert. Fragen sind: Wie, in welchem Rhythmus und in welchem Format erfolgt die Kommunikation zwischen IR, Vorstand und Aufsichtsrat? Was ist Gegenstand der Kommunikation? Wer entwickelt den Kapitalmarktkalender? Existiert ein Disclosure-Komitee und wie erfolgt die Abstimmung zur Kommunikation in der Regelberichterstattung und in Sondersituationen?

  • Studie „Zusammenspiel zwischen Investor Relations, Vorstand und Aufsichtsrat im Kapitalmarktjahr“

    Diese Marktstudie beschäftigt sich mit Fragen und Einblicken rund um das Zusammenspiel zwischen Vorstand, Aufsichtsrat und IR im Kapitalmarktjahr aus Sicht derer, die operativ in täglichem Kontakt mit Investoren stehen – der Führungskräfte im Bereich IR in gelisteten Unternehmen im DACH-Raum. Sie gibt einen ganzheitlichen Überblick über die Organisation von IR in der Interaktion mit Vorstand und Aufsichtsrat in der IR-Praxis und in der Finanzkommunikation.

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Ein wahres Organisationstalent: Investor Relations

Im Kapitalmarkt unterliegen börsennotierte Unternehmen weitreichenden kapitalmarkt- und rechtsformspezifischen Pflichten. Doch wer übernimmt die Rolle des Koordinators und Organisators des Kapitalmarktpflichtenhefts? In der Praxis nimmt sich IR dieser Aufgabe in enger Abstimmung beteiligten Abteilungen an und beweist sich dabei als wahres Organisationstalent. Ihr Aufgabenspektrum ist breit gefächert.

IR organisiert gemeinsam mit relevanten Abteilungen sowohl die Kapitalmarkt-Pflichtkommunikation in enger Abstimmung mit Vorstand und Aufsichtsrat als auch die sich daran anschließenden Roadshow-Aktivitäten. Denn vor der Veröffentlichung beispielsweise in der Finanzberichterstattung ist die Reihenfolge mit Erstellung der Abschlüsse, ihrer Prüfung, der Überwachung durch den Prüfungsausschuss, der Billigung durch den Aufsichtsrat und Feststellung durch den Aufsichtsrat und Vorstand zu beachten. In der Kür folgt danach die Kommunikation mit dem Kapitalmarkt in Analysten-Calls und auf Investorenkonferenzen.

Vorstand hat die Kommunikationshoheit

Der Vorstand leitet die Gesellschaft eigenverantwortlich und ist für alle Fragen der Unternehmensführung und damit auch im Grundsatz für die Informationsversorgung der Marktteilnehmer über das Unternehmen und für seine Außendarstellung am Kapitalmarkt zuständig. Auch dem Aufsichtsrat kommt eine verstärkte Bedeutung in der Interaktion gerade bei Anfragen von angelsächsischen Investoren zu. So weist der Deutsche Corporate Governance Kodex zum Beispiel dem Aufsichtsratsvorsitzenden eine direkte Kommunikationsbefugnis zu, durch welche er in angemessenem Rahmen bereit sein soll, mit Investoren über aufsichtsratsspezifische Themen Gespräche zu führen. Zudem wird der Aufsichtsrat mittels Aufsichtsratssitzungen, dem Prüfungsausschuss und über die Hauptversammlung eng in die Infrastruktur und Prozesse des Kapitalmarktpflichtenhefts eingebunden. Zugleich haben die großen Stimmrechtsberater die immer wichtiger werdende Rolle des Aufsichtsrats im Kapitalmarktgeschehen und die herausgehobene Stellung des Aufsichtsrats(-vorsitzenden) im Gefüge eines börsennotierten Unternehmens erkannt. Sie richten das Augenmerk in ihren Abstimmungsempfehlungen, den sogenannten Proxy Voting (dt. Stimmrechtsvertretung) beziehungsweise Stewardship-Leitlinien in weiten Teilen auf den Aufsichtsrat.

Kapitalmarktkommunikation

58%

der Befragten gaben an, dass die IR als Stabsstelle oder Abteilung des Vorstands beim Finanzvorstand (CFO) zugeordnet ist.

Für den Bereich der Kapitalmarktkommunikation bedient sich der Vorstand regelmäßig einer IR-Abteilung. Bei der Mehrheit (58 Prozent) ist die IR als Stabsstelle oder Abteilung des Vorstands, nämlich beim Finanzvorstand (CFO) zugeordnet. So lassen sich auch die von Investoren häufig gestellten Fragen zu komplexen und speziellen Finanz-, Bilanz-, und Bewertungsthemen schneller beantworten. Für knapp ein Viertel der IR-Officer (24 Prozent) ist die IR hingegen direkt als Stabsstelle oder Abteilung des CEOs beziehungsweise anderen Abteilungen zugeordnet.

Interne Kommunikationslinien nehmen weiter an Bedeutung zu

Mit dem steigenden Kommunikationsbedürfnis seitens der Kapitalmarktteilnehmer und einer aktiveren Rolle des Aufsichtsrats in der Kommunikation konfrontiert, ist es für die meisten Unternehmen notwendig, eine entsprechend effiziente Kommunikationslinie zwischen IR, Vorstand und dem Aufsichtsrat zu etablieren. Eine regelmäßige Kommunikation mit dem Vorstand ist gelebte IR-Praxis. Davon basiert laut den Angaben der IR-Befragten bei 42 Prozent die Kommunikation mit dem Vorstand auf einem wöchentlichen und für 17 Prozent auf einem monatlichen Reporting. Zudem ist ein regelmäßiges IR-Reporting an den Aufsichtsrat bei über der Hälfte der Unternehmen vorhanden. Davon verfügen 32 Prozent der IR-Befragten über ein quartalsweises und 12 Prozent über ein monatliches Reporting.

