Pressemitteilung

5 Dezember 2022 Eschborn/Frankfurt (Main), DE

Überdurchschnittlich starker Rückgang der Kreditvergabe in Deutschland erwartet

Frankfurt, 05.12.2022. Die deutsche Wirtschaft steht vor einer Rezession und einem Ende des Booms auf dem Immobilienmarkt – und das hat auch Auswirkungen auf die Nachfrage nach Bankkrediten. Im laufenden Jahr wird das Wirtschaftswachstum voraussichtlich noch bei 1,5 Prozent liegen, für 2023 wird hingegen ein Rückgang der Wirtschaftsleistung um 1,1 Prozent prognostiziert.

  • EY-Prognose: Deutschland mit stärkstem Wirtschaftseinbruch unter den großen Eurozonen-Volkswirtschaften im kommenden Jahr
  • Kreditvolumen wird sinken: Rückgang der Unternehmenskredite um 2,9 Prozent
  • Anteil notleidender Kredite in Deutschland im kommenden Jahr auf 2,3 Prozent fast verdoppelt

Die deutsche Wirtschaft steht vor einer Rezession und einem Ende des Booms auf dem Immobilienmarkt – und das hat auch Auswirkungen auf die Nachfrage nach Bankkrediten. Im laufenden Jahr wird das Wirtschaftswachstum voraussichtlich noch bei 1,5 Prozent liegen, für 2023 wird hingegen ein Rückgang der Wirtschaftsleistung um 1,1 Prozent prognostiziert. Damit fällt die konjunkturelle Abkühlung hierzulande deutlich kräftiger aus als in der gesamten Eurozone, die nur leicht – um 0,1 Prozent – schrumpfen wird.

Besonders stark sinken werden in Deutschland im kommenden Jahr die Unternehmenskredite: Nach einem Rekordwachstum von 7,3 Prozent im laufenden Jahr wird die Kreditvergabe an Unternehmen im kommenden Jahr voraussichtlich um 2,9 Prozent zurückgehen – stärker als in den anderen großen Eurozonen-Volkswirtschaften und stärker als in der Eurozone insgesamt, wo ein Minus von 2,7 Prozent erwartet wird.

Das zeigt die EY Analyse "European Bank Lending Forecast", eine Prognose zum Kreditmarkt, basierend auf Konjunkturprognosen und Daten der Europäischen Zentralbank.

Thomas Griess, Managing Partner Financial Services Deutschland bei EY, kommentiert: „Die deutsche Wirtschaft steht unter erheblichem Druck durch hohe Energiepreise, die Drosselung der Gaslieferungen aus Russland und eine schwächer werdende Nachfrage. Über den Winter dürfte die Wirtschaft daher spürbar schrumpfen“. Die EY Prognose geht von einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts um 1,1 Prozent im Jahr 2023 aus. Andere große europäische Volkswirtschaften kommen besser durch die Krise: Für Italien wird nur ein Minus von 0,1 Prozent für 2023 prognostiziert, die französische Wirtschaft soll um 0,2 Prozent wachsen, die spanische sogar um 0,8 Prozent. „Deutschland ist von dieser Krise besonders betroffen, denn Deutschland muss strukturelle Probleme lösen – gerade im Produktionssektor, der bis vor kurzem auf günstige Energieimporte aus Russland angewiesen war“, sagt Robert Melnyk, Leiter des Bereiches Banken und Kapitalmärkte bei EY Financial Services.

Immobilienboom zu Ende – weniger Kredite für Häuslebauer

Jahrelang kannten die Preise auf dem deutschen Immobilienmarkt nur eine Richtung: nach oben. Trotzdem blieb die Nachfrage stark – und dementsprechend auch die Nachfrage nach Immobilienkrediten. Im laufenden Jahr werden die Immobilienkredite in Deutschland in Summe noch um 6,2 Prozent zulegen – und damit stärker als in der Eurozone insgesamt, wo nur ein Plus von 4,9 Prozent prognostiziert wird.

Mit der Zinswende sinkt aber die Nachfrage nach Immobilienkrediten – für das kommende Jahr wird ein Rückgang des Bestands an Immobilienkrediten um 0,1 Prozent in Deutschland erwartet, für die gesamte Eurozone wird hingegen ein Wachstum von 0,5 Prozent veranschlagt.

„Auf dem Immobilienmarkt hat sich das Blatt gewendet: Die stark gestiegenen Zinsen bremsen die Nachfrage nach Immobilienkrediten, zudem erscheinen Immobilien, deren Preise zwischen Q1 2019 und Mitte 2022 um 35 Prozent gestiegen sind, in vielen Regionen inzwischen überbewertet“, sagt Melnyk. „Darauf reagieren die Banken – sie sind zu Recht vorsichtiger bei der Kreditvergabe.“

Außerdem werden in Kürze regulatorische Maßnahmen zur Abkühlung des Immobilienmarktes in Kraft treten, betont Melnyk. Ab Februar 2023 wird der antizyklische Kapitalpuffer für alle inländischen Risikopositionen von 0 auf 0,75 Prozent steigen, während speziell für mit Wohnimmobilien besicherte Vermögenswerte ein Puffer von 2 Prozent eingeführt wird. Zudem hat die BaFin hat die Banken davor gewarnt, bei Hypothekenkrediten übermäßige Risiken einzugehen. Melnyk: „Für potenzielle Häuslebauer wird es immer schwerer, eine tragfähige Finanzierung auf die Beine zu stellen. Und die Banken werden ganz genau hinschauen, ob der Finanzierungsplan auch in Zeiten rekordhoher Energiepreise realistisch ist.“

Mehr Kreditausfälle erwartet

Immer mehr Privatleute und Unternehmen werden im kommenden Jahr ihre Kredite nicht mehr bedienen können – der Anteil notleidender Kredite am gesamten Kreditvolumen in Deutschland wird 2023 voraussichtlich von aktuell 1,2 Prozent auf 2,3 Prozent ansteigen. Für die gesamte Eurozone wird ein Anstieg von 2,6 Prozent im laufenden Jahr auf 3,3 Prozent im kommenden Jahr prognostiziert.

„Zuletzt gab es sehr wenige Kreditausfälle“, sagt Griess. Das habe auch an staatlichen Unterstützungsmaßnahmen für Kreditnehmer gelegen, den Insolvenzmoratorien während der Pandemie und der anhaltend hohen Nachfrage. Mit der nun kommenden Wirtschaftsflaute dürfte sich die Lage aber verändern, so Griess: „Die Banken müssen sich darauf einstellen, dass die Zahl der Unternehmensinsolvenzen wieder steigt, wenn wir in eine Rezession geraten.“

Griess betont aber: „Die deutsche Kreditwirtschaft wird einen Anstieg notleidender Kredite problemlos verkraften können, die Eigenkapitalpuffer sind mehr als ausreichend. Und im historischen Vergleich ist der Anteil notleidender Kredite immer noch sehr niedrig und stellt keine Gefahr für den Bankensektor dar.“  

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