5 Minuten Lesezeit 16 Juni 2020
A businessman showing businesswoman a draft of the business plan

Wie ein integriertes Liquiditätsmanagement in Krisenzeiten schützt

Von Thomas Schmidt

Partner, Leiter SAP Treasury Consulting, Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft | Deutschland

Leidenschaftlicher Treasury-Berater und ehemaliger Banker. Begleitet Kunden bei SAP-Transformationsprogrammen und Digitalisierungsprojekten. Mitglied im Verband Deutscher Treasurer.

5 Minuten Lesezeit 16 Juni 2020

Ein effektives Cash Management trägt wesentlich dazu bei, die Zukunft und Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens zu sichern.

In Krisenzeiten wie der aktuellen Corona-Pandemie steigt der Liquiditätsbedarf von Unternehmen drastisch. Je länger sie dauern, desto mehr Firmen stehen vor der wachsenden Herausforderung, eine drohende Insolvenz abwenden zu müssen.

Vergangene Finanz- und Wirtschaftskrisen oder Herausforderungen wie geopolitische Unsicherheiten und neue Geschäftsmodelle verdeutlichen, dass ein effektives Liquiditätsmanagement wesentlich dazu beitragen kann, die Stabilität des operativen Geschäftes und die Zahlungsfähigkeit eines Unternehmens zu sichern.

Zudem schlummern im Liquiditätsmanagement eines Unternehmens häufig ungenutzte Potenziale. Etwa, wenn Planungsprozesse auf unterschiedlichen Quellen basieren, Buchhaltung und Controlling wenig integriert sind oder das Unternehmen noch nicht über ein flexibles, adressatengerechtes Reporting verfügt. Ein integriertes Liquiditätsmanagement hilft, diese Potenziale zu nutzen und trägt sowohl kurz- als auch mittel- und langfristigen Zielen Rechnung. Mithilfe innovativer Technologien wie Predictive Analytics oder durch die Nutzung bestehender Business-Warehouse-Lösungen lassen sich bedarfsgerechte Planungs- und Reporting-Lösungen auch zeitnah und mit überschaubarem Aufwand implementieren.

Nicht nur in Krisenzeiten, auch angesichts der zunehmenden Automatisierung und Integration von Geschäftsprozessen helfen akkurate und zeitnahe Informationen über Liquidität und Cashflow Unternehmen dabei, verlässlich zu planen und erfolgreiche Entscheidungen für ihre Zukunft zu treffen.

Welche Sofortmaßnahmen gerade in turbulenten Zeiten helfen

Will der Vorstand das operative Geschäft gegen plötzlich auftretende Turbulenzen wappnen, sollte er sicherstellen, dass Verantwortliche ernannt sind, um die Kontinuität von Cash-Management-Aktivitäten und Zahlungsfreigaben zu gewährleisten. Wichtig ist es ebenfalls, die Ist-Liquidität und die kurzfristige Liquiditätsvorschau täglich zu aktualisieren. Die Vorgaben bezüglich Limiten und zu involvierenden Personen müssen angepasst werden, um ungeplante Auszahlungen zu vermeiden. Auch wesentliche Ausfallrisiken sollten engmaschig überwacht und Verträge mit signifikanten Liquiditätseffekten geprüft werden.

Drei Maßnahmen, die Unternehmen kurz-, mittel- und langfristig berücksichtigen sollten

Um den wachsenden Anforderungen gerecht zu werden, sollte ein integriertes Liquiditätsmanagement drei zeitliche Dimensionen umfassen.

Kurzfristiger Cash-Management-Report

Ein täglich zu erstellender Cash-Management-Report dient als Grundlage für die Disposition und Kontrolle der verfügbaren Liquidität und hilft bei einer zielgerichteten Allokation von Geldbeständen. Er leistet damit weit mehr als das reine Überwachen von Banksalden. Der Bericht basiert auf einem elektronischen Kontoauszug und umfasst alle Bankkontosalden, initiierte Zahlungen sowie Zahlungsavise für ein- und ausgehende Zahlungen.

Da der Zahlungsprozess einen essenziellen Teil der Liquidität darstellt, sollten sämtliche Informationen über die Bankkonten verfügbar sein und Kontoauszüge aller Gesellschaften täglich verarbeitet werden. Zahlungen an externe Partner sollten zentral ausgeführt werden. Das sorgt für Transparenz, verringert Transaktionskosten und beugt Betrugsfällen vor.

Die Nutzung zentraler Funktionen ist ein erster Schritt hin zur Schaffung einer voll integrierten Inhouse-Bank als strategischer und operativer Knotenpunkt des Liquiditätsmanagements.

Mittelfristige Liquiditätsvorschau

Eine Liquiditätsvorschau auf bis zu 13 Wochen analysiert die mittelfristige Liquiditätsentwicklung des Unternehmens und gewährleistet, dass es zahlungsfähig bleibt und seine Kreditlinien effektiv nutzt. Die Vorschau basiert auf gebuchten Daten, die täglich aktualisiert und durch Plandaten ergänzt werden. Außerdem zeigt sie rechtzeitig an, wenn Liquiditätsgrenzen überschritten werden. Um ein hohes Maß an Transparenz und Datenqualität zu erzielen, sollte die Vorschau in die existierende Systemlandschaft integriert werden – so werden alle alle vorhandenen Datenquellen optimal genutzt.

