5 Minuten Lesezeit 27 März 2020
Coronavirus Karte Deutschland

COVID-19: Welche Gesetzespakete die Folgen des Virus abfedern sollen

Von Hermann Ottmar Gauß

Partner, Head of Public Policy, Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft | Deutschland

Besetzt die Schnittstelle zwischen Wirtschaft und Politik; fördert den Austausch für eine strategische Ordnungspolitik und eine zukunftsfähige Wirtschaft.

5 Minuten Lesezeit 27 März 2020

Kredite, Garantien, Gesetzesänderungen – die Bundesregierung bringt eilig Maßnahmen auf den Weg, um die Coronavirus-Krise einzudämmen.

Die rasante Ausbreitung des Coronavirus fordert ebenso rasante Reaktionen der Bundesregierung. Die angeschlagene deutsche Wirtschaft benötigt dringend Hilfe, um die absehbare Rezession infolge der COVID-19-Pandemie abzufedern. 122,8 Mrd. Euro lässt sich die Bundesregierung laut dem von Bundestag und Bundesrat beschlossenen Nachtragshaushalt für 2020 die helfenden Maßnahmen kosten. Zur Finanzierung müssen hierfür voraussichtlich Neukredite im Volumen von 156 Mrd. Euro aufgenommen werden, da das Bundesfinanzministerium (BMF) für das laufende Jahr mit um 33,5 Mrd. Euro geringeren Steuereinnahmen rechnet. Die nach der Schuldenbremse im Normalfall zulässige Obergrenze wird hierdurch um ca. 100 Mrd. Euro überschritten, was in einer außergewöhnlichen Notsituation verfassungsrechtlich möglich ist.

Corona-Schulden im Nachtragshaushalt

122,8 Mrd. €

kosten die vom Bundestag beschlossenen Corona-Hilfsprogramme.

Die für Unternehmen wesentlichen Teile des Corona-Pakets stellen sich wie folgt dar:

COVID-19: Milliarden-Schutzschirm für Betriebe und Unternehmen

Die Bundesregierung hat am 13.03.2020 einen Schutzschirm für Betriebe und Unternehmen aufgelegt, unter welchem Finanzierungshilfen in Milliardenhöhe über bestehende und neue Programme der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) an Unternehmen ausgegeben werden sollen. Die Europäische Kommission hat dazu die Regelungen zur angekündigten Ausweitung der KfW-Sonderprogramme aus beihilferechtlicher Sicht genehmigt. Darüber hinaus wurde die KfW ermächtigt, verbindliche Vorzusagen zu geben, auf deren Grundlage die Hausbanken bereits Vorfinanzierungen zur Verfügung stellen können.

Wirtschaftsstabilisierungsfondsgesetz

Der Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) ergänzt die KfW-Sonderprogramme und dient der Stabilisierung von großen Unternehmen der Realwirtschaft, um Arbeitsplätze, Lieferketten und Wertschöpfung zu sichern. Der WSF kann großen, systemrelevanten Unternehmen Eigenkapital durch Erwerb von Beteiligungen zuführen oder auch bei Rekapitalisierungsmaßnahmen mittels stiller Beteiligungen oder nachrangiger Schuldverschreibungen unterstützen sowie bis zum 31.12.2021 begebene Schuldtitel oder begründete Verbindlichkeiten übernehmen.

Die Stabilisierungsmaßnahmen haben ein Gesamtvolumen von 600 Mrd. Euro. Sie umfassen:

  • einen Garantierahmen, um Unternehmen die Refinanzierung am Kapitalmarkt zu erleichtern (400 Mrd. Euro),
  • Kreditermächtigungen für Rekapitalisierungsmaßnahmen (100 Mrd. Euro),
  • Kreditermächtigungen zur Refinanzierung des Durchleitungsgeschäfts der KfW für die ihr durch die Bundesregierung zugewiesenen Sonderprogramme (100 Mrd. Euro).

Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht

Ein Gesetzentwurf des Bundesministeriums für Justiz und Verbraucherschutz (BMJV) enthält die bereits erwartete Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bis zum 30.09.2020, wenn die Insolvenzreife auf den Folgen der COVID-19-Pandemie beruht. Ein weiterer Bestandteil ist ein zivilrechtliches Leistungsverweigerungsrecht (Moratorium) zugunsten von Verbrauchern und Kleinstunternehmen gegenüber (Zahlungs-)Ansprüchen aus bestimmten Dauerschuldverhältnissen (mit Ausnahme von Miet-, Pacht-, Darlehens- und Arbeitsverträgen), die vor dem 08.03.2020 begründet wurden und derzeit wegen der Folgen der Corona-Krise nicht oder nur unter Gefährdung des Lebensunterhalts bzw. der wirtschaftlichen Existenz erfüllt werden können.

Im gleichen Zuge wird das Kündigungsrecht bei Miet- und Pachtrückständen im Zeitraum vom 01.04.2020 bis 30.06.2020 ausgeschlossen, sofern die Nichtleistung auf den Auswirkungen der Corona-Krise beruht. Zunächst beschränkt auf Verbraucherdarlehensverträge, die vor dem 15.03.2020 abgeschlossen wurden, wird eine gesetzliche Stundungsregelung nebst Kündigungsschutz eingeführt.

