Neue Prioritäten
Auch im Hinblick auf die effektive Nutzung der eigenen Kapazitäten wird in beinahe der Hälfte der Unternehmen festgestellt, dass sie sich zu wenig mit strategischen Aufgaben befassen oder befassen können. Die potenziell automatisierbaren Prozesse scheinen gegenwärtig noch zu viele Kapazitäten zu beanspruchen.

Umso mehr gilt: Je digitalisierter, repetitiver und umfangreicher die zu erledigenden Tätigkeiten sind, desto mehr Potenzial kann Automatisierung grundsätzlich heben. Die Studienergebnisse zeigen, dass die für Datensammlung, -normalisierung und -validierung verwendete Zeit für mehr als drei Viertel der befragten Unternehmen zu hoch ist. Weitere Chancen für Zeitersparnisse schlummern im Tax-Compliance-Management und in der Erstellung von Arbeitspapieren und Dokumentationen. Die Automatisierung dieser Tätigkeiten ist weitestgehend möglich.
Strategische Aufgaben
Ebenfalls interessant ist ein Blick auf die strategischen Aufgaben, insbesondere die Kommunikation mit Stakeholdern, Steuerplanung und Risikomanagement in abteilungsübergreifenden operativen Prozessen und Projekten. Für mehr als die Hälfte der Studienteilnehmer ist die für diese Aufgaben verwendete Zeit zu knapp bemessen. Hier können Computerprogramme die komplexen Aufgaben nicht ohne Weiteres übernehmen. Automatisierung setzt hier bei Teilbereichen an: Beschaffung von Informationen und Datengewinnung (vielfach große, komplexe Umfänge) und Integration in die weitere Unternehmensorganisation (z. B. Nutzung übergreifender Workflow-Systeme, Integration in Unternehmensfinanzsysteme, automatische Aktualisierung statt manuellen Neurechnens/Wiederholens mit neuen Eingangsdaten).

Weltweite Regulierung
Die Geschwindigkeit, mit der sich das regulatorische Umfeld verändert, hat sich in den letzten Jahren erhöht. Während sich die Welt von der Pandemie erholt, müssen sich die Steuer- und Finanzabteilungen damit auseinandersetzen, die Auswirkungen vorübergehender fiskalischer Maßnahmen rückgängig zu machen und zu einer längerfristig orientierten Planungsperspektive und Arbeitsweise zurückzukehren. Hinzu kommen die im Dezember 2021 mit den Model Rules von BEPS Pillar 2 verabschiedeten Regelungen zur Mindestbesteuerung von Unternehmen, die nach aktuellem Stand ab dem ersten Quartal 2023 gelten sollen. Dies übt einen immensen Druck auf die Steuerfunktion aus, zumal die globale Steuerreform mit einem Wandel auf nationaler Ebene einhergeht.
Jeder Staat wird nun einen Fahrplan für die nationale Umsetzung entwickeln. Dabei ist für zahlreiche Sachverhalte mit Sonderregeln zu rechnen, beispielsweise für transparente oder hybride Gesellschaften, für Betriebsstätten, Joint Ventures und spezielle Konzernstrukturen, für Erwerbe, Verkäufe und Reorganisationen oder für bestimmte Körperschaftsteuerregime. Abgesehen davon gibt es in den USA beispielsweise Vorschläge, den Körperschaftsteuersatz von 21 Prozent deutlich zu erhöhen. Im Vereinigten Königreich soll der Körperschaftsteuersatz im April 2023 für viele Unternehmen von 19 auf 25 Prozent steigen. Schließlich verschärfen viele Steuerverwaltungen ihre digitalen Anforderungen an Unternehmen. Auch wird erwartet, dass die Finanzverwaltungen Steuerrückstände schneller und mit größerem Vollstreckungsdruck eintreiben werden, um die öffentlichen Aufwendungen in der Pandemie auszugleichen.
Höhere Kosten
Es ist daher nicht verwunderlich, dass laut Studie 59 Prozent der Befragten von höheren Kosten für den Betrieb ihrer Steuer- und Finanzfunktionen ausgehen. 83 Prozent aller Unternehmen erwarten, dass sie in den nächsten fünf Jahren mindestens 5 Millionen US-Dollar und durchschnittlich 11,1 Millionen US-Dollar für die Einhaltung neu entstehender steuerrechtlicher Vorschriften ausgeben werden (bei Unternehmen mit einem Umsatz von 30 Milliarden US-Dollar oder mehr und durchschnittlichen Ausgaben von 13,2 Millionen US-Dollar steigt dieser Anteil auf 92 Prozent).

