Finanzausschuss erweitert Jahressteuergesetz 2024 deutlich

Mit insgesamt 59 Änderungsanträgen hat der Finanzausschuss des Bundestages am 16.10.2024 das Jahressteuergesetz 2024 (JStG 2024) umfassend ergänzt und zahlreiche Details geändert. Auf dieser Grundlage soll der Bundestag im Laufe des Nachmittags (18.10.2024) das Gesetz beschließen.

Am 16.10.2024 hat der Finanzausschuss des Bundestages das JStG 2024 abschließend beraten. Im Vergleich zum Regierungsentwurf vom 05.06.2024 (vgl. EY-Steuernachricht v. 13.06.2024) haben die Parlamentarier insbesondere zahlreiche Änderungswünsche des Bundesrats (vgl. EY-Steuernachricht v. 30.09.2024) berücksichtigt. Zu den wesentlichen Änderungen gehören u.a.:

  • Aufhebung der besonderen Verlustverrechnungsbeschränkungen bei Termingeschäften und Forderungsausfällen im Privatvermögen (§ 20 Abs. 6 Satz 5 und 6 EStG) für alle offenen Fälle. Zuletzt war der BFH in einer AdV-Entscheidung davon ausgegangen, dass § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG (besondere Verlustverrechnungsbeschränkung bei Termingeschäften) mit dem Gleichheitsgebot nach Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar ist (vgl. EY-Steuernachricht v. 27.06.2024).
  • Anpassung des Meldestandards zu Dividendenerträgen und gleichgestellten Kapitalerträgen nach Maßgabe des Abzugsteuerentlastungsmodernisierungsgesetzes (AbzStEntModG) an die Meldevorgaben des Anhang II der geplanten EU-FASTER-Richtlinie (vgl. EY-Steuernachricht v. 16.05.2024). Meldeinhalte und -verfahren sollen für betroffene grenzüberschreitende wie innerstaatliche Zahlungen langfristig vereinheitlicht und auch Zwischenverwahrstellen von den Haftungsregeln erfasst werden. Der Anwendungszeitpunkt des Meldeverfahrens nach § 45b, c EStG soll sich nochmals um ein Jahr auf den 01.01.2027 verschieben.
  • Aufnahme einer Übergangsregelung für die Anwendung von § 1 Abs. 3d AStG auf grenzüberschreitende Finanzierungsbeziehungen. Die Regelung des § 1 Abs. 3d AStG ist demnach nicht auf bis zum 31.12.2024 entstehende Aufwendungen anzuwenden, die auf Finanzierungsbeziehungen beruhen, die vor dem 01.01.2024 zivilrechtlich vereinbart wurden und deren tatsächliche Durchführung vor dem 01.01.2024 begonnen hat. Werden betroffene Finanzierungsbeziehungen nach dem 31.12.2023 und vor dem 01.01.2025 wesentlich geändert, ist § 1 Abs. 3d AStG nicht auf Aufwendungen anzuwenden, die vor der wesentlichen Änderung entstehen (§ 21 Abs. 1a Satz 2, 3 AStG).
  • Steueroasenabwehrgesetz: Die Regelung in § 8 StAbwG zum Verbot des Betriebsausgaben- und Werbungskostenabzugs wird um eine Ausnahmeregelung für Aufwendungen aus globalverwahrten Inhaberschuldverschreibungen und ähnlichen Schuldtiteln, die an einer anerkannten Börse handelbar sind, sowie aus Versicherungs- oder Rückversicherungsleistungen ergänzt. Die Neuregelung dient der Angleichung der Ausnahmeregelungen des § 8 StAbwG an die in § 10 StAbwG genannten vergleichbaren Ausnahmen und gilt ab dem 01.01.2025.
  • Keine Lohnsteuerpauschalierung für ein Mobilitätsbudget: Streichung der im Regierungsentwurf vorgesehenen Möglichkeit zur Pauschallohnbesteuerung der gelegentlichen Nutzung von außerdienstlichen Mobilitätsleistungen.