Außerdem finden sich in dem Entwurf gesellschaftsrechtliche Erleichterungen u. a. für die Durchführung von Hauptversammlungen und Mitgliederversammlungen. Diese betreffen Gesellschaften in den Rechtsformen Aktiengesellschaft (AG), Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) und Europäische Gesellschaft (SE) sowie Genossenschaften und Vereine. Insbesondere wird erstmals die Durchführung einer virtuellen Hauptversammlung ohne physische Präsenz ermöglicht.

Ein Punkt mit hoher steuerlicher Relevanz ist zudem die Möglichkeit, abweichend von § 17 Abs. 2 Satz 4 UmwG die für den jeweiligen Umwandlungsvorgang maßgebliche Bilanz auf einen Stichtag bis zu zwölf Monate vor Anmeldung zur Eintragung ins Handelsregister aufzustellen. Über § 2 UmwStG tritt hierfür in Fällen, in denen das UmwStG keine speziellere Regelung vorsieht, automatisch eine steuerliche Rückwirkung um zwölf Monate ein. Dies ist im Ergebnis jedoch nur für Verschmelzungen, Aufspaltungen und Abspaltungen von Kapitalgesellschaften der Fall. Für Ausgliederungen und Formwechsel von Kapitalgesellschaften, Umwandlungen von Personengesellschaften sowie sonstige Einbringungsfälle bleibt es durch die explizite Regelung in den §§ 9 und 20 Abs. 6 UmwStG bei einer achtmonatigen Rückwirkung, sofern an dieser Stelle nicht im weiteren Gesetzgebungsverlauf angeglichen wird.

Soforthilfe für Kleinstunternehmen und Solo-Selbständige

Für Kleinstunternehmen aus allen Wirtschaftsbereichen sowie Solo-Selbständige und Angehörige der Freien Berufe werden finanzielle Soforthilfen gewährt. Diese bestehen in steuerbaren Zuschüssen, die im Wege einer Einmalzahlung für einen Zeitraum von drei Monaten gewährt werden, wenn wirtschaftliche Schwierigkeiten in Folge der Corona-Krise – das heißt Schadenseintritt nach dem 11.03.2020 und keine wirtschaftlichen Schwierigkeiten vor März 2020 – eingetreten sind.

  • bei bis zu fünf Beschäftigten beträgt der Zuschuss bis zu 9.000 Euro;
  • bei bis zu zehn Beschäftigten bis zu 15.000 Euro.

Sofern der Vermieter die Miete um mindestens 20 Prozent reduziert, kann der ggf. nicht ausgeschöpfte Zuschuss für zwei weitere Monate eingesetzt werden. Allerdings werden die Zuschüsse im folgenden Veranlagungszeitraum gewinnwirksam bei der Einkommen- oder Körperschaftsteuer berücksichtigt. Im Nachtragshaushalt 2020 sind 50 Mrd. Euro für die Soforthilfe eingeplant.

Kurzarbeitergeldverordnung

Bereits am 13.03.2020 haben Bundestag und Bundesrat in Form von zwei Verordnungsermächtigungen den Weg zur erleichterten Bewilligung von Kurzarbeitergeld geebnet. Dazu wird das erforderliche Quorum der von Arbeitsausfall betroffenen Beschäftigten von einem Drittel auf zehn Prozent gesenkt, auf den Aufbau negativer Arbeitszeitsalden wird verzichtet, die auf das Kurzarbeitergeld fälligen Sozialversicherungsbeiträge werden von der Bundesagentur für Arbeit erstattet und Leiharbeitnehmer können in das Kurzarbeitergeld einbezogen werden. Die am 23.03.2020 vom Kabinett beschlossene Kurzarbeitergeldverordnung setzt diese vereinbarten Maßnahmen um. Sie tritt rückwirkend zum 01.03.2020 in Kraft und gilt zunächst bis Ende 2020.

Zum Corona-Paket gehören darüber hinaus:

  • Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite: Neben Verordnungsermächtigungen für Maßnahmen zur Sicherstellung der Versorgung, u. a. mit bestimmten Medizinprodukten und zur Verhinderung der Verbreitung von Krankheiten, ergänzt das Gesetz auch die Entschädigungsregelung bei Verdienstausfall im Infektionsschutzgesetz.
  • Sozialschutz-Paket: Zu dem Paket gehören insbesondere Erleichterungen in der Grundsicherung für Arbeitssuche und beim Kinderzuschlag sowie arbeitszeitrechtliche Regelungen für systemrelevante Berufe.
  • COVID-19-Krankenhausentlastungsgesetz: Das Gesetz enthält Maßnahmen zum Ausgleich COVID-19 bedingter finanzieller Belastungen der Krankenhäuser und weiterer Gesundheitseinrichtungen.

Fazit

Der Bundesrat hat am 27. März in einer Sondersitzung den diversen von der Bundesregierung auf den Weg gebrachten Maßnahmen gegen die Auswirkungen der Corona-Krise einschließlich des hierfür notwendigen Nachtragshaushalts für 2020 zugestimmt. Insgesamt sechs Gesetze treten mit sofortiger Wirkung in Kraft, nachdem sie den Bundestag zwei Tage zuvor im Eiltempo passierten. Neben dem angekündigten Schutzschild, dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds und der Kurzarbeitergeldverordnung gibt es auch Soforthilfen für Kleinstunternehmen und Solo-Selbständige.

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