Frau am Flughafen

Licht und Schatten: geplante Anpassungen im BMF-Schreiben zur Ansässigkeit und zum wirtschaftlichen Arbeitgeber

Das Bundesfinanzministerium (BMF) plant, sein Schreiben vom 12.12.2023 zur Besteuerung des Arbeitslohns nach den Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) zu aktualisieren. Auslöser sind insbesondere die Einführung von § 50d Abs. 15 EStG zur Besteuerung in der Freistellungsphase (Garden Leave), die aktuelle Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs sowie die Kritik aus Wirtschaft und Beraterkreisen. In diesem Beitrag konzentrieren wir uns insbesondere auf die Ansässigkeitsprüfung und die Ausstellung der Bescheinigung über die Kostentragung. Wir analysieren die wesentlichen Folgen für international mobile Beschäftigte und deren Arbeitgeber und geben Handlungsempfehlungen. Auf die Ergänzungen zur Besteuerung in der Freistellungsphase gehen wir in einem separaten Beitrag ein.

Zeitliche Rahmenbedingungen

Das geänderte Schreiben soll grundsätzlich ab dem 01.01.2025 anzuwenden sein. Außerdem kann die neue Fassung des Schreibens auf Antrag in allen offenen Fällen zugrunde gelegt werden, wenn dies mit den gesetzlichen Regelungen vereinbar ist. Die Verbände können bis zum 25.09.2025 zum Entwurf des Änderungsschreibens Stellung nehmen.

Großer Verwaltungsaufwand bei Ansässigkeitsprüfung

Die abkommensrechtliche Ansässigkeit spielt eine wesentliche Rolle bei der Zuordnung des Besteuerungsrechts, wenn in beiden DBA-Vertragsstaaten ein Wohnsitz besteht. Wenn in beiden DBA-Vertragsstaaten ein Wohnsitz besteht, ist hier der Mittelpunkt der Lebensinteressen entscheidend. Zumindest derzeit ist das noch der Regelfall. In den letzten Jahren hat sich die Finanzverwaltung jedoch gerade in diesem Bereich zunehmend von pragmatischen Ansätzen zu einer umfassenden, detaillierten Einzelfallprüfung hinbewegt. Arbeitgeber haben seitdem mit einem erhöhten Verwaltungsaufwand zu kämpfen. Zudem stehen dem Arbeitgeber aus Datenschutzgründen nicht sämtliche Informationen zur Verfügung, die von der Finanzverwaltung als maßgeblich betrachtet werden. Daher und wegen der unterschiedlichen Interpretations- und Gewichtungsmöglichkeiten wird dieser Mehraufwand allerdings nicht mit einer höheren Rechtssicherheit belohnt. Im Gegenteil. Die Finanzverwaltung hat sich nun in einem Teilbereich zu einer Vereinfachung durchgerungen.

Vereinfachungsregelung im Lohnsteuerabzugsverfahren

Arbeitgeber und Arbeitnehmer können für das Lohnsteuerabzugsverfahren eine Freistellungsbescheinigung (Lohnsteuerabzugsmerkmal, § 39 Abs. 4 Nr. 5 EStG) beantragen. In diesem Zusammenhang will die Finanzverwaltung es akzeptieren, wenn der Mittelpunkt der Lebensinteressen dort verortet wird, wo sich die Familie bzw. der Ehegatte in dem betreffenden Zeitraum überwiegend aufhält bzw. voraussichtlich aufhalten wird (neue Rn. 23a). Voraussetzung ist, dass die betreffende Person

  • verheiratet und nicht dauernd getrennt lebend ist,
  • in beiden Vertragsstaaten über eine ständige Wohnstätte verfügt und 
  • für mehr als drei Jahre entsandt wird.