Die richtigen Daten und Technologien
Der Zugang zu aktuellen Daten durch zeitgemäße Technologien ist der Schlüssel, um die erforderliche Transparenz in der sich schnell verändernden globalen Steuerlandschaft herzustellen. Dies wurde vielen Unternehmen gerade während der Pandemie bewusst, als Steuer- und Finanzteams ohne Zugang zu lokal gespeicherten Dateien Schwierigkeiten hatten, grundlegende Compliance-Verpflichtungen wie das Einreichen von Steuererklärungen und die Bearbeitung von Prüfungsanfragen der Steuerbehörden zu erfüllen. 37 Prozent der Studienteilnehmer sind der Meinung, dass das Fehlen eines nachhaltigen Konzepts für Daten und Technologien das größte Hindernis für die Verwirklichung der Vision ihrer Steuer- und Finanzfunktion ist. Bei größeren Unternehmen mit einem Umsatz von über 30 Milliarden US-Dollar sind es sogar 50 Prozent.
Kosten
Technologiekosten können das Budget jedoch erheblich belasten. Im Durchschnitt gaben die Teilnehmer der Studie an, dass sie in den nächsten drei Jahren 4 Millionen US-Dollar in Steuertechnologien investieren werden. In der Zwischenzeit versuchen viele Unternehmen, ihre laufenden Kosten zu senken und haben gleichzeitig Schwierigkeiten, die erforderlichen technologischen Kapazitäten intern aufzubauen. Es ist daher nachvollziehbar, dass 56 Prozent der Befragten die Zusammenarbeit mit einem Anbieter bevorzugen, der über umfangreiche Fähigkeiten in den Bereichen Daten, Technologien und Shared-Service-Center verfügt; bei Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mehr als 30 Milliarden US-Dollar sind es sogar 68 Prozent.
Herausforderung IT-Landschaft
Unternehmen mit heterogener Systemlandschaft haben es schwerer bei der Automatisierung. Hier besteht die Herausforderung, Daten aus verschiedenen Quellen zu harmonisieren, um zu konsistenten Steuerarbeitsergebnissen zu kommen (z. B. Berechnungen, Erklärungen oder Kontrollen). Steuerliche Aufgaben oder Prozesse laufen nicht einmalig ab: Umsatzsteuerliche Ermittlung (Steuerkennzeichenfindung), Steuern im Jahresabschluss, Ertragsteuererklärungen und das Monitoring von Verrechnungspreisen erfordern stark unterschiedliche Sichten und Verarbeitungen des Datenbestandes zu unterschiedlichen Zeitpunkten. Diese hohe Anzahl steuerlicher Arbeitsergebnisse multipliziert sich bei mehreren ERPs nicht nur mit der Zahl der Jurisdiktionen, sondern auch mit derjenigen der Systeme.

Fahrplan
Unabhängig davon, ob die Systemlandschaft ein einheitliches oder multiple ERP-Systeme vorhält, stellt sich die Frage nach der richtigen Strategie und dem sinnvollsten Fahrplan.
- Für die Steuerberechnung auf Transaktionsebene, z. B. in der Umsatzsteuer, ist einzuschätzen, ob der Nutzen aus der Einführung einer zentralen Regeldatenbank für die Ermittlung wirklich die Kosten der Implementierung und Unterhaltung einer Lösung und deren Integration in diverse, individuelle Prozesse und Datenbestände in verschiedenen Systemen übersteigt. Oder ist es sinnvoller, individuelle, systeminterne Steuerermittlungen auf der Basis der im System verfügbaren Daten für steuerliche Entscheidungen durchzuführen?
- Für den Bereich der Deklaration ist derweil einzuschätzen, auf welcher Ebene Daten für die Erklärungserstellung tatsächlich berechnet werden müssen: Aggregiert als Prozessschritt relativ kurz vor der Erklärungsabgabe oder auf Detailebene, um standardisierte Kontrollen ausführen zu können? Es ist weiterhin einzuschätzen, ob eine systemintegrierte Umsetzung des Kontrollsystems ggf. ein besseres Ergebnis bringt, weil die Unterhaltung mehrerer in sich konsistenter Systeme kosteneffizienter ist als ein umfassendes, einheitliches steuerliches Kontrollsystem, das hohe Summen in der Konzeption, Implementierung und Unterhaltung beansprucht.
Fazit
Diese Fragen zu beantworten fällt erfahrungsgemäß umso leichter, je früher im Prozess die Datenbasis standardisiert und homogenisiert werden kann. Dadurch gesellt sich zur Sicherstellung grundlegender Compliance eine zentrale Aufgabe für die Steuerabteilung hinzu: verfügbare Daten frühestmöglich und geschickt nutzbar zu machen und in die steuerlichen Entscheidungsprozesse zu integrieren. Dies wird nur durch den Einsatz von Technologie möglich sein, sodass ein entsprechender Know-how-Aufbau unabdingbar ist.