Eine regelmäßige Kommunikation mit dem Vorstand ist gelebte IR-Praxis. Davon basiert laut den Angaben der IR-Befragten bei 42 Prozent die Kommunikation mit dem Vorstand auf einem wöchentlichen und für 17 Prozent auf einem monatlichen Reporting.

Die Zusammenarbeit mit IR unterstützt den Vorstand und den Aufsichtsrat, auch in kritischen Situationen adäquat zu handeln und Investorenvertrauen zu erhalten und auszubauen. Auch die Themen, die besprochen werden, unterscheiden sich: So stehen in der Kommunikation von IR mit dem Vorstand vor allem „marktnahe“ Themengebiete wie die Markt- und Investorenstimmung sowie die häufig gestellten Fragen von Investoren und Investorenaktivitäten im Fokus. IR tauscht sich mit dem Aufsichtsrat ebenfalls an erster Stelle über die Markt- und Investorenstimmung aus, gefolgt von regulatorischen Vorschriften wie etwa die Finanzberichte. An dritter Stelle folgt die Hauptversammlung als wichtiges Thema zwischen IR und Aufsichtsrat.

Effiziente Planung des rollierenden Kapitaljahres unumgänglich

Im Kreislauf der Pflichtkommunikation und der Kür am Kapitalmarkt sind die effiziente Planung und Organisation des Kapitalmarktjahres durch die IR notwendig. Die IR nimmt als Koordinator des Finanzkalenders eine entscheidende Rolle ein. Viele Unternehmen planen ihren neuen Finanzkalender mit sechsmonatigem Vorlauf. Wie die Zusammenarbeit zwischen IR und dem Aufsichtsrat organisiert sein soll, kann – ebenso wie die Kommunikationslinie zum Vorstand – unternehmensindividuell festgelegt werden; gesetzliche Vorgaben oder ein Standard existieren nicht. Viele Unternehmen nutzen eine Kommunikationsordnung, in der die Zuständigkeiten niedergelegt sind. Das IR-Manual beschreibt Prozesse, Fristen und Inhalte sowie Verantwortlichkeiten. Zudem zählen der Code of Conduct, Kommunikationsrichtlinien und die Disclosure Committe Guideline zu den Best Practices in Unternehmen. Für die Evaluierung von Ad-hoc-Pflichten, der Sicherstellung der regulatorischen Berichtspflichten und zur Einhaltung der „One-Voice-Policy“ nutzen IR Officer ein internes Disclosure Komitee. Obwohl die Einrichtung gesetzlich nicht vorgeschrieben ist, ist die Etablierung dieses Ausschusses bei der Mehrheit der Unternehmen (61 Prozent) bereits gängige Praxis. Mehrheitlich leitet IR primär zusammen mit der Rechtsabteilung und dem CFO als ständige Mitglieder das Disclosure Komitee.

IR bleibt wenig Zeit zum Durchatmen

Für die terminliche Koordination des internen Finanzkalenders ist nach Aussage von 70 Prozent der Befragten die IR zuständig. Abteilungen, die bei der Festsetzung der Termine des Finanzkalenders einbezogen werden, sind – neben IR (87 Prozent) – vor allem das Vorstandssekretariat (70 Prozent) sowie das Rechnungswesen beziehungsweise Controlling (69 Prozent) gefolgt von der Rechtsabteilung mit 42 Prozent.

Finanzkalender-Planung

70%

der Befragten sagten, dass für die terminliche Koordination des internen Finanzkalenders die IR zuständig ist.

Für die Organisation der Termine im IR-Kapitalmarktkalender bilden die planbaren Veröffentlichungszeitpunkte der jeweiligen Finanzinformation die Ausgangspunkte: Jahresfinanzbericht, Halbjahresfinanzbericht und gegebenenfalls Quartalsinformationen. Sie setzen den Rahmen für die Corporate-Governance-Termine und sind zugleich Basis für die Planung der sich in der Regel an die Veröffentlichung der Finanzinformation anschließenden Kür in Investorenkonferenzen und Analysten-Calls.

Darüber hinaus enthält der Finanzkalender Fristen und Termine wie zum Beispiel zur Hauptversammlung, zu ordentlichen Aufsichtsratssitzungen und die Erklärung zur Einhaltung des Corporate-Governance-Kodex. Die IR-Jahresplanung bezieht sich folglich auf die zeitliche Koordination der planbaren Kommunikationsgelegenheiten, damit sich Pflicht und Kür ideal im jährlichen Kapitalmarktkalender ergänzen. Die Roadshowplanung hängt hierbei vor allem von den Veröffentlichungsterminen der Finanzabschlüsse, aber auch von Investorenkonferenzen, Sondersituationen und Einladungen von Banken zu Roadshows ab.

Fazit

Die Studie zeigt die Best Practice, wie die Zusammenarbeit von Investor Relations, Vorstand und Aufsichtsrat im Kreislauf eines Kapitalmarktjahres gestaltet werden kann. Dabei sind die rechtzeitige Planung sowie die enge und vertrauensvolle Abstimmung und Organisation zwischen den Beteiligten entscheidend, um den Wirkungsgrad der IR-Funktion zu erhöhen und gesetzliche Pflichten zu erfüllen. Und sie sind ausschlaggebend dafür, wie gut sich das Unternehmen im internationalen Wettbewerb um Kapital positionieren kann. IR spielt hierbei eine zentrale Rolle – auch als Organisationstalent.

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Von Martin Steinbach

EY EMEIA IPO Leader, EY GmbH & Co. KG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft | Deutschland

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