Ausgeschlossen von der Regelung sind demnach Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Beziehungen ohne Trauschein (auch nicht bei einem gemeinsamen Wohnsitz im aufnehmenden Land) und Entsendungen von bis zu drei Jahren (die Mehrzahl der Entsendungen). Außerdem gilt diese Vereinfachungsregelung ausdrücklich nicht bei der Einkommensteuerveranlagung. In all diesen Fällen ist die regelmäßig kleinteilige und umfangreiche Analyse nach Rn. 14 bis 23 des BMF-Schreibens vom 12.12.2023 durchzuführen. 

Der Arbeitgeber muss die Anwendung der Vereinfachungsregelung mit dem betroffenen Arbeitnehmer abstimmen und dies im Lohnkonto dokumentieren. 

Ein belebter Bahnhof

Im Übrigen verweist das BMF auf Rn. 226, in der unter anderem die Haftung des Arbeitgebers für nicht abgeführte Lohnsteuer angesprochen wird. 


Doch führt die Vereinfachungsregelung tatsächlich zu einer Arbeitserleichterung? Aus unserer Sicht sind die folgenden Punkte problematisch:

  • Die Regelung gilt nur für einen sehr eng begrenzten Personenkreis. Die meisten Entsendungen haben eine Dauer von zwei bis drei Jahren und längst nicht alle entsandten Arbeitnehmer sind verheiratet.
  • Die Vereinfachung darf ausschließlich im Rahmen des Lohnsteuerabzugsverfahrens angewandt werden. Spätestens bei der Veranlagung verlangt die Finanzverwaltung eine detaillierte Einzelfallprüfung. Für Steuerpflichtige, beauftragte Steuerberater und das Veranlagungsfinanzamt ergibt sich keine Erleichterung.
  • Wenn sich die Beurteilung der Ansässigkeit im Rahmen der Veranlagung zur Einkommensteuer ändert, sind Nachzahlungen bzw. Erstattungen die Folge. Wenn – so wie in den meisten Fällen – der Arbeitgeber die Steuern trägt, ändert sich dadurch der Arbeitslohn im laufenden Jahr. Das bedeutet zusätzlichen Verwaltungsaufwand für alle Beteiligten und ggf. höhere Kosten, da auch für das Jahr nach dem Auslandseinsatz steuerliche Beratung (Erstellung der Steuererklärung, Berechnung der Tax Equalization) notwendig wird.

Regelmäßig keine Prüfung des wirtschaftlichen Interesses bei der Veranlagung

Für die Anwendung eines DBA ist nicht zwingend der rechtliche Arbeitgeber maßgeblich. Wenn der Arbeitnehmer in das aufnehmende Unternehmen integriert ist und es die Vergütung wirtschaftlich trägt oder hätte tragen müssen, gilt es als wirtschaftlicher Arbeitgeber. Der inländische wirtschaftliche Arbeitgeber laut Abkommensrecht ist (in den Fällen der Arbeitnehmerentsendung) ggf. auch zum Lohnsteuerabzug verpflichtet (Rn. 154, § 38 Abs. 1 Satz 2 EStG).

Welches Unternehmen die Kosten hätte tragen müssen, richtet sich insbesondere auch danach, ob die Entsendung im Interesse des entsendenden, des aufnehmenden oder beider Unternehmen liegt. Das BMF weist in Rn. 164 darauf hin, dass der Bescheinigung des Arbeitgebers über die an das aufnehmende Unternehmen weiterbelasteten Kosten Indizwirkung zukommt. Das heißt, grundsätzlich wird davon ausgegangen, dass die dort ausgewiesene Kostentragung auch der Interessenlage und damit dem Fremdvergleichsgrundsatz entspricht. 

Rn. 164 soll nun noch um den Hinweis ergänzt werden, dass eine umfassende Prüfung der Interessenlage nach den Rn. 160 bis 163 für die Einkommensteuerveranlagung des Arbeitnehmers regelmäßig nicht mehr erforderlich ist. Demnach wird die korrekte Kostenbelastung künftig (wieder) in der Regel nur auf Unternehmensebene geprüft.

