Pressemitteilung

19 Januar 2023 Hannover, DE

Agribusiness trotzt geopolitischen Herausforderungen – steht aber vor einem schwierigen Jahr

Hannover, 19.01.2023. Unterbrochene Lieferketten, steigende Kosten für Energie und Futtermittel, Klimaextreme: 2022 war auch für das Agribusiness ein Jahr voller Herausforderungen. Herausforderungen, die die Branche insgesamt gut gemeistert hat. Sogar mehr als das: Gegenüber 2021 stieg der Gesamtumsatz um 12,2 Prozent.

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  • Gesamtumsatz des Agribusiness steigt 2022 um 12,2 Prozent auf 279 Milliarden Euro
  • Exporte auf Rekordniveau: Waren im Wert von 75 Milliarden Euro exportiert, knapp 39 Prozent der Gesamtmenge
  • Aber: Weitere Kosten- und Preissteigerungen trüben Erwartungen
  • Düngemittel: Neue Abhängigkeiten von schwierigen Märkten
  • Dr. Christian Janze: „Mit Hilfe moderner Technologien ist es möglich, intensive Produktion mit den Erfordernissen einer nachhaltigen Produktionsweise zu versöhnen.“

Unterbrochene Lieferketten, steigende Kosten für Energie und Futtermittel, Klimaextreme: 2022 war auch für das Agribusiness ein Jahr voller Herausforderungen. Herausforderungen, die die Branche insgesamt gut gemeistert hat. Sogar mehr als das: Gegenüber 2021 stieg der Gesamtumsatz um 12,2 Prozent. Ein Wert, der deutlich über denen der Vorjahre liegt. Und mit einem Umsatz von 279 Milliarden Euro im Jahr 2022 behauptet das Agribusiness seine Position als zweitstärkste Branche des verarbeitenden Gewerbes in Deutschland.

Dr. Christian Janze, Partner bei EY: „Zwar ist das starke Umsatzplus im Agribusiness hauptsächlich preisgetrieben, die Kosten für Lebensmittel sind aus vielerlei Gründen im Jahr 2022 stark gestiegen. Doch auch ohne den Inflationsdruck und gestiegene Rohstoffpreise hätte sich das deutsche Agribusiness positiv entwickelt. Wichtig ist hervorzuheben, dass sich Deutschlands Landwirte und Agrarkonzerne trotz aller Widrigkeiten als verlässliche Lieferanten für unverzichtbare Produkte und Rohstoffe erwiesen haben. Trotz Lieferkettenproblemen und einer überhaupt sehr volatilen Marktlage war die Grundversorgung zu jedem Zeitpunkt gesichert.“

Die aus dem russischen Angriffskrieg resultierenden disruptiven Effekte – wie etwa die hohen Rohstoffpreise für Agrarprodukte – haben sich für die deutschen Bauern unterschiedlich ausgewirkt. Unterm Strich haben die meisten Ackerbaubetriebe hierzulande davon profitiert, dass die Preise stiegen. Aber: Landwirtschaftliche Betriebe werden 2023 nicht mehr von alten Verträgen, die vor Kriegsbeginn abgeschlossen wurden, oder einer Lagerhaltung bei Futter- und/oder Düngemitteln profitieren können. Die eigenen Vorräte sind aufgebraucht.

Weitere Kosten- und Preissteigerungen erwartet

Aus Konsumenten- und Produzentensicht düster: In diesem Jahr werden weiter steigende Rohstoff, Energie- und Kraftstoffkosten erwartet. Diese werden Faktoren sein, die in der Folge höhere Ausgaben bei Dünger, Saatgut und Pflanzenschutz nach sich ziehen werden, was sich wiederum die Preise für Endprodukte erhöhen wird. Janze: „Bisher konnten die meisten Produzenten die gestiegenen Preise für Lebensmittel an den Einzelhandel und die Kundinnen und Kunden weitergeben. Klar ist: Die Menschen müssen essen und werden immer Nahrungsmittel kaufen. Doch die Preissteigerungen müssen letztlich von den Konsumenten getragen werden können. Schon jetzt zeigt sich eine klare Tendenz: Die Verbraucherinnen und Verbraucher entscheiden sich immer häufiger für die billige Alternative – mit direkten Auswirkungen auf Produkte biologischer Produktion, die weniger Abnehmer finden. Eine kontraproduktive Entwicklung für die agrarpolitischen Ziele.“ Dr. Louisa von Plettenberg vom Department für Agrarökonomie und Rurale Entwicklung an der Georg-August-Universität Göttingen, ergänzt: „Durch Inflationstendenzen und Preissteigerungen für Rohstoffe wird der Druck auf viele Betriebe im Agribusiness steigen.“

