Pressemitteilung
15 Mai 2025  | Stuttgart, DE

Ausländische Investitionen in Deutschland sinken im siebten Jahr in Folge

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  • 2024 Rückgang der Zahl ausländischer Investitionsprojekte in Europa um fünf Prozent, in Deutschland sogar um 17 Prozent
  • Rückgang auch in Frankreich und Großbritannien – beide Länder bleiben im Ranking deutlich vor Deutschland
  • US-Unternehmen reduzieren Engagement: in Europa um 11 Prozent, in Deutschland um 27 Prozent – weiterer Rückgang erwartet
  • China wird größter Investor in Deutschland
  • Deutsche Unternehmen investieren verstärkt im europäischen Ausland: Anstieg der Investitionen in Osteuropa um 22 Prozent

Der Sinkflug bei ausländischen Direktinvestitionen in Deutschland hält an: Die Zahl der von ausländischen Unternehmen in Deutschland angekündigten Investitionsprojekte sank im Jahr 2024 im Vergleich zum Vorjahr um 17 Prozent auf 608 – und damit auf den niedrigsten Stand seit dem Jahr 2011. Das vergangene Jahr war das siebte Jahr in Folge mit einer rückläufigen Investitionstätigkeit ausländischer Unternehmen in Deutschland.

Europaweit wurden im vergangenen Jahr insgesamt 5.383 Investitionsprojekte ausländischer Investoren angekündigt, ein Rückgang um fünf Prozent. Spitzenreiter im Europa-Ranking bleibt Frankreich – trotz eines Rückgangs der Zahl der Investitionsprojekte um 14 Prozent auf 1.025. Großbritannien belegt den zweiten Platz im Ranking, die Zahl der Projekte sank um 13 Prozent auf 853. Unter den größeren europäischen Standorten verzeichneten im vergangenen Jahr nur Spanien und Polen deutliche Zuwächse – um 15 bzw. 13 Prozent.

Während sich immer weniger ausländische Unternehmen für Deutschland als Investitionsziel entscheiden, erwiesen sich Deutschlands Unternehmen im vergangenen Jahr erneut als aktive Investoren im europäischen Ausland: Die Zahl der Investitionsprojekte deutscher Unternehmen stieg um zwei Prozent auf 633 – nur US-Unternehmen führten mehr Projekte (942) durch. In Osteuropa sind deutsche Unternehmen sogar mit 214 Projekten – plus 22 Prozent gegenüber 2023 – die größten Investoren.

Das sind Ergebnisse einer Studie der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY zu Investitionsprojekten ausländischer Unternehmen in Europa. Für die Studie werden Investitionsprojekte erfasst, die zur Schaffung neuer Standorte und neuer Arbeitsplätze führen; Portfolio- und M&A-Investitionen werden hingegen nicht berücksichtigt.

Die kontinuierlich sinkende Zahl ausländischer Investitionsprojekte in Deutschland hält Henrik Ahlers, Vorsitzender der Geschäftsführung bei EY, für beunruhigend: „Das ist ein weiteres Alarmsignal für den Standort Deutschland. Wir werden abgehängt, andere europäische Standorte entwickeln sich deutlich besser. Der Rückgang bei den ausländischen Investitionen beschleunigt sich sogar.“

Seit dem Rekordjahr 2017 ist die Zahl der Investitionsprojekte in Deutschland kontinuierlich gesunken – insgesamt um 46 Prozent: Kein anderer größerer europäischer Standort hat einen derartig starken Rückgang verzeichnet. In Großbritannien ist das Investitionsaufkommen im gleichen Zeitraum trotz des zwischenzeitlichen Brexits „nur“ um 25 Prozent gesunken.

Aus Ahlers Sicht gibt es eine Vielzahl von Gründen für das schwache Abschneiden Deutschlands: „Deutschlands hat in den vergangenen Jahren massiv an Attraktivität verloren. Während andere europäische Länder ihre Hausaufgaben gemacht haben und beispielsweise die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung vorangetrieben und an ihrer Willkommenskultur für Unternehmen gearbeitet haben, verliert Deutschland an Boden. Es sind dieselben Themen, die seit Jahren beklagt werden: Die hohe Steuerbelastung, hohe Arbeitskosten, teure Energie und gleichzeitig eine lähmende Bürokratie. Dass Deutschland mit tiefgreifenden strukturellen Herausforderungen und nun auch mit einer nachhaltig schwächelnden Konjunktur zu kämpfen hat, schreckt ausländische Investoren zunehmend ab.“

US-Unternehmen investieren weniger in Europa – vor allem in Deutschland

Zuletzt hätten die USA mit dem „Inflation Reduction Act“ den Standortwettbewerb zudem weiter verschärft und die USA als Investitionsstandort gestärkt – offenbar auf Kosten europäischer Länder, sagt Ahlers. Aber der Inflation Reduction Act könne den starken Rückgang der US-Investitionen in Deutschland im vergangenen Jahr nur teilweise erklären, so Ahlers. „In anderen Ländern fiel das Minus bei den US-Investitionsprojekten deutlich weniger drastisch aus – unter den Top-Standorten Europas verzeichnete Deutschland den stärksten Einbruch.“ So sank die Zahl der US-Projekte in Europa insgesamt um elf Prozent, in Großbritannien nur um sieben Prozent, in Frankreich um elf Prozent – in Deutschland hingegen um 27 Prozent.

