ARUG II: Zum neuen aktienrechtlichen Vergütungsbericht

Hintergrund

Die Vergütung von Vorständen und Aufsichtsräten ist seit jeher Gegenstand einer intensiven öffentlichen Diskussion, die auch vor der handelsrechtlichen Unternehmensberichterstattung nicht Halt macht. So müssen börsennotierte Gesellschaften seit dem Vorstandsvergütungsoffenlegungsgesetz (VorstOG) aus 2005 neben den Gesamtbezügen von Vorstand und Aufsichtsrat auch die individualisierten Bezüge ihrer Vorstandsmitglieder im (Konzern-)Anhang angeben. Diese Angaben werden durch den Vergütungsbericht – als Teilbericht des (Konzern-)Lageberichts – flankiert.

Zur Umsetzung der von der EU vorgegebenen 2. Aktionärsrechterichtlinie (2. ARRL) in nationales Recht, hat der Deutsche Bundestag am 14.11.2019 das Gesetz zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie (ARUG II) verabschiedet. Die Verkündung im Bundesgesetzblatt steht derzeit noch aus. Durch das ARUG II wird in § 162 AktG n.F. ein neuer (aktienrechtlicher) Vergütungsbericht eingeführt, der die Aktionäre einer börsennotierten Gesellschaft umfassend über die Vergütung von Vorstand und Aufsichtsrat informieren soll.

Derzeitige Rechtslage

Nach §§ 285 Nr. 9a Sätze 1–4, 314 Abs. 1 Nr. 6a Sätze 1–4 HGB sind im (Konzern-) Anhang die Gesamtbezüge der Mitglieder des Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgans anzugeben. Eine börsennotierte AG muss zusätzlich die Bezüge jedes einzelnen Vorstandsmitglieds unter Namensnennung individualisiert im (Konzern-) Anhang angeben (§§ 285 Nr. 9a Sätze 5–8, 314 Abs. 1 Nr. 6a Sätze 5–8 HGB). Diese Angaben können unterbleiben, wenn die Hauptversammlung dies mit einer Dreiviertelmehrheit des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals beschlossen hat (sog. Opting-Out-Klausel, §§ 286 Abs. 5 Satz 1, 314 Abs. 3 Satz 1 HGB). Ferner muss eine börsennotierte Gesellschaft im (Konzern-) Lagebericht über die Grundzüge des Vergütungssystems der Gesellschaft für die im (Konzern-) Anhang genannten Gesamtbezüge von Vorstand und Aufsichtsrat berichten (sog. Vergütungsbericht, §§ 289a Abs. 2 Satz 1, 315a Abs. 2 Satz 1 HGB).

Da die Angabe- und Berichtspflichten unselbstständige Bestandteile der
(Konzern-)Rechnungslegung (Anhang oder Lagebericht) sind, sind sie allesamt im Rahmen der Abschlussprüfung (formal und materiell) zu prüfen (§ 316 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 HGB) und im BAnz. offenzulegen (§ 325 Abs. 1 und 3 HGB).

Neuregelungen durch ARUG II

Das ARUG II führt mit § 162 Abs. 1 Satz 1 AktG n.F. einen von Vorstand und Aufsichtsrat einer börsennotierten Gesellschaft künftig jährlich aufzustellenden Bericht über die im letzten Geschäftsjahr gewährten und geschuldeten Bezüge ein (sog. Vergütungsbericht).

Zur Vermeidung von Redundanzen werden die bislang im HGB verorteten Angabepflichten zur individualisierten Vorstandsvergütung (§§ 285 Nr. 9a Sätze 5–8 und 314 Abs. 1 Nr. 6a Sätze 5–8 HGB) und der Grundzüge des Vergütungssystems von börsennotierten Gesellschaften (§ 289a Abs. 2 HGB) aufgehoben. Die Möglichkeit, sich von den Angabepflichten der individualisierten Vorstandsbezüge durch einen entsprechenden Beschluss der Hauptversammlung befreien zu lassen (Opting-Out-Klausel, §§ 286 Abs. 5, 314 Abs. 3 Satz 1 HGB), wird durch das ARUG II ersatzlos gestrichen.

