5 Minuten Lesezeit 18 August 2020
Das Bild zeigt einen Wohnblock.

„Früher oder später wird fast jeder eine persönliche Ladesäule benötigen“

Von Oliver Schweizer

Partner, Real Estate, Hospitality & Construction, EY Real Estate GmbH | Deutschland

Immobilien-Professional mit Schwerpunkt Transformation, Transaktion und Strategie; Freizeit bestimmt von der Familie mit zwei Söhnen; Hobbys: Skifahren, Architektur und Automobile.

5 Minuten Lesezeit 18 August 2020

Energie- und Wohnungswirtschaft werden künftig mehr zusammenarbeiten, sagt Rolf Buch, Vorstandsvorsitzender der Vonovia SE.

Die Sektoren müssen die Energiewende gemeinsam meistern, sagt Rolf Buch. Im Interview fordert der Vorstandsvorsitzende der Vonovia SE eine weniger strenge Regulierung in Bezug auf die dezentrale Energieversorgung und erklärt, welche Chancen sich durch die Klimaneutralität ganzer Straßenzüge und die Einbindung von Elektromobilität in den Wohnungsbau bieten.

Christian Schulz-Wulkow: Energie- und Wohnungswirtschaft werden in Zukunft deutlich mehr zusammenarbeiten. Wie könnte eine zunehmende Sektorenkonvergenz in diesen Bereichen aussehen?

Rolf Buch: Die Sektoren werden in jedem Fall stärker zusammenwachsen, denn unstrittig ist, dass wir möglichst klimaneutrale Gebäude brauchen. CO2-Emissionen lassen sich mit immobilientechnischen Maßnahmen allein jedoch bei Weitem nicht ausreichend minimieren. Im Neubau ist das noch möglich, im Bestand allerdings völlig ausgeschlossen – und der Bestand macht den allergrößten Teil der Immobilien aus. Mit Dämmungsmaßnahmen lässt sich zwar einiges erreichen, doch mit den heutigen Mitteln endet das bei der Energieeffizienzklasse B. Die Emissionen, die dann noch entstehen, müssen also regenerativ erzeugt werden. Das funktioniert nur, wenn man Strom- und Wärmeerzeugung zusammendenkt, wie es etwa bei der Fernwärme der Fall ist. An dieser Stelle wachsen die Geschäfte zusammen.

Erscheint es Ihnen sinnvoll, selbst zum Energieversorger zu werden? Sie haben schließlich den direkten Zugang zum Verbraucher.

Rolf Buch: Strom zu handeln, ist für uns kein sonderlich spannendes Geschäft. Deutlich zielführender ist die Strom- und Wärmeproduktion im eigenen Quartier, etwa beim sogenannten Mieterstrom. Das können Blockheizkraftwerke im Keller oder Solarzellen und Sonnenkollektoren auf dem Dach sein. Durch die aktuelle Regulierung sind dem jedoch Grenzen gesetzt, auch mit Blick auf die Rentabilität. Dieser einengende regulatorische Rahmen wird langfristig kaum aufrechterhalten werden können.

  • Zur Person: Rolf Buch, Rolf Buch, Vorstandsvorsitzender der Vonovia SE

    Rolf Buch wurde am 2. April 1965 in Weidenau (Siegen) geboren. Nach dem Studium der Maschinenbau- und Betriebswirtschaftslehre an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen begann er 1991 seine Karriere als Assistent der Geschäftsleitung bei der Bertelsmann Distribution GmbH in Gütersloh. 1996 stieg er zum Geschäftsführer der Bertelsmann Services France auf und wurde 2002 Mitglied des Vorstandes der arvato AG. 2008 wurde er zum Vorsitzenden des Vorstandes der arvato AG und zum Mitglied des Vorstandes der Bertelsmann SE & Co. KGaA berufen.

    Seit April 2013 ist Buch Vorsitzender des Vorstandes (CEO) der Vonovia SE. Er ist Mitglied des Präsidiums des Bundesverbands deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen GdW, Vizepräsident des Zentralen Immobilien Ausschusses ZIA und des Deutschen Verbands für Wohnungswesen und Städtebau sowie Chairman der European Public Real Estate Association EPRA in Brüssel. Mit seinem Amtsantritt führte Rolf Buch Vonovia an die Börse. 2015 erfolgte der Aufstieg in den deutschen Leitindex DAX. Rolf Buch ist verheiratet und hat zwei Kinder.

    Ein Porträtfoto von Rolf Buch

Sind Sie also selbst schon ein kleiner Energieversorger?

Rolf Buch: Wir setzen aktuell bei der Energieversorgung im Siedlungszusammenhang an – also dort, wo sich unsere Bestände über ganze Straßenzüge erstrecken. In Bochum haben wir ein Pilotprojekt gestartet: Wir verbauen dort sehr viele Sonnenkollektoren, betreiben Wärmepumpen, speichern Strom in Batterien sowie in Wasserstoff. So versuchen wir, ein optimales Konzept aus Strom- und Wärmeproduktion vor Ort für die Siedlungen zu finden, um diese energetisch möglichst autark aufzustellen.

Dort, wo der Siedlungszusammenhang nicht gegeben ist, schätzen wir die Zusammenarbeit mit der Energiewirtschaft. Das gilt auch für die vielen kleineren Wohnungsunternehmen, deren Bestände häufig nicht die kritische Masse für eine eigene Energieversorgung erreichen.

