4 Minuten Lesezeit 1 September 2020
Hand, welche aus der Vogelperspektive ein Auto vermeintlich zwischen den Fingern hält

Wie Divestments (nicht nur) in wirtschaftlich heiklen Zeiten helfen

Von Daniel Riegler

Leiter Sell and Separate, Strategy and Transactions | EMEIA

berät Konzerne beim Verkauf von Teilbereichen und Geschäftseinheiten. Er erholt sich am liebsten bei Aktivitäten mit seiner Frau und seinen drei Kindern oder beim Fliegenfischen in den Alpen.

4 Minuten Lesezeit 1 September 2020

Weitere Materialien

  • Divestments im schwierigen wirtschaftlichen Umfeld – Trends und Treiber für Deutschland, Schweiz und Österreich

Der Druck auf Unternehmen, sich von bestimmten Geschäftsfeldern zu trennen, steigt. Woran das liegt – und wie Unternehmen vorgehen sollten.

Divestments bzw. Divestitures – also Verkäufe von Unternehmen oder Unternehmensteilen an andere Unternehmen oder Finanzinvestoren im In- oder Ausland – haben in den letzten Jahren weltweit an Bedeutung gewonnen. Sie geben den verkaufenden Unternehmen die Möglichkeit, ihr Portfolio zu optimieren und sich auf ihr Kerngeschäft zu konzentrieren. Das spielt gerade in wirtschaftlich heiklen Zeiten eine große Rolle, da hierdurch strategische Weichenstellungen vorgenommen werden können, die neue unternehmerische Perspektiven eröffnen. Deshalb sind wir in der Studie „Divestments als Chance in der Krise“ der zentralen Frage nachgegangen, wie sich wirtschaftliche Auf- und Abschwünge sowie einschneidende Krisen auf das Transaktionsumfeld auswirken und was die wesentlichen Trends und Treiber für Divestments in Deutschland, der Schweiz und Österreich sind. Gerade vor dem Hintergrund der Corona-Krise hat diese Frage eine ganz besondere Bedeutung. Denn die Unternehmen können sich bereits jetzt auf mögliche Divestment-Abschlüsse in der kommenden Erholungsphase vorbereiten und damit wichtige Entscheidungen für ihr weiteres Wachstum vornehmen. 

Anstieg Desinvestment-Deals

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Mal so viele Divestment-Deals jährlich in der GSA-Region.

Beweggründe für Divestments

Die Motive für ein Divestment sind vielfältig. So können aus strategischer Sicht beispielsweise zu geringe Synergieeffekte oder die Entscheidung, sich aufs Kerngeschäft zu konzentrieren, zum Verkauf einer bestimmten Sparte bzw. Business-Unit führen. Aber auch die Notwendigkeit, neue Finanzierungsquellen für anstehende Investitionen zu erschließen, kann der Grund für ein Divestment sein. 

Die Motive für Divestments sind vielfältig. Immer bieten sie aber die Möglichkeit, das Portfolio zu optimieren. Das eröffnet gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten neue Wachstumschancen.
Daniel Riegler
Leiter Sell and Separate, Strategy and Transactions | EMEIA

Ferner ist die technologische Position relevant, die das (Tochter-)Unternehmen innerhalb einer Branche hat. Wenn es beispielsweise in seinem Markt kein Technologieführer ist, könnte dies der Grund für ein Divestment sein. In manchen Fällen fließen auch Risikoüberlegungen beim Divestment mit ein – etwa wenn durch eine Unternehmenseinheit das Risikoprofil des gesamten Unternehmens oder Konzerns überproportional steigt. Damit verbunden sind länderspezifische Risiken, zum Beispiel politische Instabilitäten, die ebenfalls ein Motiv für Divestment-Aktivitäten sein können.

Schließlich sind auch die globalen Wertschöpfungsketten und die Digitalisierung wesentliche Treiber für Divestments. Denn sie zwingen die Unternehmen dazu, sich weiter zu spezialisieren, um so signifikante Kosteneinsparungen und Effizienzgewinne zu erzielen und damit die eigene Wettbewerbsfähigkeit langfristig zu stärken. So unterschiedlich die Motive für Divestments auch sein können: Immer bieten sie die Möglichkeit, das Portfolio zu optimieren und wichtige strategische Weichenstellungen vorzunehmen. Das eröffnet gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten ganz neue Chancen.

Der permanent steigende Effizienzdruck der globalen Märkte führt ebenso in der EU wie auch in Deutschland, der Schweiz und in Österreich dazu, dass Divestment-Aktivitäten weiter zunehmen werden.
Daniel Riegler
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Steigende Divestment-Aktivität in der GSA-Region

Der permanent steigende Effizienzdruck führt ebenso in der EU wie auch in Deutschland, der Schweiz und Österreich dazu, dass die Divestment-Aktivitäten weiter zugenommen haben und auch zunehmen werden. Während sich im Jahr 2000 nur 80 Unternehmen für ein Divestment entschieden, waren es im Jahr 2018 bereits rund 900 Unternehmen. Dabei finden – in Relation zur Bevölkerungsgröße – Divestment-Aktivitäten wesentlich häufiger in der Schweiz als in Deutschland und Österreich statt. Dies dürfte zu einem ganz wesentlichen Teil am relativ stark ausgeprägten Kapitalmarkt des Alpenlandes und den vielen Konzernzentralen liegen, die ihren Sitz in der Schweiz haben. Während in Deutschland acht Divestment-Deals auf eine Million Einwohner entfielen, waren es in Österreich 8,8 und in der Schweiz 17,9.

Auf der Basis der statistischen Methoden und empirischen Daten, die der Studie „Divestments als Chance in der Krise“ zugrunde liegen, kann man davon ausgehen, dass es im Jahr 2025 mehr als 1.000 Divestment-Deals in Deutschland, der Schweiz und Österreich geben wird. Um diesen Trend optimal zu nutzen, sollten im Rahmen des strategischen Portfolio-Managements neben unternehmensspezifischen Faktoren insbesondere auch das konjunkturelle Umfeld, Akquisitionstrends und das allgemeine Umfeld der Unternehmensbewertung berücksichtigt werden.

Man kann davon ausgehen, dass es im Jahr 2025 mehr als 1.000 Divestment-Deals in Deutschland, der Schweiz und Österreich geben wird.
Daniel Riegler
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Der Großteil der Käufer von Divestments in der GSA-Region hat seinen globalen Unternehmenssitz in der GSA-Region selbst, der zweitgrößte Anteil entfällt auf die weiteren EU-Staaten. Auch in Nordamerika sind viele zukaufende Unternehmen ansässig. Entgegen der medialen Wahrnehmung entfällt nur ein sehr geringer Anteil auf China, auch wenn sich dieser in den vergangenen Jahren verdreifacht hat. Von einem einseitigen „Ausverkauf“ in einer bestimmten Region kann daher bislang nicht gesprochen werden.

Auch wenn sich ihr Anteil in den vergangenen Jahren verdreifacht hat, kommen – entgegen der medialen Wahrnehmung – in absoluten Zahlen nur wenige Käufer aus China. Von einem einseitigen Ausverkauf kann nicht gesprochen werden
Daniel Riegler
Leiter Sell and Separate, Strategy and Transactions | EMEIA

Schwache Konjunktur lässt Divestment- Zahlen steigen

Bislang ist man davon ausgegangen, dass steigende Aktienkurse und ein positives Bewertungsumfeld die Hauptursachen für ein Divestment sind. Die ökometrischen Analysen der Studie fügen dieser Annahme jedoch einen neuen und überraschenden Aspekt hinzu. Denn sie zeigen, dass es zugleich einen negativen Zusammenhang zwischen der wirtschaftlichen Entwicklung des Vorjahres und der Anzahl von Divestment-Deals gibt: Fällt die wirtschaftliche Entwicklung um einen Prozentpunkt geringer aus, so steigt die Zahl der Divestment-Deals im Folgejahr um 5,5 Prozent. Dieses Ergebnis ist unter dem Aspekt der Corona-Krise besonders spannend. Denn es zeigt, dass eine schwache gesamtwirtschaftliche Entwicklung im Allgemeinen und Krisen im Besonderen den Konsolidierungsdruck für die Unternehmen erhöhen und so die Anzahl der Transaktionen und damit der Divestment-Deals steigen lässt.

Die Unternehmen sollten die Chancen erkennen, die in der jetzigen Krise stecken und sich frühzeitig auf Ver- oder auch Zukäufe in der kommenden Erholungsphase vorbereiten.
Daniel Riegler
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Fazit

Divestment-Aktivitäten haben in den letzten Jahren weltweit an Bedeutung gewonnen. Sie geben den Unternehmen die Möglichkeit, ihr Portfolio zu optimieren und sich auf ihr Kerngeschäft zu konzentrieren. Das spielt gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten eine große Rolle. Denn hierdurch können sich die Unternehmen neu ausrichten und positionieren sowie neue Wachstumsperspektiven entwickeln.

Gerade vor dem Hintergrund der momentan rückläufigen Wirtschaft aufgrund der Corona-Krise sollten die Unternehmen jetzt die Chancen erkennen, die in der Krise stecken und sich frühzeitig auf mögliche Divestment-Abschlüsse in der kommenden Erholungsphase vorbereiten. Damit können sie bereits jetzt wichtige strategische Weichenstellungen für ihr weiteres Wachstum vornehmen.

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Von Daniel Riegler

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