So ein Unternehmen gründet man ja nicht allein aus dem hehren Ziel, die Klima- und Wärmewende voranzutreiben, sondern man will damit Geld verdienen. Wenn sich das also anbietet, wieso machen das dann nicht schon viele andere?
Ich glaube, wir sind damit tatsächlich noch ein wenig vor der Zeit. Noch ist die Not nicht so groß. Aber die Welle solcher Investments wird in den kommenden Jahren reinrollen, wir sehen die Zeichen dafür aktuell schon bei einigen Stadtwerken. Wir haben die Eigenkapitalquoten der Stadtwerke strukturiert analysiert: Sie sind rückläufig. Zusätzlich muss man einfach sagen, dass durch die jüngsten Entwicklungen in der Ukraine die Herausforderungen noch größer geworden sind – besonders bei der Umsetzung der Wärmewende.
Die finanziellen Spielräume werden enger, aber wenn man an Finanzinvestoren und Kommunen denkt, ist man schnell bei den Sale-and-lease-back-Transaktionen vergangener Jahre, an die sich Kommunen teilweise ungern erinnern…
Fairerweise muss man das so sagen. Ende der 1990er, Anfang der 2000er wurde in Deutschland unter dem Stichwort Public Private Partnership (PPP) auch eine Menge Schindluder getrieben, woran man sich in einigen Kommunen sicherlich noch erinnert. Wir betreiben daher viel Aufklärungsarbeit, um zu zeigen, dass wir hier niemandem etwas wegkaufen wollen, sondern als langfristiger Partner an der Seite der Kommunen stehen möchten.
Wie wollen Sie hier verlorenes Vertrauen zurückgewinnen?
Ich weiß, dass es Stadtwerke gibt, die notwendige Infrastrukturinvestitionen nicht in der Geschwindigkeit umsetzen, wie es die technische Lebensdauer ihrer Assets erfordern würde. Diese Stadtwerke bauen also einen immer höheren Investitionsrückstau auf, dazu gibt es diverse Studien. Irgendwann müssen Kommunen sich also entscheiden: Verwalten sie weiter den Mangel und hoffen, dass ihre Infrastruktur noch ein paar Jahre länger hält – oder versuchen sie, sich strukturiert zu erneuern, um so auch regionale Wertschöpfung für Bürger und lokale Wirtschaft zu ermöglichen? Das geht dann teilweise nur, wenn man sich einen Investitionspartner mit ins Boot holt. Dafür profitiert man in den Folgejahren von effizienterer Infrastruktur und einer besseren kommunalen Wettbewerbsfähigkeit, z. B. durch großflächigen Glasfaserausbau – am Ende führt das auch zu höheren Steuereinnahmen.
Die PPP-Modelle der Vergangenheit krankten oft daran, viel zu komplex zu sein. Vor allem aber waren sie über angelsächsische Unternehmen und teure internationale Kanzleien abzuwickeln. So etwas wollen die Kommunen nicht wieder erleben – welche Schlüsse ziehen Sie also daraus?
Ich sage, das muss so einfach sein, dass ich das Geschäftsmodell und die Struktur jeder Person auf einem Bierdeckel erläutern kann. Bei einem Glasfaserausbauprojekt in der niedersächsischen Stadt Garbsen haben wir gerade gemeinsam eine GmbH gegründet. Das Stadtwerk hält 51, und wir 49 Prozent. Die Stadtwerke Garbsen behalten also das Lenkrad in der Hand; wir nehmen auf dem Beifahrersitz Platz, als Partner und Co-Finanzierer. Diese gemeinsame Gesellschaft baut das Glasfasernetz in der Stadt. Dazu gibt es dann einen langfristigen Pächter, in diesem Fall die Deutsche Telekom. Also was ganz Einfaches, was man sehr leicht durchrechnen kann.
Außerdem ist es etwas ganz anderes, wenn ich einer Kommune im Vertrauen sagen kann, dieses Geld kommt zum Beispiel von der Evangelischen Kirche, als wenn da eine amerikanische Private-Equity-Firma anrollt. Wir sind ein guter Partner für die Stadtwerke!
In welchen Bereichen brauchen die Kommunen denn Ihrer Meinung nach die Investoren, die hinter Ihnen stehen?
