5 Minuten Lesezeit 3 Juni 2019
Frau läuft über Hügel bei Kapstadt.

Warum finanzielles Wohlergehen in die Kundenstrategie von Banken gehört

Autoren
Dai Bedford

EY Global Banking & Capital Markets Advisory Leader

Transformation leader in Capital Markets. Talent developer. Family man. Welsh rugby fan.

Jan Bellens

EY Global Banking & Capital Markets Sector Leader

Passionate leader on innovation in financial services, especially in emerging markets. Global citizen. Keen traveler.

5 Minuten Lesezeit 3 Juni 2019

FinTechs bieten Kunden mehr Möglichkeiten, ihre finanzielle Gesundheit zu verwalten. Traditionelle Banken sollten diesem Beispiel folgen.

Was ist finanzielles Wohlergehen? Geht es nur darum, reich zu sein? Oder bedeutet es, über die nötigen Informationen und Fähigkeiten zu verfügen, um Geld zu verwalten, die Schutzkosten gering zu halten und in einer Weise zu investieren und zu sparen, die das allgemeine Wohlergehen fördert?

EY-Teams definieren finanzielles Wohlergehen als „die Fähigkeit, vertrauensvolle und fundierte Entscheidungen in Bezug auf Geld zu treffen, die sowohl kurz- als auch langfristig zu finanzieller Sicherheit führen“.

Bei dieser Art von finanziellem Wohlergehen geht es nicht nur darum, Lebensentscheidungen treffen und sie sich leisten zu können – wie den Kauf eines neuen Hauses, eine Heirat oder das Sparen für den Ruhestand. Es geht darum, Finanzen als Versorgungsmaßnahme zu betrachten – als Dienstleistung, die ständig zur Verfügung steht, um unser generelles Wohlergehen zu unterstützen. Dadurch vertrauen wir auf unsere Fähigkeit, Geld auszugeben, zu sparen und zu investieren und können uns voll und ganz auf unser Alltagsleben, unseren Beruf und die Gesellschaft insgesamt konzentrieren.

Letztendlich geht es um mehr als nur die Fähigkeit, Makro-Entscheidungen für Makro-Momente zu treffen, sondern auch darum, auf dem Weg dorthin Mikro-Entscheidungen für Mikro-Momente treffen und sich leisten zu können.

Bisher war es eine Frage der persönlichen Verantwortung und Umsicht, diese Art von finanziellem Wohlergehen zu erreichen. Doch jetzt, da die Digitalisierung Kundenerlebnisse in anderen Bereichen verbessert, ist es da nicht Zeit, auch von den Banken verbesserte Dienstleistungen und Möglichkeiten einzufordern?

Die sozialen Auswirkungen von finanziellem Stress

Langfristige finanzielle Belastungen wirken sich auf Glück und Produktivität aus – das wird gesellschaftlich zunehmend anerkannt. Die Auswirkungen zeigen sich auf vielen Ebenen:

  • Mentale Gesundheit: Geldsorgen sind real. Der Studie einer Bank aus dem Vereinigten Königreich zufolge sagen 63 Prozent der Erwachsenen, dass Geldprobleme die mentale Gesundheit einer Person aus ihrem Bekanntenkreis negativ beeinflusst haben. Von denen, die angaben, persönlich besorgt zu sein, berichteten 36 Prozent über Stimmungsschwankungen und 31 Prozent über Schlafstörungen.
  • Physische Gesundheit: Misserfolge bei der Finanzverwaltung können sich direkt auf das körperliche Wohlergehen auswirken – insbesondere bei Personen, die nicht krankenversichert sind. In den USA fand eine EY-Studie zum Thema Corporate Wellness heraus, dass 20 Prozent der Erwachsenen aufgrund von Geldsorgen keinen Arzttermin wahrnehmen.
  • Produktivitätsniveaus: Nach Untersuchungen von EY grübeln 30 Prozent der Mitarbeiter am Arbeitsplatz über ihre persönlichen Finanzen. 83 Prozent der Personaler sagen, dass sich diese Sorgen negativ auf die Leistung auswirken.
  • Soziales Engagement: Finanzielles Wohlergehen wirkt sich auch auf die Fähigkeit von Menschen aus, sich effektiv mit ihrem Umfeld auseinanderzusetzen. In einer Umfrage aus den USA gaben 87 Prozent derjenigen, deren finanzielles Wohlergehen eine positive Entwicklung nahm, an, dass ihre Beziehungen zu ihrem Partner oder engen Freunden stärker denn je seien; bei denjenigen, die ihr finanzielles Wohlergehen schlecht einschätzten, fiel der Wert auf 61 Prozent.

Die Rolle von Finanzinstituten in Bezug auf finanzielles Wohlergehen

Da FinTechs schnell wachsen, könnte man annehmen, dass ihr Erfolg auf ihrer Technologie beruhe – weshalb so viele traditionelle Banken zunehmend in Technologie oder Partnerschaften mit FinTechs investieren, um Schritt zu halten.

In den meisten Fällen ist ihr Wachstum jedoch darauf zurückzuführen, dass sie neue Wege finden, um Kundenbedürfnisse zu erfüllen – und nicht nur, um digitale Bankdienstleistungen wie Chatbots für den Kundenservice oder Kontoaktualisierungen auf Smartphones anzubieten.