Arbeitgeberbescheinigung zur Kostentragung

Bundeseinheitliches Muster

Laut BMF-Schreiben vom 12.12.2023 (Rn. 167) muss der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer bescheinigen, zu wie viel Prozent der Arbeitslohn und die sonstigen Lohnkosten an das ausländische Unternehmen weiterbelastet und damit von diesem getragen wurden. Bisher war unklar, wie detailliert diese Bescheinigung konkret sein muss. Künftig soll nun eine bundeseinheitliche „Arbeitgeberbescheinigung über die Kostentragung zur Vorlage beim Wohnsitzfinanzamt“ als Nachweis verwendet werden. Sie wird dem BMF-Schreiben als Anlage hinzugefügt. In der Bescheinigung ist insbesondere die prozentuale Aufteilung der gesamten Kosten aufzuführen, jedoch keine Auflistung von Einzelpositionen (Textziffer 4.1).

Bestätigung, dass prozentuale Aufteilung endgültig ist

Textziffer 4.1 enthält zudem die folgende Passage: „Die oben genannte Kostentragung ist wirtschaftlich endgültig. Die Kosten in dem oben beschriebenen Umfang wurden oder werden nicht ganz oder teilweise vom Kostenträger an verbundene Unternehmen weiterbelastet bzw. zurückbelastet.“

Der erste Satz könnte insbesondere in den Fällen problematisch werden, in denen bestimmte Kostenbestandteile im In- und andere im Ausland getragen werden und die Finanzverwaltung etwa im Rahmen einer Betriebsprüfung bei bestimmten Vergütungsbestandteilen eine andere Auffassung zu deren Ansatz (der Höhe oder dem Grunde nach) vertritt. Rückblickend wäre die Prozentangabe dann unrichtig. Es empfiehlt sich daher, gut zu dokumentieren, basierend auf welchen Informationen die Prozentzahl im Zeitpunkt der Ausstellung der Bescheinigung ermittelt wurde.

Anteiliger steuerpflichtiger Arbeitslohn

In der Vorlage wird unter anderem gefragt, in welcher Höhe die angegebenen Kosten nach innerstaatlichem Recht als Arbeitslohn zu behandeln sind (vor Zuweisung des Besteuerungsrechts laut DBA). Diese Anforderung ist nicht neu, denn sie wird schon in der jetzigen Fassung des Schreibens gestellt (Rn. 167). 

Person mit Koffer auf einer Rolltreppe

Hier ergibt sich das gleiche Problem wie bei der prozentualen Aufteilung, nur dass der Arbeitgeber nicht bestätigt, dass die Angabe endgültig ist.


Darüber hinaus ist der o. g. Betrag dem Arbeitgeber regelmäßig nicht bekannt. Bei Entsendungen können insoweit nur in den seltensten Fällen die Zahlen laut Lohnsteuerbescheinigung übernommen werden. Abgesehen von einer möglichen abweichenden Beurteilung der abkommensrechtlichen Ansässigkeit spielen hier noch andere Faktoren hinein. So sind im Ausland gewährte Sachbezüge häufig für die deutsche Lohnsteuer nicht relevant. Darüber hinaus sind sie nach deutschem Steuerrecht meist anders zu bewerten als nach dem des anderen Staates. Daher werden solche Vergütungsbestandteile üblicherweise erst bewertet, wenn die Einkommensteuererklärung erstellt wird. 

Das bedeutet, der Arbeitgeber muss diesen Wert von der beauftragten Steuerberatungsgesellschaft oder ggf. vom Mitarbeiter selbst erfragen. Zudem liegt dem Finanzamt bei der Veranlagung der Betrag vor. Aus unserer Sicht entsteht hier unnötiger Verwaltungsaufwand, da dieselbe Information doppelt angefordert wird. Es stellt sich die Frage, welchen Zweck die Finanzverwaltung mit dieser Angabe verfolgt.

Wann ist die Bescheinigung notwendig?

Schließlich soll Rn. 167 um den Hinweis ergänzt werden, dass die Bescheinigung insbesondere in den Fällen erforderlich ist, in denen im Zusammenhang mit der Zuweisung des Besteuerungsrechts zu prüfen ist, ob ein wirtschaftlicher Arbeitgeber vorliegt (Art. 15 Abs. 2 OECD-MA). 

