5 Minuten Lesezeit 27 Juni 2019
Seelöwen, die mit Köderfischen in Südkalifornien spielen

Deutsche Unternehmen sehen weiterhin Wachstumschancen und M&A bleiben trotz disruptiver Belastungen stabil

Von Constantin Gall

Managing Partner Strategy and Transactions

Hat jahrzehntelange Erfahrung in der Strategie- und Transaktionsberatung sowie in der Automobilbranche. Ist auch privat ein Autoenthusiast und geht gerne mit Familie und Freunden auf Reisen.

5 Minuten Lesezeit 27 Juni 2019

Weitere Materialien

  • Global Capital Confidence Barometer – Edition 20 (pdf)

Deutsche Führungskräfte beurteilen ihr Wachstum und ihre M&A-Ziele überraschend zuversichtlich — trotz einer Reihe von endemischen Belastungen.

L aut der jüngsten Ausgabe unseres Global Capital Confidence Barometer sehen 96 % der deutschen Führungskräfte eine Verbesserung der lokalen Wirtschaft. Diese positive Stimmung überrascht uns angesichts des strategischen und disruptiven Drucks, dem viele deutsche Unternehmen ausgesetzt sind – hervorgerufen durch Anpassung, Digitalisierung, Automatisierung, gesättigte Märkte und Personalmangel, um nur einige zu nennen.

Diese herausfordernden Veränderungen werden bleiben und treiben viele Sektoren in eine Krise bisher ungekannten Ausmaßes. Normalerweise würde dieser disruptive Druck zu einem Rückgang des Geschäftsvolumens führen. Bisher war dies jedoch nicht der Fall, vor allem weil die Finanzierung weiterhin erschwinglich und die Kapitalbeschaffung nach wie vor einfach ist. Wir gehen davon aus, dass sich viele Unternehmen noch immer auf einem soliden Fundament sehen, da die Volumina nicht gesunken sind. Tatsächlich rechnen 82 % der Befragten für das kommende Jahr mit Umsatzwachstumsraten zwischen 6 % und 15 %.

Geld mag für eine Weile billig sein, aber Unternehmen, die nicht bereit sind, ihre Strukturen jetzt umzugestalten, könnten sich bald in einer Sackgasse wiederfinden.

Umsatzwachstum

82 %

der deutschen Führungskräfte rechnen für das kommende Jahr mit Wachstumsraten zwischen 6 % und 15 %.

Deutsche Führungskräfte verfolgen einen vielschichtigen Ansatz, um Resilienz aufzubauen

Von der Finanzkrise 2008 bis erst kürzlich blieben die Geschäftsmodelle unverändert. Dies gab Unternehmen die Möglichkeit, sich auf Kostenreduzierungen und Effizienzsteigerungen zu konzentrieren. Im Rausch der Kostensenkung mit dem Ziel, ihr gewünschtes Wachstum und ihre Margen zu erreichen, haben sie jedoch vergessen, ihre Geschäftsmodelle nachhaltig umzugestalten – bis jetzt . Angesichts der Tatsache, dass 35 % der deutschen Führungskräfte die größte externe Bedrohung für ihr Unternehmenswachstum in einer konjunkturellen Abkühlung sehen, erkennen die Unternehmen allmählich, dass sie sich auf einer wesentlich grundlegenderen Ebene anpassen müssen, um zu überleben. Kostensenkung allein reicht nicht mehr aus.

Gefahr für Wachstum

35 %

der Studienteilnehmer sagen, dass eine konjunkturelle Abkühlung die größte externe Bedrohung für das Wachstum ihres Geschäfts sei.

Deutsche Unternehmen versuchen auf verschiedene Arten, ihre Widerstandsfähigkeit gegen die bevorstehenden Herausforderungen zu stärken:

  • Die Kosten senken: Da Kostensenkungen nur ein Teil eines größeren Ganzen sind, gibt fast die Hälfte (48 %) der deutschen Führungskräfte an, sich in den nächsten zwölf Monaten darauf zu konzentrieren, die Rentabilität und den Cashflow ihres Unternehmens zu verbessern, um die Gemein- und die Verwaltungskosten zu senken.
  • Technologien vorantreiben:Deutsche Unternehmen leiten auch wichtige Schritte ein, um Technologien, Automatisierung und künstliche Intelligenz (KI) für eine verbesserte Leistung einzusetzen. 100 % der befragten deutschen Führungskräfte geben an, dass ihr Unternehmen im kommenden Jahr erhebliche Investitionen in neue Technologien plane. Sie gehen davon aus, dass ihr Hauptaugenmerk bei der Technologisierung auf der Schaffung neuer Produkte und Dienstleistungen (23 %), der Verbesserung der internen Effizienz (21 %) und der Verringerung der Risiken (20 %) liegen wird.
  • M&A: Nach Ansicht deutscher Führungskräfte spielt das Dealmaking eine wichtige Rolle beim Aufbau von Resilienz. 72% der Befragten geben an, dass sie in den nächsten zwölf Monaten M&A aktiv verfolgen werden — sie liegen damit deutlich über dem Durchschnitt von 43% des Capital Confidence Barometer seit 2010. Mehr als vier von fünf deutschen Führungskräften rechnen auch damit, dass sie im kommenden Jahr mehr Geschäfte abschließen werden als im Vorjahr. 70 % geben an, dass technologische Innovation der wichtigste externe Trend sei, der ihre Geschäftsstrategie beeinflusse. Für 23 % ist dies ihr strategischer Haupttreiber, um Geschäfte zu machen. Wir gehen jedoch davon aus, dass deutsche Führungskräfte bei jedem M&A-Geschäft mit Bedacht vorgehen werden, zumal eine überwältigende Mehrheit anerkennt, dass die Bewertungslücke die höchste seit der globalen Finanzkrise ist und mit Sicherheit höher liegt als noch vor zwölf Monaten. Darüber hinaus erkennen 88 % der deutschen Führungskräfte an, dass traditionelle Bewertungsmethoden es schwierig machen, den angemessenen Wert für digitale Unternehmen und innovative Start-ups zu bestimmen.

