Pressemitteilung

31 Mai 2022 Stuttgart, DE

Ausländische Investitionen in Deutschland sinken um ein Zehntel

Stuttgart, 31.05.2022. Ausländische Investoren haben ihr Engagement in Deutschland im vergangenen Jahr deutlich reduziert: Die Zahl der von ausländischen Unternehmen in Deutschland angekündigten Investitionsprojekte sank im Vergleich zum Vorjahr um zehn Prozent auf 841.

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Ausländische Investoren haben ihr Engagement in Deutschland im vergangenen Jahr deutlich reduziert: Die Zahl der von ausländischen Unternehmen in Deutschland angekündigten Investitionsprojekte sank im Vergleich zum Vorjahr um zehn Prozent auf 841.

Die beiden wichtigsten Wettbewerber in Europa – Frankreich und Großbritannien – verzeichneten hingegen Zuwächse: In Großbritannien stieg die Zahl der ausländischen Investitionsprojekte um zwei Prozent auf 993, in Frankreich sogar um 24 Prozent auf 1.222.

Im Vorjahr hatten Großbritannien und Frankreich noch jeweils zweistellige Einbußen verzeichnet, während die Zahl der Investitionsprojekte in Deutschland nur um vier Prozent gesunken war.

Europaweit wurden insgesamt 5.877 Investitionsprojekte ausländischer Investoren angekündigt, das waren fünf Prozent mehr als im Vorjahr. Besonders hohe Zuwächse verzeichneten die Türkei (plus 27 Prozent) Portugal (plus 30 Prozent) und vor allem Italien (plus 83 Prozent).

Deutsche Unternehmen erwiesen sich im vergangenen Jahr einmal mehr als Investitionsmotor in Europa: Insgesamt 661 Investitionen führten sie im europäischen Ausland durch, das entspricht einem Anstieg um zehn Prozent gegenüber dem Vorjahr. Mehr Investitionen – insgesamt 1.167 Projekte – führten nur US-Unternehmen durch. Das wichtigste Investitionsziel deutscher Unternehmen war Frankreich: Deutsche Unternehmen kündigten 2021 insgesamt 201 Projekte in Frankreich an, 26 Prozent mehr als im Vorjahr. Umgekehrt lag die Zahl der von französischen Unternehmen in Deutschland angekündigten Investitionen nur bei 40 – ein Rückgang um 11 Prozent gegenüber 2020.

Das sind Ergebnisse einer Studie der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY zu Investitionsprojekten ausländischer Unternehmen in Europa. Für die Studie werden Investitionsprojekte erfasst, die zur Schaffung neuer Standorte und neuer Arbeitsplätze führen; Portfolio- und M&A-Investitionen werden hingegen nicht berücksichtigt. Zudem wurde für die Studie eine Befragung von 501 Entscheidungsträgern bei international tätigen Unternehmen durchgeführt, die vom 17.02. bis zum 06.04. stattfand.

Der deutliche Rückgang bei der Zahl der Projekte in Deutschland sollte zu denken geben, sagt Henrik Ahlers, Vorsitzender der Geschäftsführung bei EY: „Im vergangenen Jahr sank die Zahl der Investitionsprojekte zum vierten Mal in Folge. Und während der Brexit Großbritanniens Anziehungskraft auf ausländische Investoren nur unwesentlich beeinträchtigte, konnte Frankreich kräftig zulegen. Im innereuropäischen Standortwettbewerb scheint Deutschland derzeit das Nachsehen zu haben.“

Immerhin: In einer für die EY-Studie durchgeführten weltweiten Unternehmensbefragung konnte Deutschland einen deutlichen Attraktivitätszugewinn verbuchen. Der Anteil der Befragten, die Deutschland als einen von drei Top-Standorten in Europa bezeichnen, ist im Vergleich zur Vorjahresbefragung von 28 auf 42 Prozent gestiegen. Frankreich (47 Prozent) und Großbritannien (43 Prozent) liegen damit nur noch knapp vor Deutschland.

„Deutschland ist ohne Zweifel ein sehr starker und wettbewerbsfähiger Standort“, betont Ahlers. „Allerdings ist es gerade für kleinere ausländische Unternehmen nicht immer leicht, ihren Platz in den hierzulande sehr dicht besetzten Wertschöpfungs- und Lieferketten zu finden. Mega-Investitionen wie das Tesla-Werk in Grünheide und die unlängst von Intel angekündigte Chip-Fabrik in Magdeburg zeigen allerdings, dass Deutschland für ausländische Unternehmen nach wie vor einer der Top-Standorte in Europa ist – und dass Investoren auch auf politische Unterstützung zählen können. Aber Deutschland hat nach wie vor den Ruf langwieriger Verwaltungs- und Genehmigungsprozesse, hoher bürokratische Hürden sowie im Vergleich hoher Energiekosten. Vor allem aber schläft die Konkurrenz nicht: Gerade das Nachbarland Frankreich hat in den vergangenen Jahren wichtige Reformen umgesetzt und sich einen Ruf als attraktiver Investitionsstandort erarbeitet, der ausländische Unternehmen willkommen heißt.“