Unter der Überschrift „Vergütungsbericht“ verpflichtet § 162 Abs. 1 Satz 1 AktG n.F. künftig Vorstand und Aufsichtsrat einer börsennotierten Gesellschaft, jährlich einen klaren und verständlichen Bericht über die im letzten Geschäftsjahr jedem einzelnen gegenwärtigen oder früheren Mitglied des Vorstands und des Aufsichtsrats von der Gesellschaft und von Unternehmen desselben Konzerns (§ 290 HGB) gewährte oder geschuldete Vergütung zu erstellen. Der Vergütungsbericht hat unter Namensnennung der Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder quantitative sowie qualitative Angaben zur Vergütung und zu Leistungen zu enthalten, um die Vergütungspolitik in Bezug auf die Vergütungsbestandteile der beiden Organe zu beschreiben. Es handelt sich um einen einheitlichen Bericht, in dem die Angaben für die Mitglieder beider Organe der börsennotierten Gesellschaft enthalten sein müssen.

Der aktienrechtliche Vergütungsbericht ist ein von der handelsrechtlichen Rechnungslegung losgelöster, separater Bericht, der nicht mehr Gegenstand der handelsrechtlichen Abschlussprüfung ist (§ 316 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 HGB). § 162 Abs. 3 Satz 1 und 2 AktG n.F. ordnet an, dass der Abschlussprüfer zu prüfen hat, „ob“ die nach § 162 Abs. 1 und 2 AktG-E geforderten Angaben im Vergütungsbericht gemacht wurden. Über diese – formale – Prüfung hat der Abschlussprüfer einen Vermerk zu erstellen, der dem Vergütungsbericht beizufügen ist (§ 162 Abs. 3 Sätze 3 und 4 AktG n.F.); beide Berichte sind sodann mindestens zehn Jahre lang auf der Internetseite der Gesellschaft kostenfrei öffentlich zugänglich zu machen (§ 162 Abs. 4 AktG n.F.).

Erstanwendungen

Ein aktienrechtlicher Vergütungsbericht nach § 162 AktG n.F. ist erstmals für das nach dem 31.12.2020 beginnende Geschäftsjahr zu erstellen. Börsennotierte Gesellschaften mit einem kalenderjahrgleichen Geschäftsjahr hätten damit erstmals für das Geschäftsjahr 2021 einen Vergütungsbericht zu erstellen. Die Erstellung kann grds. zu jedem beliebigen Zeitpunkt innerhalb des folgenden Geschäftsjahrs 2022 erfolgen („jährlich“). Faktisch endet der Erstellungszeitraum aber mit der Durchführung der ordentlichen Hauptversammlung in 2022.

Die im Zusammenhang mit der Einführung des aktienrechtlichen Vergütungsberichts zu ändernden handelsrechtlichen Vorschriften sind ebenfalls erstmals in dem Geschäftsjahr anzuwenden, das nach dem 31.12.2020 beginnt. Bei einem kalenderjahrgleichen Geschäftsjahr bedeutet dies, dass die individualisierten Angaben der Vorstandsbezüge im (Konzern-)Anhang sowie die Darstellung der Grundzüge des Vergütungssystems im (Konzern-)Lagebericht letztmalig im Geschäftsjahr 2020 zu machen sind, sofern die Neuregelungen nicht freiwillig vorzeitig angewendet werden. Börsennotierte Aktiengesellschaften können das Opting-Out daher noch für die Geschäftsjahre 2019 und 2020 nutzen. Dagegen ist die Inanspruchnahme des Opting-Out für Geschäfts­jahre jenseits von 2020 auch dann unzulässig, wenn der zeitliche Geltungsbereich des Hauptversammlungs­beschlusses über 2020 hinaus reichen sollte. Denn ein möglicherweise bereits für mehrere Jahre gefasster Hauptversammlungsbeschluss wird für Geschäftsjahre jenseits von 2020 durch das ARUG II unwirksam.

Handlungsbedarf

Mit der Einführung eines aktienrechtlichen, von der handelsrechtlichen (Konzern-)Rechnungslegung losgelösten Vergütungsberichts betritt der Gesetzgeber Neuland. Es ist zu erwarten, dass börsennotierte Gesellschaften mit der Neuregelung des § 162 AktG n.F. mit zahlreichen Auslegungs- und Anwendungsfragen konfrontiert werden. Daher sind börsennotierte Gesellschaften gut beraten, sich – trotz der komfortablen Übergangsregelung – frühzeitig mit den sich abzeichnenden Änderungen vertraut zu machen und das Wahlrecht einer freiwilligen vorzeitigen Anwendung der Regelungen sorgsam abzuwägen.