Verwaltung berücksichtigt Urteil zur niederländischen 30-Prozent-Regelung 

Der Bundesfinanzhof hat in seinem Urteil vom 10.04.2025 entschieden, dass die Anwendung der niederländischen 30-Prozent-Regelung keinen Rückfall des Besteuerungsrechts nach Art. 22 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 DBA-Niederlande an Deutschland zur Folge hat (VI R 29/22). Denn der nach der Regelung steuerfrei ausgezahlte Teil der Vergütung gilt als in den Niederlanden besteuert. Die Finanzverwaltung wendet das Urteil an. Das Beispiel im BMF-Schreiben, in dem die Finanzverwaltung noch eine andere Auffassung vertritt, ist daher überholt (derzeitige Rn. 421). Es ist laut Entwurf ersatzlos zu streichen. Die Änderung soll für alle noch offenen Fälle gelten.

Fazit


Handlungsempfehlung 

Ansässigkeitsprüfung

Gerade bei Entsendungen aus Deutschland heraus in Verbindung mit kritischen Länderkombinationen empfiehlt es sich, den Wohnsitz in Deutschland aufzugeben. Damit befindet sich die Ansässigkeit in der Regel eindeutig im aufnehmenden Land. Wer Wohneigentum besitzt und nach dem Ende des Auslandseinsatzes auf jeden Fall wieder dort wohnen möchte, sollte über eine befristete Vermietung nachdenken. 

Möglicherweise nicht der einzige Wermutstropfen: Bei einer befristeten Vermietung wird das Finanzamt eventuelle Verluste nicht steuerlich anerkennen, wenn über die voraussichtliche Dauer der Vermietung kein Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten zu erwarten ist. Bevor die Entscheidung für die Wohnsitzaufgabe fällt, sollten eventuelle unerwünschte Konsequenzen in anderen Bereichen geprüft werden.

Die Wohnsitzaufgabe wird weiterhin häufig keine realistische Option sein. In diesen Fällen empfiehlt es sich, den Steuerberater, der die Einkommensteuererklärung erstellen wird, auch für den Lohnsteuerabzug den Mittelpunkt der Lebensinteressen bestimmen zu lassen. So lässt sich zumindest hier Doppelarbeit vermeiden und das Risiko von unterschiedlichen Beurteilungen der Ansässigkeit verringern. 

Bei der Frage, ob bzw. inwieweit die Vereinfachungsregelung für den begünstigten Teil der Arbeitnehmenden genutzt werden soll, sind die anfängliche Zeitersparnis sowie Haftungsrisiken bzw. der erhöhte Aufwand in späteren Veranlagungszeiträumen gegeneinander abzuwägen. Wenn wie oben vorgeschlagen der Steuerberater den Lebensmittelpunkt ermittelt, reduziert sich die Zeitersparnis insgesamt auf null und die Anwendung der Regelung bringt letztlich nur Nachteile.

Bestätigung der Kostentragung

Arbeitgeber sollten bereits jetzt klären, ob sie die geforderten Daten in der gewünschten Form bereitstellen können und gegebenenfalls ihre Prozesse auf Anpassungsbedarf prüfen. Hier empfiehlt es sich, zeitnah aktiv zu werden, da die Neuerungen bereits zum 01.01.2025 gelten sollen.


Autoren: Ursula Beste, Thore Schmitz, Heidi Schindler


Besteuerung des
Arbeitslohns nach Doppelbesteuerungsabkommen –
Änderung des Schreibens vom 12.12.2023

Die Finanzverwaltung hat ihre Auffassung zur Besteuerung international tätiger Beschäftigter verschärft. Unternehmen sollten sich auf bevorstehende Änderungen vorbereiten und klären, wie sie betroffen sind. Wir bieten Unterstützung bei der Umsetzung der neuen Regelungen.

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