Zum Beispiel das Thema Wärme. Da gibt es ganz klare politische Rahmenfestlegungen, was das Thema CO2 und Kohleausstieg angeht. Wenn ich diese Vorgaben ernst nehme, wird es ab 2030 im Neubau zum Beispiel keine Erdgasverbrennung mehr geben. Aufgrund der aktuellen Ukrainekrise können wir davon ausgehen, dass dieser Zeitpunkt noch früher kommen wird. Was machen wir also dann, um zu heizen? Dann sehe ich verstärkt auf dem Land die Wärmepumpen und in der Stadt die stärkere Nutzung der Fernwärme. Fernwärmeleitungen durch die Stadt zu ziehen ist aber richtig teuer. Das hat es in der Dimension und der zeitlichen Enge so auch vorher nicht gegeben. Wärme wird in drei, vier Jahren der nächste große Hype sein – nach Glasfaser. Und da habe ich von Abwasser noch gar nicht gesprochen, das wird der Investitionsschwerpunkt, der danach einschlägt. Wenn man sich anschaut, was das kosten wird, dann wird man einen noch höheren Kapitalbedarf als bei Glasfaser feststellen. Große Teile dieser Infrastruktur wurden in den Boomjahren in den 60er- und 70er-Jahren verlegt und sind zeitnah abgängig. Der Wiederbeschaffungswert für das gesamte und in Teilen schon zwingend zu erneuernde deutsche Abwassernetz liegt bei mehr als 600 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Bei Glasfaser reden wir da „nur“ über eine Eigenkapitallücke von knapp 100 Milliarden – die inzwischen größtenteils geschlossen ist.
Ein Bereich, in den Sie mit Palladio Kommunal zurzeit private Investitionen lenken…
Ja, wir machen solche Projekte bereits mit Stadtwerken. Dabei sind wir nicht einfach Geldgeber, sondern unternehmerischer Partner. Wir kennen uns in dem Markt recht gut aus und bringen eigenes Know-how mit. Stadtwerke sind Experten im Bereich Tiefbau, Baustellenkoordination und in der Frage, wie es gelingen kann, möglichst schnell eine Stadt flächig mit Glasfaser zu erschließen. Sie wissen aber beispielsweise häufig nicht, was marktgängige Preise sind, die ein Telekommunikationsunternehmen für die Pacht eines Glasfasernetzes aufruft. Hier können wir als Partner an der Seite der Stadtwerke einen echten Mehrwert bringen. Auch das Wissen über die verschiedenen Modelle am Markt und bewährte und erprobte Vorgehensweisen bringen wir in die Kooperation mit der Kommune bzw. den Stadtwerken ein.
Sehen Sie sich damit eher als Ermöglicher oder als Beschleuniger der Transformation?
Als Beschleuniger. In Deutschland passiert ja schon einiges. Aber egal ob Erneuerbare, Wärme, Wasser, Straßen, Kindergärten oder Schulen – da gibt es kein Thema, das in ausreichender Geschwindigkeit durchgezogen wird. Die Gründe dafür sind vielfältig, aber teilweise liegt es an der nicht ausreichenden Kapitalausstattung, und das wollen und können wir ändern.
Mit welchen Renditeerwartungen gehen Sie denn in solche Projekte?
Die Renditeerwartungen unserer Kunden liegen im mittleren bis höheren einstelligen Bereich nach allen Kosten. Und um das mal in Relation zu setzen: Diese Renditen liegen niedriger als die Eigenkapitalrenditen, die viele Stadtwerke von ihren Anteilseignern als Ziel genannt bekommen, um ihre jährlichen Ausschüttungen leisten zu können. Das funktioniert aber nur mit einem gut strukturierten, konservativ berechneten und langläufigen Konzept. Unsere Investoren wollen nicht wie Private-Equity-Investoren nach ein paar Jahren einen schönen Schnitt machen und verkaufen, sondern sie möchten einen stabilen Cashflow erreichen, der sich über viele Jahre streckt – weil sie Altersvorsorgeverpflichtungen nachkommen müssen. Wir sitzen da auf derselben Seite des Tisches wie die Stadtwerke und verfolgen dieselben Interessen.
Kommen dafür alle üblichen Geschäftsfelder von Stadtwerken in Betracht?
Nein, wir müssen genau hinschauen. Wenn jetzt zum Beispiel ein Stadtwerkeunternehmen kommt und sagt, es möchte mit uns überregionalen Vertrieb machen oder den Bereich ÖPNV angehen oder Schwimmbäder … da muss ich leider absagen. Wir finanzieren nur die Art Infrastruktur, die sich langfristig trägt.