Eine Besserung der Lage sei vorerst nicht zu erwarten – im Gegenteil, so Ahlers: „Die aggressive und erratische Zollpolitik der US-Regierung hat zu einer massiven Verunsicherung bei Großunternehmen weltweit geführt, die angesichts der unklaren Rahmenbedingungen vorerst ihre Investitionspläne auf Eis legen.“

Standort Deutschland braucht Aufbruchstimmung

Ahlers betont die Bedeutung von Reformen in dieser Situation: „Die neue Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, den Standort Deutschland mit einem milliardenschweren Investitionspaket zu stärken und zudem die Bürokratie zu reduzieren. Beides ist wichtig und könnte im besten Fall die aktuelle Abwärtsspirale stoppen und wieder eine Aufbruchstimmung erzeugen. Dazu gehört aber auch, dass die Rahmenbedingungen in Deutschland wieder langfristig verlässlich werden – ein ständiges Hin und Her bei der Regulierung und den politischen Vorgaben überfordert die Unternehmen. Investitionen in eine verlässliche Verkehrs- und Energieinfrastruktur sind zudem zwar ein guter Anfang. Zu einer Verbesserung der Standortbedingungen gehören aber zwingend ein Bürokratieabbau, niedrigere Steuern und eine Beschleunigung von Genehmigungsverfahren.“ Die neue Bundesregierung habe diese Themen verstanden und im Koalitionsvertrag adressiert: „Hoffentlich wird sie zeitnah neue Impulse setzen können.“

Mittelfristig könne die aktuell sehr schwierige Situation auch eine Chance für Europa darstellen, sagt Ahlers: „Wir können zeigen, dass Europa der Fels in der Brandung ist, dass hier Berechenbarkeit, Planungssicherheit und Rechtstaatlichkeit großgeschrieben werden. Dafür müsste allerdings auch Europa seine Hausaufgaben machen und bei Politikfeldern wie dem Energiebinnenmarkt und der Finanzmarktunion endlich echte Fortschritte erzielen. Der Handlungsdruck ist jedenfalls enorm.“

China wird zum größten Investor in Deutschland

Während US-Konzerne ihr Engagement in Deutschland in den vergangenen Jahren deutlich reduziert haben, halten chinesische Unternehmen Deutschland die Treue: Die Zahl der Investitionsprojekte aus China sank zwar leicht von 99 auf 96, lag damit aber etwa auf dem Niveau der vergangenen fünf Jahre. Erstmals war China damit zudem der größte Investor in Deutschland – vor den USA mit 90 Projekten. Innerhalb Europas ist Deutschland zudem mit großem Abstand der bevorzugte Standort für chinesische Unternehmen: Von den 260 chinesischen Investitionsprojekten in Europa entfielen im vergangenen Jahr 96 – das sind 37 Prozent – auf Deutschland. Dahinter liegen Spanien (30 Projekte), Frankreich (27) und Großbritannien (22).

Deutsche Unternehmen verstärken ihr Engagement im Ausland – vor allem in Osteuropa

Die Zahl der Investitionsprojekte deutscher Unternehmen im europäischen Ausland stieg im vergangenen Jahr um zwei Prozent auf 633. Damit blieben deutsche Unternehmen die zweitwichtigsten Investoren in Europa – hinter den USA. In den Ländern Mittel- und Osteuropas, wo die Zahl deutscher Projekte um 22 Prozent stieg – stellen deutsche Unternehmen sogar vor den USA die wichtigste Investorengruppe dar.

Das Top-Investitionsziel deutscher Unternehmen ist aber nach wie vor das Nachbarland Frankreich: Mit 136 Investitionsprojekten ist Deutschland hinter den USA der zweitgrößte Investor in Frankreich – allerdings ließ das Interesse deutscher Unternehmen an Investitionen in Frankreich deutlich nach: die Zahl der Investitionen deutscher Unternehmen sank im vergangenen Jahr um 26 Prozent. Umgekehrt investieren französische Unternehmen sehr selten in Deutschland: Gerade einmal 22 Investitionsprojekte französischer Unternehmen in Deutschland wurden 2024 gezählt.

Hier können Sie die Studie kostenlos bestellen.

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EY im Überblick

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EY bietet sowohl großen als auch mittelständischen Unternehmen ein umfangreiches Portfolio von Dienstleistungen an: Wirtschaftsprüfung, Steuerberatung, Rechtsberatung, Strategy and Transactions, Consulting und Immobilienberatung.

*Der Name EY bezieht sich in diesem Profil auf alle deutschen Mitgliedsunternehmen von Ernst & Young Global Limited (EYG), einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach englischem Recht. Jedes EYG Mitgliedsunternehmen ist rechtlich selbstständig und unabhängig und haftet nicht für das Handeln und Unterlassen der jeweils anderen Mitgliedsunternehmen.

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