  • Verschärfung der sog. Körperschaftsklauseln nach § 6 Abs. 5 Satz 5 und 6 EStG sowie § 16 Abs. 3 Satz 4 EStG (Realteilung): Demnach soll es künftig zu einem Sperrfristverstoß gegen die Körperschaftsklauseln und damit zu einer Realisierung stiller Reserven kommen, soweit durch die Übertragung (oder im Fall des § 6 Abs. 5 Satz 6 EStG in den darauffolgenden sieben Jahren) der Anteil einer anderen Körperschaft an dem übertragenden Wirtschaftsgut unmittelbar oder mittelbar begründet wird oder dieser sich erhöht. D.h. ein Verstoß tritt unerheblich davon ein, inwieweit bereits vor der steuerneutralen Übertragung nach § 6 Abs. 5 Satz 3 oder § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG eine Körperschaft an dem übertragenen Wirtschaftsgut beteiligt war und insoweit kein Regimewechsel der stillen Reserven vom Einkommensteuer- in das Körperschaftsteuerregime stattfindet (Nichtanwendungsgesetzgebung zur BFH-Entscheidung v. 15.07.2021, IV R 36/18). Die Neuregelungen gelten erstmals für Übertragungen von Wirtschaftsgütern, die nach dem Tag des Gesetzesbeschlusses des Bundestages erfolgen.
  • Einfache gewerbesteuerliche Grundbesitzkürzung: Anstelle der bisher einheitswertbasierten Kürzung wird ab dem EZ 2025 auf die „im Erhebungszeitraum als Betriebsausgabe erfasste Grundsteuer für zum Betriebsvermögen des Unternehmers gehörenden Grundbesitz“ abgestellt (§ 9 Nr. 1 S. 1 GewStG).
  • Nachweis des geringeren gemeinen Wertes für Zwecke der Grundsteuer: Aufnahme  einer Nachweismöglichkeit in § 220 BewG (Reaktion auf die BFH-Beschlüsse zur Grundsteuer vom 27.05.2024, vgl. EY-Steuernachricht v. 08.07.2024).
  • Nachbehaltensfristen bei den Steuervergünstigungen nach §§ 5 und 6 GrEStG: Keine Verletzung laufender Nachbehaltensfristen für Übergänge nach § 5 Abs. 1 und 2 sowie § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG, die bis zum 31.12.2026 verwirklicht wurden, allein durch das Inkrafttreten des MoPeG (§ 23 Abs. 26 GrEStG). Die Regelung erfasst die bis zum Auslaufen der mit dem Kreditzweitmarktförderungsgesetz in § 24 GrEStG eingeführten befristeten MoPeG-Übergangsregelung (vgl. EY-Steuernachricht v. 13.12.2023) verwirklichten Übergänge. Sie werden nur dann verletzt, wenn und soweit sich der Anteil am Gesellschaftsvermögen (ggf. auch nach dem 31.12.2026) innerhalb der Nachbehaltensfrist vermindert.
  • Zeitliche Anwendung zur GrESt-Grundstückszurechnung: Die mit dem JStG 2024 neu eingeführte Regelung des § 1 Abs. 4a GrEStG für die Frage der Zurechnung von Grundstücken wird nun um eine spezielle Anwendungsregelung ergänzt. Die Neuregelung ist demnach erstmals auf Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 2a bis 3a GrEStG anzuwenden, die nach dem Tag der Verkündung des JStG 2024 verwirklicht werden. Bei der Anwendung des § 1 Abs. 4a GrEStG sind auch Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 1 und 2 GrEStG zu berücksichtigen, die vor dem Tag nach der Verkündung des JStG 2024 verwirklicht wurden (§ 23 Abs. 25 GrEStG).
  • Behandlung einer Verschmelzung nach §§ 11 ff. UmwStG beim Anteilseigner: Anders als im Regierungsentwurf vorgesehen (§ 13 Abs. 2 UmwStG-E), wird darauf verzichtet, den Ansatz beim Anteilseigner der Anteile an der übernehmenden Körperschaft mit dem Buchwert der Anteile an der übertragenden Körperschaft zum Regelfall zu machen. Ergänzt wird aber mit § 13 Abs. 2 Satz 2 UmwStG eine Frist für den Antrag auf Ansatz des Buchwerts (bislang war der Antrag auf Buchwertansatz nicht fristgebunden). Dieser ist künftig spätestens bis zur erstmaligen Abgabe der Steuererklärung bei dem für die Besteuerung des Anteilseigners zuständigen Finanzamt zu stellen.