Vielmehr steht hinter den Erwartungen vieler Bankkunden der Wunsch, Vertrauen in Finanzen zu haben. Der Wunsch nach einem schnelleren Zugang zu besseren Informationen durch digitale Tools – ein Wunsch, den die erfolgreichsten FinTechs erfolgreich erfüllt haben – besteht nicht nur darin, bessere Tools und Dienstleistungen zu wollen. Es geht vielmehr darum, ein Gefühl des finanziellen Wohlergehens zu entwickeln und zu erhalten.

Die Kundenbindung zu stärken ist in Zeiten, in denen Bankkunden öfter denn je den Anbieter wechseln, ein wirtschaftlich sinnvoller Schritt. Für Finanzinstitute dürfte sich die Erhöhung der Kundensicherheit als eine langfristige Einnahmequelle erweisen.

Das bedeutet, dass Banken, die das finanzielle Wohlergehen als Kernprinzip betrachten, zeigen müssen, wie ihre digitalen Produkte und Dienstleistungen nachhaltigen Mehrwert für ihre Kunden schaffen.

Finanzielles Wohlergehen als Geschäftsmodell für Banken

Finanzielles Wohlergehen ist ein Grundprinzip der weltweit ersten Verhaltensbank, der Discovery Bank in Südafrika. Die Bank ist in der Vitality-Plattform verankert, die Kunden mit finanziellen Anreizen dabei unterstützt, einen gesünderen Lebensstil zu entwickeln und zu pflegen – durch die Einbindung von körperlichem Wohlergehen in finanzielles Wohlergehen. So beinhaltet das Angebot von Discovery, an dessen Aufbau EY-Teams beteiligt waren, Vorteile von Vitality-Partnern – beispielsweise eine vollständige Rückerstattung des Mitgliedsbeitrags im Fitnessstudio.

Neben Prämien für verantwortungsbewusste Ausgaben, gesunde Ernährung und Bewegung möchte die reine Digitalbank den Kunden helfen, ihr Finanzverhalten zu verstehen und zu verbessern, um so einen höheren, langfristigen Wert zu erzielen.

Indem sie aufzeigt, wie Menschen von finanzieller Gesundheit profitieren können, stellt die Discovery Bank auf neue Art und Weise dar, wie ein Finanzinstitut und seine Kunden gegenseitig von einem größeren finanziellen Wohlergehen profitieren können.

Diese Lektion sollten auch andere Banken sorgfältig prüfen. Es gibt kein festes Regelwerk für die Implementierung reaktiver, engagierterer Banklösungen. Die folgenden Schritte können Banken helfen, Produkte und Lösungen anzubieten, die ihren Kunden wirklich helfen und ihre Geschäftstätigkeit ausweiten:

  1. Das Kundenerlebnis neu definieren: Es ist entscheidend, Kunden und ihre Bedürfnisse in den Mittelpunkt des Denkens zu stellen, um dauerhaft starke Lösungen zu entwickeln.
  2. Mobile First denken: Vom kontaktlosen Banking bis zum Kontozugang – Kunden erwarten, dass Produkte und Dienstleistungen jederzeit auf mobilen Endgeräten zur Verfügung stehen.
  3. Entwicklung einer Datenstrategie: Um Lösungen zu entwickeln, muss man wissen, welche Daten vorhanden sind, welche benötigt werden, welche Fragen die Daten beantworten sollen und wie die Antworten zu interpretieren sind. Die Zentralisierung existierender Datensätze ist dabei entscheidend.
  4. Die richtigen Technologieplattformen wählen: Wenn neue Dienste in operative Abläufe mit umfangreichen Legacy-Prozessen und -Assets eingebaut werden und alles einer behördlichen Kontrolle wie dem Bankwesen unterliegt, sollte man sich für die Auswahl der Plattformen und für die Entscheidung, wie sie genutzt werden sollen, unbedingt Zeit nehmen.

Um in einer Wettbewerbskultur, die neue Wege des Geldmanagements fördert, relevant zu bleiben, sollten sich Banken darauf konzentrieren, die persönlichen Bedürfnisse ihrer Kunden zu erfüllen.

Es reicht nicht mehr aus, nur Konten, Sparbücher oder Kredite anzubieten. Wenn wir möchten, dass Menschen finanziell besser betreut werden, sollten wir sie in einen digitalen Dialog einbinden. Darüber hinaus sollten Banken ihre Kunden aktiver dabei unterstützen, dauerhaftes finanzielles Wohlergehen zu erreichen. So können sie sich deren langfristige Loyalität sichern.

Co-Autor dieses Artikels ist Jay Pather,Partner Advisory Financial Services, Africa, India and Middle East bei EY.

Fazit

Finanzielles Wohlergehen – wie auch dessen Fehlen – kann Einfluss auf die körperliche und emotionale Gesundheit von Menschen und ihre Fähigkeit, sich mit ihrer Umgebung auseinanderzusetzen, haben. FinTechs und Challenger-Banken haben das finanzielle Wohlergehen in den Mittelpunkt ihrer Produktentwicklung und Interaktion mit den Kunden gestellt. Die Discovery Bank hat finanzielles Wohlergehen zum Kernprinzip erklärt und das traditionelle Bankgeschäftsmodell umgestaltet, indem sie Produkte und Dienstleistungen entwickelt hat, die das Vertrauen der Kunden in ihre persönliche finanzielle Gesundheit und Zukunft stärken.

Über diesen Artikel

Autoren
Dai Bedford

EY Global Banking & Capital Markets Advisory Leader

Transformation leader in Capital Markets. Talent developer. Family man. Welsh rugby fan.

Jan Bellens

EY Global Banking & Capital Markets Sector Leader

Passionate leader on innovation in financial services, especially in emerging markets. Global citizen. Keen traveler.