3 Minuten Lesezeit 30 Oktober 2019
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Warum Erbschaftsteuerverschonung bei Immobilien komplexer wird

Von Tax & Law Magazine

Das Kundenmagazin von EY Deutschland zu aktuellen Steuer- und Rechtsthemen.

3 Minuten Lesezeit 30 Oktober 2019

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Ein Urteil des Bundesfinanzhofes erschüttert die Sichtweise der Finanzverwaltung. In der Praxis hält diese an ihrer alten Handhabung fest.

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit seiner Interpretation von „Wohnungsunternehmen“ eine der letzten Optionen zur Erbschaftsteuerverschonung für Immobilienvermögen nochmals deutlich eingeschränkt. Derzeit können Steuerpflichtige ausgerechnet auf die Unterstützung der Finanzverwaltung setzen. Jedoch sollten einige Besonderheiten beachtet werden.

Zwar gehören Immobilien, die ein Unternehmen Dritten zur Nutzung überlässt, erbschaftsteuerlich im Grundsatz zum nicht begünstigten Verwaltungsvermögen. Dieses sogenannte „schädliche“ Verwaltungsvermögen wird definitiv besteuert. Ausnahmsweise können Immobilien im Betriebsvermögen jedoch begünstigungsfähiges Vermögen i. S. d. § 13b ErbStG darstellen, wenn der Hauptzweck des Betriebs die Wohnungsvermietung ist und dies einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb erfordert.

Der Gesetzgeber begründet die Ausnahme insbesondere mit dem angespannten Wohnungsmarkt. Eine Veräußerung großer Wohnungsbestände durch Unternehmen allein zur Begleichung von Erbschaft- oder Schenkungsteuer könne den Wohnungsmarkt negativ beeinflussen und zu Mietsteigerungen führen. Allerdings hat der Bundesfinanzhof nun anders geurteilt, worauf das Bundesfinanzministerium mit einem Nichtanwendungserlass kontert. Betroffene müssen sich auf die neue Lage einstellen.

Übliche Handhabung

Die Finanzverwaltung orientiert sich grundsätzlich am koordinierten Ländererlass zur Erbschaftsteuer vom 22. Juni 2017. Darin werden für Wohnungsunternehmen konkrete Indizien aufgelistet, die für den geforderten wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb sprechen.

In der Praxis am bedeutsamsten ist die explizite Vermutungsregel, dass bei mehr als 300 eigenen Wohnungen ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb anzunehmen ist.

Neben dem Unterhalten eines Büros, einer Buchführung zur Gewinnermittlung und einer umfangreichen Organisationsstruktur prägen hiernach Werbung und ein öffentlichkeitswirksamer Außenauftritt einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb. In der Praxis am bedeutsamsten ist allerdings die explizite Vermutungsregel, dass bei mehr als 300 eigenen Wohnungen ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb anzunehmen ist.

Enge Auslegung durch den BFH

Der Bundesfinanzhof hat diese Sichtweise jedoch erschüttert (Urteil vom 24. Oktober 2017, II R 44/15). Immobilien einer Wohnungsvermietungsgesellschaft gehören nur zum begünstigten Vermögen, so die Münchner Richter, wenn die Gesellschaft neben der Vermietung Zusatzleistungen erbringt – und zwar solche, die über das bei langfristigen Vermietungen übliche Maß hinausgehen. Was heißt das konkret?

Mit der BFH-Auslegung werden typische Wohnungsunternehmen nicht mehr von dem für sie geschaffenen Verschonungstatbestand erfasst. Profitieren könnten allenfalls noch Wohnheime, betreutes Wohnen oder ähnliche Konzepte.

Betriebskostenabrechnungen, Säuberung von Gemeinschaftsräumen, Gestaltung und Pflege von Außenanlagen, Instandsetzung von Wohnungen sind danach Bestandteil einer üblichen Vermietung. Nur bei Sonderleistungen wie Reinigung vermieteter Wohnungen, Bewachung des Objekts, Überlassung von Bettwäsche, Einrichtung eines Aufenthaltsraums mit Fernseher und Hausmeisterservice entstehe ein Gewerbe. Mit dieser BFH-Auslegung werden typische Wohnungsunternehmen nicht mehr von dem für sie geschaffenen Verschonungstatbestand erfasst. Profitieren könnten allenfalls noch Wohnheime, betreutes Wohnen oder ähnliche Konzepte. Auf die Anzahl der vermieteten Wohnungen oder eine kaufmännische Einrichtung kommt es dagegen nicht an.

Nichtanwendungserlass und Richtlinien

Doch schon zwei Monate nach Veröffentlichung des BFH-Urteils präsentierten die obersten Finanzbehörden aller Bundesländer einen Nichtanwendungserlass, demzufolge unbefristet an der bisherigen Verwaltungspraxis festgehalten wird. Nun legt die Politik nach. Die neuen Erbschaftsteuer-Richtlinien 2019, denen der Bundesrat am 11. Oktober zustimmte, bestätigen die Handhabung der Verwaltung. Ausdrücklich soll weiterhin ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb anzunehmen sein, wenn das Unternehmen mehr als 300 eigene Wohnungen hält.

Praxisfolgen

Anteile an Gesellschaften mit vermieteten Wohnungen in mindestens dieser Anzahl können weiterhin steuerverschont übertragen werden, wenn die Anforderungen erfüllt sind. Aber auch für Wohnungsunternehmen mit weniger als 300 Einheiten eröffnet sich im Einzelfall die Chance, die Begünstigung in Anspruch zu nehmen.

In Zweifelsfällen ist es denkbar, dass sich bereits erstinstanzliche Gerichte an dem BFH-Urteil orientieren.

Gleichwohl empfiehlt es sich, vor Übertragungen oder einer Umsetzung von Gestaltungen bei der zuständigen Finanzbehörde eine verbindliche Auskunft einzuholen. Angesichts der höchstrichterlichen Entscheidung gilt dies mehr denn je. In Zweifelsfällen ist es denkbar, dass sich bereits erstinstanzliche Gerichte an dem BFH-Urteil orientieren.

Mehr Klarheit schaffen

Zur Klarheit beitragen würde es, wenn der Gesetzgeber die Vorschrift so präzisierte, dass die in der Gesetzesbegründung erkennbaren Beweggründe von der Rechtsprechung umgesetzt werden müssten. Interessant ist schließlich auch ein verfassungsrechtlicher Aspekt, den der BFH anklingen lässt: Eine Verschonung als unternehmerisches Vermögen davon abhängig zu machen, dass besonders viele Wohnungen existieren und somit ein erhebliches Vermögen vorhanden ist, könnte gegen den Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Grundgesetz verstoßen.

Autoren: Dr. Dominik Müller, Steffen Daldrup

Fazit

Die Erbschaftsteuer-Richtlinien 2019 bestätigen die bisherige Praxis, wonach bei mehr als 300 eigenen Wohnungen von einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb auszugehen ist. Anteile an Gesellschaften mit vermieteten Wohnungen in mindestens dieser Anzahl können weiterhin steuerverschont übertragen werden. Angesichts des Urteils des Bundesfinanzhofes empfiehlt es sich für Unternehmen dennoch, vor der Übertragung von Immobilienvermögen eine verbindliche Auskunft bei der zuständigen Finanzbehörde einzuholen.

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