Je nach Datenlage, Geschäftsmodell und verfügbarer Technologie kann Predictive Analytics auch für die mittelfristige Liquiditätsvorschau eingesetzt werden. Der Rückgriff auf gebuchte Salden und bekannte Transaktionen sowie die Nutzung technologischer Innovationen schaffen dabei eine Art „Frühwarnsystem“, das die Daten der langfristigen Liquiditätsplanung ergänzt.

Eine Liquiditätsplanung auf ein bis zwei Jahre bildet die Basis für eine übergeordnete Finanzierungsstrategie.

Langfristige Liquiditätsplanung

Für eine langfristige Liquiditätsplanung sollten alle relevanten Finanzpläne (Bilanz und GuV) in Cashflow-Daten überführt werden. Basieren die Planungskategorien für verschiedene Zeithorizonte auf denselben Cashflow-Positionen, kann ein konsistentes Planungsmodell aufgebaut werden.

Wollen Unternehmen die Liquiditätsplanung in die Finanzplanung integrieren, sollten sie bestehende Planungsmodelle und -prozesse erweitern. Dabei bietet zum Beispiel eine Neukonzeption im Rahmen einer SAP S/4HANA-Transformation Anknüpfungspunkte. Elemente, die zu beachten sind, sind beispielsweise die Planung in Transaktionswährung, Planungsgranularität, zu berücksichtigende Teilpläne sowie die Aktualisierungsfrequenz der Planung.

Digitale Lösungen führen zu besserer Planbarkeit

SAP unterstützt alle Dimensionen des Liquiditätsmanagements und liefert Lösungen, um Daten in einem integrierten Umfeld zu analysieren. Cash-bezogene Daten aus internen und externen Quellen können leicht eingebunden werden und als Grundlage für die tägliche Disposition und die mittelfristige Liquiditätsvorschau dienen. Die Daten werden in Echtzeit aktualisiert und bieten eine verlässliche Basis für fundierte Entscheidungen.

Business-Warehouse-Lösungen, vorausschauende Technologien und digitale Datenanalysen erhöhen dabei die Qualität und Transparenz in allen drei Dimensionen substanziell. Im Idealfall werden alle relevanten Informationen in einer zentralen, integrierten Datenbank gespeichert und ermöglichen somit auch Plan/Ist-Vergleiche.

In einem integrierten Umfeld können dann auch auf Basis der langfristigen Finanz- und Liquiditätsplanung Simulationen des Cashflows unter geänderten Parametern vorgenommen werden. Dies ist sowohl für Stresstest-Szenarien als auch für innovative Simulationsmodelle möglich. Für zuverlässige Aussagen sollten die Modelle nicht nur auf unternehmensinternen Daten basieren, sondern auch unternehmensexterne Parameter berücksichtigen.

Passgenaue Lösungen finden und implementieren

Ein integriertes und bedarfsgerechtes Liquiditätsmanagement lässt sich in vier Schritten etablieren:

  1. Entwicklung eines Steuermodells: Das aktuelle Steuerungsmodell wird analysiert und um Cash-basierte Key Performance Indicators (KPIs) erweitert.

  2. Konzept für funktionale Anforderungen: Anhand des künftigen Steuerungsmodells und einer Analyse aller Cash-nahen Prozesse in Finanzwesen und IT werden die funktionalen Anforderungen definiert.

  3. IT-Infrastruktur bestimmen: Die technische Architektur, geeignete Software-Lösungen und mögliche Implikationen für SAP S/4HANA werden festgelegt.

  4. Umsetzung: Die ermittelte Lösung für ein individuelles integriertes Liquiditätsmanagement wird implementiert.

Ein Unternehmen erfolgreich zu führen, bedeutet, grundsätzlich die Liquidität im Blick zu behalten.

Um Liquiditätsrisiken frühzeitig zu erkennen, die eigene Zahlungsfähigkeit sicherzustellen und die eigene Kreditwürdigkeit zu erhalten, sollten Unternehmen nicht nur den Status quo, sondern auch die mittel- und langfristige Liquiditätsplanung vorausschauend analysieren und optimieren.

Ein integriertes Liquiditätsmanagement, das verschiedene Zeithorizonte berücksichtigt, kann wesentlich dazu beitragen, die Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens zu sichern. Verlässliche Planungsprozesse liefern die Grundlage für nachhaltige Entscheidungen, von der Nutzung der eigenen Ressourcen bis hin zur Finanzierung von Investitionen für das künftige Wachstum.

Darüber hinaus kann ein integriertes Liquiditätsmanagement erheblich dazu beitragen, Kosten unter anderem für Finanzierungen, Transaktionen, IT und Prozesse zu reduzieren. Zudem lassen sich Risiken aus Währungsschwankungen oder Compliance-Verstößen im Zahlungsverkehr minimieren.

Fazit

In Krisen wie der Corona-Pandemie steigt der Liquiditätsbedarf von Unternehmen drastisch. Ein integriertes Liquiditätsmanagement kann wesentlich dazu beitragen, die Stabilität des operativen Geschäftes und die Zahlungsfähigkeit eines Unternehmens zu sichern. Das haben vergangene Herausforderungen bereits häufig gezeigt. Bei der Suche nach Lösungen lohnt vor allem der Blick auf sich verändernde Geschäftsmodelle und neue Technologien. Ein umfassendes Liquiditätsmanagement lässt sich zeitnah in vier Schritten implementieren und hilft, Transparenz zu schaffen, Kosten zu senken und Risiken zu minimieren. Unternehmen sollten dabei die verschiedenen zeitlichen Horizonte der Liquidität beachten und intelligent miteinander verknüpfen.

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