45 Tage nach der Bundestagswahl haben CDU/CSU und SPD ihren Koalitionsvertrag vorgelegt. Das 146 Seiten starke Dokument geht dabei in seinem steuerpolitischen Teil an mehreren Stellen über das am 08.03.2025 veröffentlichte Sondierungspapier (vgl. EY-Steuernachricht vom 08.03.2025) hinaus.
Der im Sondierungspapier skizzierte Einstieg in eine Unternehmensteuerreform stellt sich im Koalitionsvertrag nun wie folgt dar: Für die Jahre 2025, 2026 und 2027 soll eine 30-prozentige degressive AfA für Ausrüstungsinvestitionen („Investitions-Booster“) gelten. Der Körperschaftsteuersatz soll ab dem 01.01.2028 in fünf Schritten um jeweils einen Prozentpunkt auf dann 10 Prozent sinken. Die degressive AfA und die Steuersatzsenkung sollen in einem Gesetzgebungsverfahren gemeinsam und offenbar noch im laufenden Jahr 2025 beschlossen werden. Darüber hinaus sollen das Optionsmodell (§ 1a KStG) und die Thesaurierungsbegünstigung (§ 34a EStG) wesentlich verbessert werden. Die angehende Koalition will prüfen, ob ab dem Jahr 2027 die gewerblichen Einkünfte neu gegründeter Unternehmen unabhängig von ihrer Rechtsform in den Geltungsbereich der Körperschaftsteuer fallen können.
Den Solidaritätszuschlag wollen die Koalitionäre unverändert bestehen lassen (zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vgl. EY-Steuernachricht vom 26.03.2025). Der Einkommensteuertarif soll zur Mitte der Legislaturperiode für kleine und mittlere Einkommen gesenkt werden. Aussagen zum künftigen Tarifverlauf oder zum Ausgleich der kalten Progression enthält der Koalitionsvertrag nicht.
Darüber hinaus enthält der Koalitionsvertrag folgende steuerpolitische Maßnahmen:
Unternehmensbesteuerung
- Anhebung des Gewerbesteuer-Mindesthebesatzes von 200 Prozent auf 280 Prozent und Ergreifung von administrativen Maßnahmen, um „Scheinsitzverlegungen in Gewerbesteuer-Oasen wirksam zu begegnen“.
- Ambivalent ist die Aussage zur globalen Mindeststeuer: Unter der Überschrift „Aussetzung Globale Mindeststeuer“ bekennt sich die Koalition zum Festhalten an der Mindeststeuer und zur Unterstützung der Arbeiten auf der internationalen Ebene für deren dauerhafte Vereinfachung. Daneben kündigt sie an, die Auswirkungen auf die globale Steuerarchitektur zu beobachten und sich dafür einzusetzen, dass keine Benachteiligung für deutsche Unternehmen im internationalen Wettbewerb resultiert.
- Einführung einer Sonderabschreibung für E-Fahrzeuge.
- Forschungszulage: Deutliche Anhebung von Fördersatz und Bemessungsgrundlage sowie Vereinfachung des Verfahrens.
- Anpassung des steuerlichen Rechtsrahmens für den steuerlichen Querverbund, um den Fortbestand der kommunalen Daseinsvorsorge dauerhaft zu sichern.
- Einsatz für eine einheitliche Bemessungsgrundlage für die Körperschaftsteuer in der EU.
Besteuerung natürlicher Personen
- Dienstwagenbesteuerung: Erhöhung der Bruttopreisgrenze bei der steuerlichen Förderung von E-Fahrzeugen auf 100.000 Euro.
- Erhöhung der Pendlerpauschale zum 01.01.2026 auf 38 Cent dauerhaft ab dem ersten Kilometer.
- Steuerfreiheit von Zuschlägen für Mehrarbeit. Als Referenzpunkt soll für tarifliche Regelungen eine Wochenarbeitszeit von 34 Stunden, für nicht tariflich festgelegte oder vereinbarte Arbeitszeiten 40 Stunden gelten.
- Steuerliche Begünstigung einer vom Arbeitgeber gezahlten Prämie für die Ausweitung der Arbeitszeit von Teilzeitbeschäftigten.
- Wer nach dem Erreichen des gesetzlichen Rentenalters freiwillig weiterarbeitet, soll sein Gehalt bis zu 2.000 Euro/Monat steuerfrei bekommen. Fehlanreize und Mitnahmeeffekte sollen vermieden und dazu u.a. die Nichtanwendung bei vorzeitigem Renteneintritt und die Anwendung des Progressionsvorbehalts geprüft werden.
- Schrittweise Verringerung der Schere zwischen der Entlastungswirkung der Kinderfreibeträge und dem Kindergeld.