Am Getreidehandel lässt sich veranschaulichen, wie groß die aktuellen geopolitischen Herausforderungen und daraus resultierende Preissprünge für die Branche sind: Durch den Krieg in der Ukraine kommt es zu Exporteinbußen von circa 35 Millionen Tonnen. Das sind rund sieben Prozent des globalen Handelsvolumens von knapp 490 Millionen Tonnen. So klein wie dieser Anteil scheint, ist er aber nicht: Die internationalen Getreidemärkte waren schon vor dem russischen Angriff angespannt, unter anderem aufgrund von Logistikengpässen infolge der Corona-Pandemie, einer dürrebedingt schlechten Ernte in Kanada 2021 und einer unerwarteten Zunahme der Getreideimporte Chinas von 25 Millionen Tonnen im Vermarktungsjahr 2019/20 auf 65 Millionen Tonnen im Jahr 2020/21.

„Im Gegensatz zu Deutschland spüren zahlreiche ärmere Länder die gestiegenen Kosten für Getreideimporte sehr deutlich“, sagt Janze und ergänzt: „Die Getreideknappheit, verschärft durch die russische Invasion in der Ukraine, bedroht die Lebensgrundlage von Hunderten Millionen Menschen, vor allem in Afrika und Südostasien.“

Düngemittel: Neue Abhängigkeiten von schwierigen Märkten drohen

Ein Faktor, der für die kommenden Jahre ebenfalls nicht zu unterschätzen ist: Russland ist weltweit der größte Produzent von Düngemitteln, hat den Export im Jahr 2022 als Reaktion auf westliche Sanktionen aber deutlich gedrosselt. China, Nummer zwei der Düngemittelproduktionsländer, ist ebenfalls ein Markt, bei dem westliche Abnehmer zunehmend von schwierigeren Handelsprozessen ausgehen. Hinzu kommt: Die Produktionskosten für Düngemittel sind wegen der gestiegenen Rohstoff- und Energiepreise in die Höhe geschossen. Janze: „Mit einem großen Kraftakt hat die Bundesregierung die Gasversorgung für Wirtschaft sowie Bürgerinnen und Bürger trotz aller Widrigkeiten sicherstellen können. Allerdings drohen wir bei Düngemitteln dieselben Schwierigkeiten zu bekommen. Gerade mit Blick auf die aktuelle geopolitische Lage zeigt sich, wie fragil und abhängig die Agrarproduktion hierzulande in gewissen Bereichen ist. Die Frage wird dabei sein: Wie viel ist den Verbraucherinnen und Verbrauchern – und der Gesellschaft insgesamt – ein unabhängiges Agribusiness wert?“

Klimawandel und nachhaltige Bodennutzung bleiben große Herausforderungen

Auch der Klimawandel ist eine große Herausforderung für die Branche: 2022 war ein Jahr, das von extremer Trockenheit geprägt war. Begünstigt durch Hitze und Trockenheit zerstörten Feuer im Sommer mehr europäischen Wald als jemals zuvor. Von Plettenberg: „Die Prognosen machen deutlich, dass die Häufigkeit und auch die Intensität von Dürren bis zum Ende des Jahrhunderts zunehmen werden.“ Gleichzeitig trafen lokale Starkregenereignisse auf die ausgetrockneten Böden – eine doppelte Katastrophe für die Bauern. „Vor dem Hintergrund der Klimakrise sind daher Bemühungen, gemeinsam die landwirtschaftliche Produktivität und deren Nachhaltigkeit zu steigern, von entscheidender Bedeutung“, so Janze: „Mit Hilfe moderner Technologien ist es möglich, intensive Produktion mit den Erfordernissen einer nachhaltigen Produktionsweise zu versöhnen. Wir müssen uns auf Formen der Nahrungsmittelproduktion konzentrieren, die einerseits Ertragssteigerungen ermöglichen und gleichzeitig ambitionierte Klimaziele berücksichtigen.“

