Fraglich ist allerdings, ob dieses Ergebnis uneingeschränkt auch in Fällen gilt, in denen der Nettozinsaufwand ohne Zinsvortrag unterhalb der Freigrenze bleibt und die Grenze von 3 Millionen Euro nur durch die Berücksichtigung des Zinsvortrags gerissen wird. Die Finanzverwaltung hat an dieser Stelle leider die Gelegenheit verstreichen lassen, zu einer sichereren Rechtsanwendung beizutragen.
Strikte Stand-alone-Klausel
Eine große Änderung gab es bei der bislang als Konzernklausel bekannten und nun als Stand-alone-Klausel bezeichneten Ausnahmeregelung. Unter der Konzernklausel war die Zinsschranke nicht anzuwenden, wenn der Betrieb nicht oder nur anteilsmäßig zu einem Konzern gehörte. Nach der Neufassung ist sie nur dann nicht anzuwenden, wenn der Steuerpflichtige keine nahestehende Person im Sinne des § 1 Abs. 2 AStG ist und keine Betriebsstätte außerhalb seines Ansässigkeitsstaats hat. Dadurch fallen jetzt auch Beteiligungen zwischen 25 und 50 Prozent nicht mehr unter die Konzern- bzw. Stand-alone-Klausel, die bislang in Ermangelung einer Konzernzugehörigkeit ausgenommen waren. Auch natürliche Personen, die Alleingesellschafter einer GmbH sind oder eine Beteiligung von wenigstens 25 Prozent halten, gelten jetzt als nahestehende Personen. Diese Änderungen machen die Ausnahme der Stand-alone-Klausel in der Praxis deutlich weniger relevant. Die Finanzverwaltung gewährt die Anwendung zudem nur, wenn die Voraussetzungen das ganze Jahr über erfüllt sind. Eine Notwendigkeit für diese zeitliche Restriktion lässt sich aber weder aus dem Gesetzestext noch aus der Gesetzesbegründung ableiten. Die Finanzverwaltung hat sich bewusst für eine striktere Anwendung entschieden.
Eigenkapitalquoten
Die dritte Ausnahmeregelung, der Eigenkapitalquotenvergleich (auch Eigenkapital-Escape genannt), bleibt nahezu unverändert: Die Ausnahme greift, wenn der Betrieb zu einem Konzern gehört und seine Eigenkapitalquote am letzten Stichtag mindestens so hoch ist wie die des Konzerns. Ein Unterschreiten um bis zu 2 Prozentpunkte ist unschädlich. Hier wäre es hilfreich gewesen, wenn das neue Schreiben mehr Klarheit gebracht hätte, besonders zur Nachweispflicht im Rahmen der Gesellschafterfremdfinanzierung (§ 8a Abs. 3 Satz 1 KStG).
Zinsen sind nicht gleich Zinsen
Bereits vor der Gesetzesänderung bestand kein Gleichlauf zwischen den Zinsen im Sinne der Zinsschranke und den gewerbesteuerlichen Finanzierungskosten. Bedeutung gewinnt diese Unterscheidung immer dann, wenn Zinsaufwendungen im ersten Schritt bei der Ermittlung des Gewinns abgezogen werden und im Anschluss bei der Ermittlung des Gewerbeertrags zu beurteilen ist, ob sie der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung unterliegen. Mit der Erweiterung des Zinsbegriffs für Zwecke der Zinsschranke fallen die Begrifflichkeiten weiter auseinander. Insbesondere aktivierte Zinsen, kalkulatorische Zinsen und ähnliche Kosten im Zusammenhang mit Fremdkapital werden unterschiedlich behandelt.
Druck auf Buchhaltung und Compliance
Mit der zunehmenden Divergenz besteht Anpassungsbedarf in den Buchhaltungs- und Tax-Compliance-Systemen der Unternehmen, um die Aufwendungen der zutreffenden Kategorie zuzuordnen. Andernfalls sind zeitintensive und fehleranfällige Nacharbeiten notwendig. Die Finanzverwaltung äußert sich im neuen Zinsschrankenerlass dazu nicht. Auch bleibt unklar, wie Fälle zu beurteilen sind, in denen ein Zinsvortrag in künftigen Wirtschaftsjahren abgezogen werden kann. Da der Zinsvortrag ausschließlich Komponenten enthält, die gemäß der Zinsschrankenregelung als Zinsaufwendungen gelten, führt ein Verbrauch des Zinsvortrags nicht zwangsläufig zu hinzurechnungspflichtigen Finanzierungskosten für die Gewerbesteuer. Weder das Gesetz noch das Anwendungsschreiben führen aus, wie solche Fälle praktisch umzusetzen sind. Steuerpflichtigen ist daher angeraten, den Abzug des Zinsvortrags insbesondere dann zu dokumentieren, wenn eine Hinzurechnung bei der Ermittlung des Gewerbeertrags unterbleibt.
Co-Autoren: Steffen Höhl, Yannic Waller