3 Minuten Lesezeit 14 Februar 2020
Besucher auf der CES

Mobile Zukunft: Warum die Euphorie dem Realismus weicht

Von Constantin Gall

Managing Partner Strategy and Transactions

Hat jahrzehntelange Erfahrung in der Strategie- und Transaktionsberatung sowie in der Automobilbranche. Ist auch privat ein Autoenthusiast und geht gerne mit Familie und Freunden auf Reisen.

3 Minuten Lesezeit 14 Februar 2020

Lange war die CES in Las Vegas eine Messe der Visionen für Mobilität. Nun ist die Realität auch hier eingekehrt. Es geht um das Machbare.

Noch vor fünf Jahren hat sich die Autobranche großen Träumen hingegeben. Euphorisch wurden auf der Consumer Electronics Show (CES) in Las Vegas Visionen voll vernetzter Städte mit autonomen und elektrisch betriebenen Fahrzeugen gefeiert. Im Jahr 2015, hieß es damals, fahren wir alle autonom. Die grenzenlose Begeisterung ist bei der diesjährigen CES einem eher kleinlauten Realismus gewichen, der sich auch mit viel Bling-Bling und opulenten Shows nicht grenzenlos visionär anfühlt. 

Weg von großen Innovationen, hin zur Realität

Abgesehen von voll vernetzten Städteprojekten mit autonomen Fahrzeugen und nachhaltiger Energieversorgung, Flugtaxis oder einem Science-Fiction-Auto mit kompostierbarer Batterie ging es auf der CES in diesem Jahr vor allem um das schon heute Machbare.

Wenn die Kommunen ihre Infrastruktur für diese Mobilitätslösungen selektiv öffnen und den Anbietern Anreize geben, ließen sich viele Verkehrsprobleme beheben.

Viel Hardware war zu sehen: Zulieferer, aber auch die Schweizer Ideenschmiede Rinspeed, präsentierten Fahrwerkskonzepte, sogenannte Skateboards, die mit verschiedenen Aufbauten kombiniert werden können. Sie lassen sich schnell zu einem Shuttle-Bus, einer mobilen Arztpraxis, einem Bio-Tante-Emma-Laden oder einer Paketstation umrüsten. Zwar noch mit menschlichem Fahrer und nicht voll vernetzt, aber immerhin elektrisch betrieben, sind solche Ideen schon heute umsetzbar und in abgeschlossenen Zonen zum Teil auch schon autonom realisiert. Wenn die Kommunen aktiv werden und ihre Infrastruktur für diese Mobilitätslösungen bevorzugt öffnen, ließen sich viele Verkehrsprobleme in Metropolen, adressieren. Denn diese Modelle können zu einer deutlichen Reduktion des innerstädtischen Verkehrs beitragen. Ein Beispiel: Der Paketdienst kommt nicht mehr fünfmal am Tag in die gleiche Straße zur Auslieferung der Waren. Seine Aufgabe übernimmt die mobile Packstation in einem gewissen Zeitfenster.

Wenn das Fahrwerk aus dem 3-D-Drucker kommt

Mehr Evolution als Revolution gab es auch bei der Produktion mit 3-D-Druck zu sehen. Obgleich es durchaus beeindruckend ist, welch‘ komplexe Teile damit heute in kurzer Zeit und ohne den Zwang zu großen Stückzahlen herstellbar sind. Die individuelle Fertigung feiert vor allem in der Medizin Erfolge, etwa für Implantate, ist aber auch für Autohersteller interessant. So stammen viele Innen- und Außenteile des MetroSnap von Rinspeed – einem Fahrwerk mit austauschbaren Aufsätzen – aus dem 3-D-Drucker. Soviel steht fest: In puncto Gewicht und technische Spezifikationen ist das Potenzial dieser Fertigungstechnik noch längst nicht ausgeschöpft.

Wie realistisch sind voll vernetzte Städte wirklich?

Selbst in Sachen Software stand bei der CES das Machbare im Vordergrund: Sei es bei der Mensch-Maschine-Interaktion, also der Steuerung über Sensoren und Touchscreens, beim Thema Datensicherheit oder bei Softwareupdates im Auto. Auch wenn die Konzepte zu voll vernetzten Städten mit autonomen Taxis und wenig Individualverkehr auf viel Interesse stoßen, stellen sich viele die Frage, wie realistisch diese tatsächlich sind. Mag man das in China, Indien oder Japan noch rigoros mit neu konzipierten Städten auf der grünen Wiese angehen, ließe sich das in Köln, Freiburg oder Münster nur schwer umsetzen.

Es ist also Realismus in Sachen Mobilität eingekehrt. Bei den Autoherstellern und Zulieferern, aber auch bei den Technologieunternehmen und Start-ups, die angetreten sind, den alteingesessenen Branchenriesen das Fürchten zu lehren. Viele fragen sich angesichts der massiven Investitionen, die in die Zukunftstechnologien nötig sind, wie viel sich tatsächlich noch im Kerngeschäft verdienen lässt und wie viel Träumerei man sich angesichts der nüchternen Fakten erlauben kann.

Viele Autobauer und Zulieferer fragen sich, wie viel sie noch im Kerngeschäft verdienen und wie viel Träumerei sie sich erlauben können.

Vielleicht sickert auch langsam die Erkenntnis durch, dass uns das Auto in seiner bisherigen Form deutlich länger begleiten wird als zunächst erwartet – wahlweise auch befürchtet. Nicht nur, weil viele Menschen noch immer auf das Auto angewiesen sind. Für andere bedeutet Autofahren nicht nur, von A nach B zu kommen, sie fahren einfach gerne selbst. Sicher mag sich das mit der jungen Generation langsam ändern. Aber die Mobilität von morgen ist eher Evolution statt Revolution.

Fazit

Lange Zeit galt die CES in Las Vegas als Messe der Visionen für die Mobilität der Zukunft. Die Begeisterung für Smart Cities sowie autonomes und vernetztes Fahren war groß. Viele Ideen klangen nach Science-Fiction. Nun ist auch hier eine Spur Realität eingekehrt. Es geht darum, was in Sachen Hardware, Antriebskonzepte oder Reichweite machbar ist. Automobilhersteller und ihre Zulieferer fragen sich angesichts der enormen Investitionen, wie viel sie im Kerngeschäft noch verdienen und wie viel Träumerei sie sich leisten können.

Über diesen Artikel

Von Constantin Gall

Managing Partner Strategy and Transactions

Hat jahrzehntelange Erfahrung in der Strategie- und Transaktionsberatung sowie in der Automobilbranche. Ist auch privat ein Autoenthusiast und geht gerne mit Familie und Freunden auf Reisen.