Kann das auch als Modell für andere Wohnungsunternehmen dienen?

Rolf Buch: Es kommt auf die Größe des Unternehmens an. Eine zentrale Herausforderung ist die Volatilität der regenerativen Energien und die dadurch benötigte Speicherfähigkeit. Zurzeit arbeiten wir sowohl mit Batterien als auch mit Wasserstoff, denn die Netze sind noch nicht für die benötigten Spitzenauslastungen ausgelegt. Daher müssen wir beispielsweise, wenn die Sonne scheint, möglichst viel Energie und Wärme dezentral vor Ort speichern, die das Quartier dann nachts abrufen kann. Dafür sind oft höhere Speicherkapazitäten notwendig, als sie ein mittelgroßes Stadtwerk vorhalten kann. Für die meisten kleineren Wohnungsunternehmen könnte das schwierig umzusetzen sein – hier bieten sich wohl eher Kooperationen mit dem jeweiligen Stadtwerk an.

Früher oder später wird fast jeder eine persönliche Ladesäule benötigen. Oder es muss wenigstens eine Ladesäule für jeden Haushalt vorhanden sein, besser noch eine zusätzliche weitere im Bürogebäude.
Rolf Buch
Vorstandsvorsitzender der Vonovia SE

Mit der Elektromobilität kommt eine weitere Variable hinzu, die bedacht werden muss.

Rolf Buch: Früher oder später wird fast jeder eine persönliche Ladesäule benötigen. Oder es muss wenigstens eine Ladesäule für jeden Haushalt vorhanden sein, besser noch eine zusätzliche weitere im Bürogebäude. Das stellt uns aus immobilienwirtschaftlicher Sicht vor immense Herausforderungen: Tiefgaragen zu versichern wird durch die massive Brandlast schier unmöglich. Im Bestand reichen die vorhandenen Kabel schlicht nicht aus. Also müssen ganze Gebäude aufgerissen und neu verkabelt werden – inklusive der Zuwege mit Gärten und Garagen. Das bedeutet enorme Kosten, die sich so schnell nicht amortisieren. Auch die Anschlüsse vom Netzversorger sind fast prohibitiv teuer.

Die Elektrifizierung des Verkehrs ist aus Ihrer Sicht also nicht wirtschaftlich?

Rolf Buch: Das Bild wandelt sich enorm, wenn die Energie im eigenen Quartier produziert wird. Das sich selbst mit Energie versorgende Quartier ergibt mit Elektromobilität sogar noch mehr Sinn. Denn mit bidirektionaler Ladung lassen sich Elektroautos ja auch als Energiespeicher verwenden. Und die wichtigste Triebfeder ist dabei nicht allein das Geld, sondern das Ziel des energieneutralen Gebäudes, auf das die Elektromobilität dann zusätzlich einzahlt. In einem übergeordneten Siedlungszusammenhang ist das also durchaus sinnvoll – auch und gerade aus immobilienwirtschaftlicher Sicht.

Gefährdet die aktuelle Regulierung durch die strengen Vorgaben Ihr Geschäftsmodell?

Rolf Buch: Alles, was in Europa regulatorisch passiert, wird eine Reduktion der CO2-Emissionen geradezu erzwingen. Die Regulatorik entfaltet einen enormen Druck. Bildlich gesprochen: Der Zug ist aus dem Bahnhof und es geht nur noch darum, wie wir die daraus folgenden Regeln und Ziele für 2030 und 2050 umsetzen. Wir haben uns bewusst dazu bekannt und sehen unser Geschäftsmodell dadurch nicht gefährdet. Im Gegenteil: Unsere Investoren, die ja teils selbst aus dem öffentlichen Bereich kommen, können und wollen sich davon selbst gar nicht freimachen und erwarten das so auch von uns.

Wenn Sie einen Wunsch an die Energiewirtschaft frei hätten, welcher wäre das?

Rolf Buch: Wir sollten uns alle gemeinsam an einen Tisch setzen und uns über ein Zielbild für die Welt nach der Energiewende verständigen. Also nicht das Feld verteilen, sondern erst einmal eruieren, wo wir überhaupt hinwollen. Aktuell befinden wir uns leider noch in einer Art Gefangenendilemma: Kurzfristige Probleme werden aus Einzelinteressen „weglobbyiert“ und erweisen sich als Bärendienst für größere wirtschaftliche Zusammenhänge. So ist die Problematik beim Mieterstrom aus meiner Sicht ein reines Lobbyproblem. Zudem sollten wir auch andere wichtige Sektoren mitnehmen. Geht es etwa um den Megatrend Digitalisierung, muss auch der Telekommunikationssektor eine wichtige Rolle spielen. Wenn wir uns auf ein gemeinsames Zielbild verständigt haben, dann erwachsen daraus die verschiedensten Modelle der Zusammenarbeit, die wir von Fall zu Fall gestalten und lösen können.

Fazit

Die Energie- und Wohnungswirtschaft werden in Zukunft deutlich mehr zusammenarbeiten, sagt Rolf Buch, Vorstandsvorsitzender der Vonovia SE. Grund dafür ist der erhöhte Bedarf an möglichst klimaneutralen Gebäuden. Damit die Klimaziele für 2030 und 2050 wie geplant umgesetzt werden können, müssen auch Megatrends wie Digitalisierung und Elektromobilität entsprechend berücksichtigt werden. 

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Von Oliver Schweizer

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