  • Übergangsregelung zur Einführung der Wirtschaftsidentifikationsnummer nach § 139c AO: Bis zur erstmaligen Bereitstellung eines maschinellen Anfrageverfahrens (MAV) zur Wirtschafts-Identifikationsnummer reicht die Steuernummer zur Identifizierung des betroffenen wirtschaftlich Tätigen. Das MAV wird nach Auskunft der Finanzverwaltung voraussichtlich nicht vor 2026 bereitstehen.
  • Streichung der im Regierungsentwurf geplanten Umsatzsteuerbefreiung für die Verwaltung von Krediten und Kreditsicherheiten sowie der Ausweitung der Steuerbefreiung für bestimmte Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Ausübung von Sport (§ 4 Nr. 22 Buchst. c UStG-E). Die Umsatzsteuerbefreiung von Bildungsleistungen (§ 4 Nr. 21 UStG) wird im Vergleich zum Regierungsentwurf neu gefasst.
  • Vorsteuerabzug beim Leistungsbezug von einem Ist-Versteuerer (Umsetzung des EuGH-Urteils C-9/20, Grundstücksgemeinschaft Kollaustraße 136): Verschiebung des Anwendungszeitpunktes, nunmehr erst zum 01.01.2028 und nicht, wie ursprünglich geplant, zum 01.01.2026.
  • Einführung einer Wegzugsbesteuerung bei Investmentanteilen: Ein in § 19 InvStG neu eingeführter Absatz 3 führt eine Regelung vergleichbar zu § 6 AStG für Investmentanteile im Privatvermögen ein. Betroffen sind somit Investments (insbesondere intransparente Investmentfonds), bei denen der unbeschränkt steuerpflichtige Anleger unmittelbar oder mittelbar mindestens 1 Prozent der ausgegebenen Investmentanteile hält oder die Anschaffungskosten der Investmentanteile an dem Investmentfonds im Zeitpunkt der Veräußerung mindestens 500 000 Euro betragen. Die (zeitliche) Qualifizierung als unbeschränkt Steuerpflichtiger sowie der Zeitraum, in dem die 1-Prozent-Schwelle für die gehaltenen Investmentanteile relevant ist, folgt dabei dem Wortlaut des § 6 AStG bzw. § 17 EStG.  In § 49 Abs. 5 InvStG wird eine entsprechende Regelung ohne explizite Schwellenwerte für Anteile an Spezial-Investmentfonds, die in bestimmten Ausnahmefällen im Privatvermögen gehalten werden, eingeführt.  Die in § 6 AStG normierten Erleichterungen zur vorübergehenden Abwesenheit sowie Möglichkeit von Ratenzahlungen bzw. deren jeweiliger (anteiliger) Wegfall bei schädlichen Ereignissen sollen auch für die vorgenannten Investmentanteile gelten, wobei anstelle von schädlichen Gewinnausschüttungen oder Einlagenrückgewähr die für Investmentfonds speziellen Regelungen im Investmentsteuergesetzt zur Anwendung kommen. Die Regelungen sollen grundsätzlich erstmals für Fälle gelten, in denen die unbeschränkte Steuerpflicht des Anlegers nach dem 31.12.2024 endet bzw. die Investmentanteile nach diesem Datum unentgeltlich übertragen werden oder das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland ausgeschlossen oder beschränkt wird.
  • Im Mindeststeuergesetz wird die Mindeststeuergruppe um eine zusätzliche Variante erweitert, indem eine einzelne im Inland belegene steuerpflichtige Geschäftseinheit als Mindeststeuergruppe fingiert wird. Dadurch werden die technischen Anforderungen innerhalb der Finanzverwaltung umgesetzt.

Nach dem für den 18.10.2024 eingeplanten Gesetzesbeschluss des Bundestages soll der Bundesrat dem JStG 2024 dem Gesetz am 22.11.2024 zustimmen. Anders als beim Steuerfortentwicklungsgesetz gilt die Zustimmung der Länder zum JStG 2024 als wahrscheinlich.