In Deutschland erschwere zudem die gute Lage auf dem Arbeitsmarkt den Markteintritt ausländischer Unternehmen, so Ahlers: „In Deutschland herrscht in einzelnen Regionen und Branchen annähernd Vollbeschäftigung – wer hier neu Fuß fassen möchte, hat es teils sehr schwer, in ausreichendem Maß qualifiziertes Personal zu finden. Das schreckt potenzielle Investoren ab.“

US-Unternehmen investieren seltener in Deutschland – britische und chinesische häufiger

US-amerikanische und chinesische Unternehmen waren im vergangenen Jahr erneut für die meisten Investitionsprojekte in Deutschland verantwortlich – allerdings zeigt die Tendenz bei der Zahl der US-Projekte seit Jahren nach unten: Im Jahr 2018 waren noch 220 Investitionen von US-Konzernen gezählt worden, im vergangenen Jahr waren es nur noch 157.

Die Zahl chinesischer Investitionsprojekte in Deutschland stieg im gleichen Zeitraum von 66 auf 102. „Für chinesische Unternehmen ist Deutschland mit Abstand der wichtigste Investitionsstandort in Europa“, beobachtet Ahlers. Knapp 40 Prozent aller chinesischen Investitionen in Europa entfallen auf Deutschland. „An Deutschland schätzen die asiatischen Unternehmen traditionell die politische, soziale und rechtliche Sicherheit, was gerade in politisch und wirtschaftlich unruhigen Zeiten ein hohes Gut ist.“

Auch britische Unternehmen haben ihr Engagement in Deutschland erhöht: Die Zahl der Investitionen stieg von 58 auf 72, blieb damit aber deutlich unter dem Höchstwert von 110, der im Jahr 2017 erreicht worden war.

London behauptet Top-Position im Städte-Ranking

Im europäischen Städte-Ranking kann London zwar den ersten Platz behaupten, verliert aber im Vergleich zum Vorjahr deutlich an Zustimmung: Nach 43 Prozent im Vorjahr bezeichnen derzeit nur noch 34 Prozent der befragten Manager London als einen der drei Top-Standorte in Europa. Im Gegenzug gewinnt Paris erheblich an Attraktivität (von 18 auf 28 Prozent) und lässt Frankfurt (Rückgang von 23 auf 21 Prozent) hinter sich.

Einen kräftigen Imagegewinn kann Dublin verbuchen – vermutlich eine Folge des Brexits: Der Anteil der Nennungen steigt von sechs auf 17 Prozent. Berlin belegt mit acht Prozent Platz 13, Hamburg mit 4 Prozent Platz 21.

Krieg in der Ukraine und Dekarbonisierung verändern Investitionslandschaft

„Die Pandemie und der Krieg in der Ukraine sind zwei Ereignisse, die mittelfristig zu einer spürbaren Um- und Neugestaltung der internationalen Lieferketten führen und sich damit auch auf die Investitionen auswirken werden“, erwartet Ahlers. „Elaborierte und maximal kostenoptimierte weltweite Lieferketten erweisen sich derzeit als weniger belastbar als gedacht. Stattdessen gerät nun der Heimatmarkt wieder stärker in den Fokus – auch als Produktionsstandort.“

In der Unternehmensbefragung gaben 53 Prozent der Manager an, dass sie ihre Lieferketten so umgestalten, dass die Produktion in die Nähe des Absatzmarktes gerückt wird – vor einem Jahr hatten nur 23 Prozent der Unternehmen solche Pläne. Und eine Rückverlagerung von Tätigkeiten auf den Heimatmarkt nehmen 43 Prozent der Unternehmen vor – verglichen mit 20 Prozent vor einem Jahr.

„Wir werden in den kommenden Jahren verstärkt Investitionen europäischer Unternehmen in Europa sehen. Davon dürfte der Industriestandort Europa profitieren – in Form zusätzlicher Investitionen vor allem in den Bereichen Produktion und Logistik“, sagt Ahlers.

Dieser Trend habe allerdings einen hohen Preis, den letztlich die Abnehmer bzw. Kunden zahlen müssten, betont Ahlers: „Die bisherige weltweite Arbeitsteilung war sehr kosteneffizient. Ein Zurückdrehen der Globalisierung wird bei den Unternehmen zu signifikant steigenden Kosten führen, die sie großenteils an ihre Kunden weitergeben müssen.“ 

Die Studie können Sie hier kostenlos bestellen.

 

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EY im Überblick

EY ist eine der großen deutschen Prüfungs- und Beratungsorganisationen. In der Steuerberatung ist EY deutscher Marktführer. EY beschäftigt rund 11.500 Mitarbeiter an 20 Standorten und erzielte im Geschäftsjahr 2020/2021 einen Gesamtumsatz von 2,1 Milliarden Euro. Gemeinsam mit den rund 312.000 Mitarbeitenden der internationalen EY-Organisation betreut EY Mandanten überall auf der Welt.

EY bietet sowohl großen als auch mittelständischen Unternehmen ein umfangreiches Portfolio von Dienstleistungen an: Wirtschaftsprüfung, Steuerberatung, Rechtsberatung, Strategy and Transactions, Consulting und Immobilienberatung.