 

Entwicklung in den Teilbranchen des Agribusiness

Ernährungsindustrie mit Exportrekord

Mit einem Umsatz von 194,5 Milliarden Euro und einem Anteil von 70 Prozent ist die Ernährungsindustrie die größte Teilbranche des Agribusiness. 75 Milliarden Euro (38,6 Prozent) des Umsatzes wurden durch den Export realisiert. Ein deutlicher Sprung, nachdem sowohl Gesamtumsatz als auch Exportquote in den vergangenen drei Jahren nahezu stagnierten. Zurück ging allerdings die Anzahl der Betriebe, von 6.152 im Jahr 2021 auf 6.074 im vergangenen Jahr. Die Zahl der Beschäftigten wuchs dagegen prognostiziert um gut 7.700 auf nun insgesamt 646.497 Mitarbeitende.

Fleischexporte steigen wieder

Negativtrend gestoppt? Nachdem der Umsatz im Jahr 2021 deutlich zurückgegangen war, erreichte die Fleischwirtschaft im vergangenen Jahr wieder fast das Niveau von 2020: 43,1 Milliarden Euro (plus 2,5 Milliarden Euro) Umsatz standen für 2022 zu Buche, die Exportquote lag bei 25 Prozent (knapp 11 Milliarden Euro) – und lag damit in etwa auf dem Niveau der vergangenen Jahre. Im neunten Jahr in Folge stieg zudem die Zahl der Beschäftigten, im vergangenen Jahr um voraussichtlich 3.393 auf 154.900. Auch die Zahl der Firmen nahm zu: 1.465 Fleischwirtschaftsbetriebe gab es 2022 in Deutschland – 20 mehr als im Jahr zuvor. Von Plettenberg: „Die aktuellen Zahlen zeigen, dass die Kundinnen und Kunden in Deutschland und der Welt wieder und weiter Lust auf Fleisch aus Deutschland haben. Zahlreichen Initiativen ist es zu verdanken, dass Verbraucherinnen und Verbraucher immer besser entscheiden können, welches Fleisch sie auf dem Teller haben wollen. Die Fleischindustrie tut aber auch gut daran, neue Wege zu gehen und sich Themen, wie etwa alternativen Proteinen zu widmen. Denn der Anteil an Vegetariern und so genannten Flexitariern in der Bevölkerung steigt.“

Rekordjahr für die Molkereiwirtschaft

Die Milchwirtschaft konnte ihren Jahresumsatz 2022 noch deutlicher steigern: Ein Plus von 7,2 Milliarden Euro bedeutet 37,8 Milliarden Umsatz im Jahr 2022. Im vierten Jahr in Folge stiegen die Umsätze. Ein Exportanteil von mehr als 13 Milliarden Euro (34,4 Prozent) markiert ebenfalls ein Rekordergebnis. Insgesamt sind 45.500 Mitarbeitenden in der Milchwirtschaft beschäftigt. „Die Auslandsnachfrage nach Milchprodukten ist im Vergleich zum außergewöhnlich guten Vorjahr noch einmal gestiegen – so stark wie selten zuvor“, sagt von Plettenberg: „Ein Drittel des Umsatzes erwirtschafteten die Betriebe im vergangenen Jahr im Ausland.“

Dynamische Entwicklung in der Landtechnik – Umsatzplus, aber Exportminus

Durchwachsenes Jahresergebnis in der Landtechnikbranche: Der Umsatz stieg im Vergleich zum vergangenen Jahr um 470 Millionen Euro und lag bei knapp 11 Milliarden Euro. Dafür sank die Exportquote um 1,1 Prozent – von 77,1 auf 76 Prozent. Die Mitarbeitendenzahl stieg um 2065 auf 43.540 Beschäftigte in 198 Betrieben (plus sechs Betriebe). Janze: „Aktuell ist im Bereich der Landtechnik ein Strategiewechsel zu beobachten – vor allem die Märkte in Nord- und Südamerika sind für die hiesigen Produzenten interessanter und wichtiger geworden.“

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