Die Umsetzung des aktuellen Entwurfs würde internen Untersuchungen eine klare Struktur geben und Anreize für Compliance-Bemühungen schaffen.
Es gab viel Kritik am Entwurf zum geplanten Verbandssanktionengesetz, den das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) im August 2019 vorstellte. Noch immer hoffen manche Beobachter, dass er mindestens angepasst oder seine Umsetzung möglicherweise sogar verhindert werden kann. Sie übersehen dabei, dass der Entwurf wichtige Anregungen enthält, das eigene Unternehmen zu stärken, Verfahren verlässlicher zu strukturieren und so den Wirtschaftsstandort Deutschland wettbewerbsfähiger aufzustellen.
Das BMJV hat die Kritik ernst genommen und den Entwurf überarbeitet. Der offizielle Entwurf des „Gesetzes zur Stärkung der Integrität in der Wirtschaft“ (Verbandssanktionengesetz-E, kurz: VerSanG-E) liegt inzwischen vor und wurde am 16.06.2020 von der Bundesregierung beschlossen. Die Ziele: Unternehmen sollen sanktioniert werden können, die Compliance soll gestärkt werden und es soll sichergestellt sein, dass „Wirtschaftskriminalität wirksam verfolgt und angemessen geahndet wird“. Die Anhörungsphase der Verbände endete am 12.06.2020, vermutlich beginnt das eigentliche Gesetzgebungsverfahren nach der Sommerpause des Parlaments, eine Verabschiedung Ende 2020 oder Anfang 2021 scheint realistisch.
Die Lücken in der bisherigen Rechtsprechung sind groß
Auslöser für die seit Langem andauernde Debatte sind – neben den bekannten Wirtschaftsstrafverfahren um Bilanzmanipulation und Korruptionsdelikte – die Skandale der jüngeren Vergangenheit. Spätestens die Korruptionsskandale in den 2000er-Jahren sowie einige Aufsehen erregende Vorgänge bei Großkonzernen und Banken in Deutschland haben in der breiten Öffentlichkeit eine Diskussion darüber ausgelöst, was die betroffenen Unternehmen hätten tun müssen, um solche Gesetzesverstöße zu verhindern. Das Bewusstsein für unternehmerisches Fehlverhalten wächst, die Erwartung an eine ethische Unternehmensführung steigt und der Ruf nach Instrumenten wird lauter, mit denen Unternehmen in solchen Fällen zur Verantwortung gezogen werden können.
Bisher sind die Möglichkeiten beschränkt: Auf Basis des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) kann ein Bußgeld von maximal zehn Millionen Euro verhängt werden, allerdings ergänzt um eine mögliche Gewinnabschöpfung, also den Einzug des durch den Betrug erzielten Ertrags. Bisher haben die verfolgenden Behörden großen Ermessensspielraum bei Ermittlung und Sanktionierung – und es gibt in Deutschland ein Gefälle bei der Verfolgung von Delikten und der Höhe des verhängten Bußgelds.
Verbandssanktionengesetz: Was sich für den Standort Deutschland ändert
Die internationale Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands wächst durch die Vereinheitlichung und die damit verbundene zusätzliche Rechtssicherheit. Auch die Annäherung an die in Großbritannien und den USA üblichen Vergleiche sorgt für größere Autonomie und eine Stärkung des Wirtschaftsstandorts.