- Weiterentwicklung des Alleinerziehenden-Entlastungsbetrags.
- Die Übungsleiterpauschale soll auf 3.300 Euro und die Ehrenamtspauschale auf 960 Euro steigen.
- Steuerliche Anreize für Gewerkschaftsmitglieder sollen eine Mitgliedschaft attraktiver machen.
Indirekte Steuern
- Dauerhafte Senkung des Mehrwertsteuersatzes auf Speisen in der Gastronomie auf 7 Prozent zum 01.01.2026.
- Umstellung der Erhebung der Einfuhrumsatzsteuer auf ein Verrechnungsmodell.
- Senkung der Stromsteuer für alle (und damit wohl für sämtliche Unternehmen wie auch für Privathaushalte) auf das europäische Mindestmaß und Reduzierung der Übertragungsnetzentgelte.
- Wiedereinführung der Agrardieselrückvergütung.
Bürokratieabbau
- Einsatz für Steuervereinfachung durch Typisierungen, Vereinfachungen und Pauschalierungen.
- Prüfung einer Arbeitstagepauschale, in der Werbungskosten für Arbeitnehmer zusammenfasst werden.
- Vereinfachung der Besteuerung der Rentner.
- So weit wie möglich Entlastung von Arbeitnehmern und Rentnern von Erklärungspflichten.
- Stärkung der Finanzverwaltung mit stärkerer Digitalisierung und künstlicher Intelligenz.
- Die digitale Abgabe von Steuererklärungen soll schrittweise verpflichtend gemacht werden. Für einfache Steuerfälle sukzessive Ausweitung der vorausgefüllten und automatisierten Steuererklärungen.
- Ziel ist, für Körperschaften und Personengesellschaften sukzessive auf die Selbstveranlagung umzustellen.
Sonstiges
- Unterstützung einer Finanztransaktionsteuer auf europäischer Ebene.
- Einsatz für eine einheitliche Tonnagesteuer für die Hochseeschifffahrt in der EU.
- Kfz-Steuerbefreiung für Elektroautos bis zum Jahr 2035.
- Reduzierung von luftverkehrsspezifischen Steuern, Gebühren und Abgaben und Rücknahme der Erhöhung der Luftverkehrsteuer.
- Gemeinnützigkeit: Anhebung der Freigrenze aus wirtschaftlichem Geschäftsbetrieb für gemeinnützige Vereine auf 50.000 Euro sowie Modernisierung des Katalogs der gemeinnützigen Zwecke und Vereinfachung des Gemeinnützigkeitsrecht. Gemeinnützige Organisationen mit Einnahmen bis 100.000 Euro sollen vom Erfordernis einer zeitnahen Mittelverwendung ausgenommen werden. Erzielen gemeinnützige Körperschaften aus wirtschaftlichen Tätigkeiten weniger als 50.000 Euro Einnahmen im Jahr, muss keine Sphärenaufteilung mehr erfolgen, ob diese Einnahmen aus einem Zweckbetrieb oder aus einem steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb stammen.
- Prüfung weiterer notwendiger gesetzlicher Maßnahmen zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung/-vermeidung.
- Bei der Evaluation der bestehenden Registrierkassenpflichten soll etwaig erkannten Defiziten Rechnung getragen werden.
- Einsatz für die konsequente Aufnahme unkooperativer Steuerhoheitsgebiete in die „Schwarze Liste“ der EU.
- Prüfung weiterer Maßnahmen zur Vermeidung etwaiger unberechtigter Vergünstigungen bei der Dividendenbesteuerung („Cum-Cum-Geschäfte“).
- Die Kosten für energetische Sanierungen ererbter Immobilien sollen künftig von der Steuer absetzbar sein.
- Ankündigung nicht näher spezifizierter steuerlicher Maßnahmen zur Förderung des Wohnungsbaus, zur Eigentumsbildung und zur Sanierung bestehenden Wohnraums.
- Einführung von steuerlichen Anreizen in der Filmförderung und für Games.
Über das Zustandekommen der Koalition entscheiden nunmehr ein kleiner Parteitag der CDU/CSU bzw. die Parteimitglieder der SPD. Stimmen sie zu, ist Anfang Mai 2025 mit der Wahl des neuen Bundeskanzlers und der Ernennung der Minister zu rechnen. Das Bundesministerium der Finanzen geht an die SPD. Erste steuerpolitische Ankündigungen aus dem Koalitionsvertrag könnte die Koalition im Laufe des Jahres umsetzen. Abzuwarten bleibt aber, ob insbesondere die geplanten Steuersenkungen, soweit sie Einfluss auf die Steuereinnahmen der Länder haben, auch eine Mehrheit im Bundesrat finden, in dem Union und SPD nicht über eine Mehrheit verfügen.