Welche Art Projekte setzen Sie denn um mit Stadtwerken?
In den letzten Monaten waren das zwei konkrete Projekte: einmal der Glasfaserausbau mit den Stadtwerken Neumünster in Schleswig-Holstein und ganz aktuell ein Kooperationsprojekt mit den Stadtwerken Garbsen und der Deutschen Telekom, wo wir gemeinsam das Glasfasernetz bauen. Die Telekom bringt die Vermarktungsstärke und Telekommunikationskompetenz mit, die Stadtwerke haben die Baukompetenz und die lokale Verankerung, und wir bringen das langfristige Kapital und unsere Erfahrungen aus anderen Glasfaserprojekten mit. Jeder bringt also seine Stärken ein. Dabei haben wir uns auf ein Modell über mindestens 20 Jahre Laufzeit verständigt. Ich glaube, das ist ein gutes Beispiel dafür, was wir in Zukunft immer häufiger in Deutschland beobachten werden.
Der Finanzierungsbedarf ist immens, Sie stoßen vermutlich in eine Marktlücke. Können Sie sich vor Anfragen überhaupt retten?
Wir sind gut ausgelastet zurzeit. Überrascht hat mich die sehr starke Nachfrage beim Glasfaserausbau, das sind momentan 90 Prozent der Anfragen bei uns. Dort ist also gerade die Not der Firmen am größten. Glasfasernetze müssen innerhalb weniger Jahre verlegt werden, wobei immens hohe Investitionssummen fließen.
Sind solche Konzepte auch im Ausland gefragt?
Da sind andere europäische Länder fortschrittlicher als wir Deutschen. Privates Kapital der Altersvorsorger für Infrastrukturinvestitionen zu nutzen ist dort viel verbreiteter. Das ist eigentlich verrückt: Wir haben im deutschen Altersvorsorgesystem das Problem, viel Kapital zu haben, ohne zu wissen, wo es angelegt werden soll – und auf der anderen Seite haben wir bei der Infrastruktur einen Riesenbedarf an Investitionen. Das sollte man schon rein volkswirtschaftlich zusammenbringen, indem man das deutsche Altersvorsorgekapital in die deutsche Infrastruktur einfließen lässt. Unsere europäischen Nachbarn machen das schon, warum gehen wir nicht den gleichen Weg?
Was bedeutet das denn langfristig? Was denken Sie, wem die Versorgungsinfrastrukturen in 20 Jahren gehören werden?
Immer noch mehrheitlich den Kommunen, hoffe ich. Das hat einen Mehrwert für uns als Gesellschaft. Aber es wird andere Modelle der Finanzierung geben, private Finanzierungen oder PPP-Fonds. Andere Länder machen es schon vor, und auch Deutschland wird nachziehen müssen.
Und wenn Sie einen Wunsch an die Politik äußern könnten, welcher wäre das?
Palladio Partners ist Gründungsmitglied der Initiative Deutsche Infrastruktur (IDI). Dahinter stehen Unternehmen, die deutsches Altersvorsorgekapital von mehr als 200 Milliarden Euro verwalten. Die IDI ist eine unabhängige Plattform, die sich für die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands durch Investitionen in essenzielle Infrastruktur engagiert.
Pragmatisch kann man sagen, dass wir eine Situation haben, in der das deutsche Altersvorsorgegeld, das nach sicheren Anlagen sucht, und die deutschen Kommunen und Länder, die ihre Infrastruktur erneuern müssen, noch nicht perfekt zueinandergefunden haben. Beide Seiten erkennen das Potenzial, aber leider stoßen wir momentan noch auf Zögerlichkeit und Zweifel. Da wünsche ich mir einfach, dass in den nächsten Jahren das Vertrauen wächst, wenn man sieht, dass beide Seiten ihr Wort halten.
Fazit
Palladio Kommunal ist ein junges Unternehmen, das sich auf kommunale Infrastrukturinvestments für institutionelle Investoren spezialisiert hat. Ob Erneuerung der Abwasserleitungen, Ausbau von Fernwärme oder Schaffung von Glasfasernetzen – der geschäftsführende Gesellschafter Timo Poppe sieht erhebliches Potenzial und erklärt im Interview, warum PPP-Infrastrukturinvestments auf einen Bierdeckel passen sollten, will man die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen.