4 Minuten Lesezeit 17 Mai 2022
Gepresste Plastikhaufen

Welche Herausforderungen die Verpackungssteuern mit sich bringen

Von Richard J. Albert

Partner, Indirect Tax, Global Trade, EY Tax GmbH Steuerberatungsgesellschaft | Deutschland

Ist engagierter Zollberater mit Blick für Lösungen, die rechtlich und wirtschaftlich funktionieren. Gemeinsam mit seiner Frau und seinen zwei Kindern lebt er in Leipzig.

4 Minuten Lesezeit 17 Mai 2022

Verpackungssteuern und -regulierung zwingen zum Aufbau eines entsprechenden Nachhaltigkeitsmanagements.

Ein neuer Steuertypus stellt Unternehmen vor neue Herausforderungen. In Europa werden in mehreren Ländern Steuern auf Plastikverpackungen eingeführt. Ob es sich um die Herstellung oder den Vertrieb von Plastikverpackungen oder verpackten Waren handelt, um Einfuhren aus Drittländern, B2B-Intra-EU-Lieferungen oder B2C-Versandhandel – alle Arten von Geschäftsvorfällen sind aus Sicht der Plastikverpackungssteuern zu prüfen. Dabei ist zu beachten, dass gleichzeitig auch die Bestimmungen der erweiterten Herstellerverantwortung gelten, die mittels nationaler Gesetzgebung umgesetzt sind.

Fehlende Informationen

Ihr Augenmerk sollten die Unternehmen nicht nur auf regulatorische Pflichten richten, wozu etwa Registrierungs- und Deklarationspflichten, Aufzeichnungspflichten und der in Zukunft geplante Ausweis von Steuermerkmalen auf Rechnungen gehören; auch die Identifikation und Behandlung von steuerpflichtigen bzw. steuerbefreiten Materialien weist Fallstricke auf, da die rechtlichen Bestimmungen nicht harmonisiert sind. Die größte Herausforderung für die meisten Unternehmen liegt jedoch in der Verfügbarkeit bzw. Qualität der zur Besteuerung erforderlichen Informationen (u. a. Gewicht der Plastikverpackungsmaterialien, prozentualer Anteil an recycelten vs. „Virgin plastic“-Bestandteilen). Es geht darüber hinaus um die kommerziellen Auswirkungen – zum Beispiel die Steuerkosten und deren Auswirkungen auf die Produktpreise – und den sich daraus ergebenden Anpassungsbedarf. 

Druck auf Geschäftspartner

Schwer nachvollziehbar ist für viele Unternehmen, dass die abzuführenden Steuern in einigen Branchen in einem deutlichen Missverhältnis zu den zu erwartenden laufenden Prozess- bzw. Implementierungskosten stehen. Manche Unternehmen ziehen daher in Betracht, Verpackungsmaterialien vollumfänglich als steuerpflichtiges „virgin plastic“ zu deklarieren, um damit zumindest den Aufwand zur Ermittlung und Pflege von Informationen zu Recyclinganteilen zu vermeiden. Hieraus können sich jedoch Limitierungen bei der Inanspruchnahme von Erstattungen bzw. Export-Credits ergeben. Einige Unternehmen ziehen (auch kurzfristig) in Betracht, das Geschäftsmodell bzw. die Transaktionsstruktur zu verändern, um die Abwicklung der Plastikverpackungssteuer so aufzustellen, dass die Geschäftsprozesse bzw. die Versorgung von Kunden möglichst effizient ablaufen. Das kann natürlich auch dadurch erreicht werden, dass Plastikverpackungsmaterialien durch andere, nicht steuerpflichtige Materialien ersetzt werden.

Cocktail Glas

© getty images / Ozgur Donmaz

Daten sind Gold

Die neuen Plastikverpackungssteuern sind für Unternehmen vor allem eine datenmäßige Herausforderung. Sie müssen die zur Besteuerung erforderlichen Angaben auf Artikel- und/oder Sendungsebene feststellen, mitteilen und aufzeichnen. Die wenigsten Unternehmen führen die erforderlichen Informationen in den Materiallisten, Stammdaten oder in den Produktmanagementdaten. Sie verfügen auch nicht über IT-Applikationen, die es mit geringem Anpassungsaufwand erlauben, diese Informationen aufzuzeichnen, zu verwalten und automatisiert gegenüber Kunden deklarieren zu können. Folglich besteht die eigentliche Herausforderung darin, die Informationen zu Plastikmengen bzw. zu Recyclinganteilen bei den Lieferanten einzuholen, diesen Workflow intelligent aufzusetzen, die Daten kontinuierlich zu managen und den Lieferanten die richtigen Informationen weiterzugeben.

Europäisches Plastikpuzzle

Neue Prozesse erforderlich

Die meisten Unternehmen müssen die Prozesse zum Thema Plastikverpackungssteuer neu aufbauen. Selbst bei einfach strukturierten Unternehmen sind mehrere Monate erforderlich, um die aktuellen Geschäftsvorfälle und Prozesse aufzunehmen, länderspezifisch die steuerlichen Handlungspflichten zu analysieren und darauf basierend (mit dem größtmöglichen Grad an Standardisierung über die verschiedenen Jurisdiktionen hinweg) die zukünftige plastikverpackungssteuerliche Organisation, Prozesse, IT, Risikomanagement etc. zu definieren, um schließlich in die Umsetzung, das Testing, die Dokumentation und die erforderlichen Abklärungen mit den Finanzbehörden zu gehen.

Alle gefordert

Die Vorbereitung auf die Plastikverpackungssteuern erfordert die Beteiligung vieler Funktionen im Unternehmen: Steuern, Zoll, Nachhaltigkeit, Recht, IT, Einkauf, Vertrieb, Logistik/Supply Chain usw. Die notwendige Abstimmung der Projekt- und Prozessverantwortlichkeiten ist nicht zu unterschätzen und zeitintensiv. Unternehmen sollten sich daher zügig auf die Plastiksteuer und die Verpackungsvorschriften vorbereiten.

Vorschriften in der EU und den Mitgliedstaaten

Die EU-Staaten müssen seit dem 1. Januar 2021 eine Abgabe von 0,80 Euro pro Kilo nicht recyceltem Plastikmüll an Brüssel abführen. Für das Jahr 2021 plante die EU-Kommission mit Einnahmen in Höhe von 5,7 Milliarden Euro (deutscher Anteil 1,4 Milliarden). Verpackungen und Plastikprodukte unterlagen schon vorher Regulierungen und Abgaben – sowohl auf EU-Ebene als auch national. Dänemark führte bereits 1977 eine Abgabe für Plastikverpackungen ein. Die baltischen Staaten folgten in den 1990er-Jahren mit Abgaben auf viele Verpackungen (z. B. Pappe, Papier, Metall, Glas, Plastik). Die EU-Plastik-Richtlinie (Single-Use Plastic Directive) aus dem Jahr 2019 erfasst 15 Einwegplastik-Produktkategorien. Darin enthalten ist das seit Juli 2021 geltende Verbot von Plastik-Einwegprodukten wie Wattestäbchen, Trinkhalmen und Besteck. Neue Kennzeichnungspflichten gelten u. a. für Getränke- und Speisenbehälter, Filter für Tabakwaren, Feuchttücher und Damenhygieneprodukte. In Deutschland wurden die Regularien mit der Novelle des Verpackungsgesetzes Mitte 2021 umgesetzt.

  • Maßnahmenbündel

    Weitere Maßnahmen umfassen Marktbeschränkungen, Konsumreduktionsziele, Design-, Sammel- und Kennzeichnungsvorschriften sowie Regelungen im Zusammenhang mit der erweiterten Herstellerverantwortung. Außerdem haben einige EU-Mitgliedstaaten eigenständige Rechtsakte zur Einführung von Verbrauchsteuern und Abgaben auf bestimmte Arten von Plastiktüten eingeführt, beispielsweise Schweden, Portugal und Griechenland. Wie die EU-Plastikabgabe sind diese Regelungen und Abgaben nicht unionsweit vollumfänglich harmonisiert. 

  • Koalitionsvertrag

    In Deutschland müssen Unternehmen die am 3. Juli 2021 in Kraft getretenen Änderungen im Verpackungsgesetz beachten. Dazu gehören neue Registrierungspflichten bei der Zentralen Stelle Verpackungsregister auch für Transport- und Serviceverpackungen oder ein Vertriebsverbot für Produkte mit nicht registrierten Verpackungsmaterialien. Eine bundesweite Plastiksteuer gibt es in Deutschland noch nicht. Die EU-Plastikabgabe wird derzeit aus dem Bundeshaushalt finanziert. Im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP findet sich die Vereinbarung: „Die im Rahmen der EU bereits bestehende Plastikabgabe wird wie in anderen europäischen Ländern auf die Hersteller und Inverkehrbringer umgelegt.“ Ob sich Deutschland zukünftig in Form einer Abgabe oder einer Plastikverpackungssteuer refinanziert, bleibt abzuwarten.

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Co-Autorin: Sabrina Klages

Plastikmüll

Die neuen Plastikverpackungssteuern

Es besteht dringender Handlungsbedarf für fast alle Unternehmen, die Verpackungen, bestimmte Verpackungsvorprodukte und mit Kunststoff verpackte Warensendungen herstellen, verkaufen, kaufen, ein- oder ausführen bzw. bestimmte Dienstleistungen erbringen.

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Fazit

Die umwelt- und unternehmenswertstiftende Perspektive der Erfassung aller Verpackungsmittel aufgrund der kommenden Steuern bzw. Abgaben ist der Aufbau eines umfassenden Datenbestands, der es den Nachhaltigkeits- und Strategiefunktionen im Unternehmen erlauben wird, strukturiert die Transformation hin zu weniger oder innovativeren Verpackungsmaterialien in Angriff zu nehmen.

Über diesen Artikel

Von Richard J. Albert

Partner, Indirect Tax, Global Trade, EY Tax GmbH Steuerberatungsgesellschaft | Deutschland

Ist engagierter Zollberater mit Blick für Lösungen, die rechtlich und wirtschaftlich funktionieren. Gemeinsam mit seiner Frau und seinen zwei Kindern lebt er in Leipzig.