Ein proaktiverer Ansatz, Portfolios zu managen, eröffnet Chancen für eine grundlegendere Umgestaltung der Portfolios

Der einzige Bereich, in dem deutsche Unternehmen offenbar ihren globalen Wettbewerbern hinterherhinken, ist die Häufigkeit ihrer Portfolioüberprüfungen. Weltweit überprüfen zum ersten Mal mehr Unternehmen ihre Portfolios vierteljährlich oder zumindest häufiger als jemals zuvor. Sicherlich erhöhen auch immer mehr deutsche Unternehmen den Turnus, in dem sie ihre Portfolios überprüfen. Trotzdem geben 30 % (im Vergleich zu 22 % global) an, dass sie ihre Portfolios immer noch nur jährlich überprüfen.

Ein eher sporadischer Ansatz bei der Portfoliobewertung birgt die Gefahr, dass deutsche Unternehmen bei eintretendem Abschwung und erschwertem Zugang zu Kapital nicht vorbereitet sind. Eine aktivere Umgestaltung des Portfolios kann deutschen Führungskräften helfen, Bereiche mit potenzieller Underperformance oder sich abzeichnende Wachstumschancen weit vor ihren Konkurrenten zu identifizieren.

Portfolioüberprüfungen

37 %

der deutschen Unternehmen überprüfen ihre Portfolios vierteljährlich (global sind es 41 %).

Drei Maßnahmen, die deutsche Führungskräfte heute ergreifen können, um sich auf die Zukunft vorzubereiten

Um sich der heutigen Unsicherheit zu stellen und sich auf neuen Herausforderungen vorzubereiten, sollten deutsche Unternehmen drei Maßnahmen in Betracht ziehen:

  1. Erkennen Sie, wo Ihr Unternehmen steht. Dies ist weitaus schwieriger, als es sich anhört, wie die Zahl der deutschen Unternehmen zeigt, die eine Verbesserung der Konjunktur sehen, auch wenn sie einem disruptivem Veränderungsdruck ausgesetzt sind, den sie bisher meist durch günstige Kredit- und Refinanzierungsbedingungen kompensiert haben. Deutsche Unternehmen tun gut daran, einen Schritt zurückzutreten und sich genau anzuschauen, wo sie stehen. Wie robust ist das Geschäftsmodell des Unternehmens? Wenn die Zinsen steigen und der Zugang zu Kapital versiegt, wie solide wäre das Geschäft?
  2. Das Timing richtig hinbekommen. Timing ist alles, heißt es. Deutsche Unternehmen wollen auf die Zukunft vorbereitet sein, aber es ist auch möglich, zu sehr vorbereitet zu sein. Wenn sich ein Unternehmen zu früh grundlegend umstrukturiert, kann es Geld verschwenden. Auf der anderen Seite wird das Unternehmen unvorbereitet sein, wenn es zu lange wartet, und dies könnte dazu führen, dass die Konkurrenz es abhängt .
  3. Investieren Sie in eine robuste Integrationsstrategie  und setzen Sie diese um. Auf die Frage, was für sie das größte Risiko bei der Durchführung einer Transaktion sei, geben 25 % der deutschen Führungskräfte die Integration von Geschäftstätigkeiten und Mitarbeitern an. Die Integration richtig durchzuführen war noch nie so wichtig. Dies gilt insbesondere für die Mitarbeiter eines Unternehmens. In einem Umfeld, in dem Talente rar sind und der Wettbewerb um hoch qualifizierte Mitarbeiter hart ist, müssen die Integrationsbemühungen darauf abzielen, sowohl die bei einer Akquisition hinzugewonnenen Talente als auch die bereits im Unternehmen beschäftigten Mitarbeiter zu binden.

Deutsche Unternehmen sehen sich einem dreifachen Druck ausgesetzt: Anpassungsschock, Innovation und Digitalisierung sowie der unvermeidlichen Volumensenkung. Bisher konnten sie sich mit der Refinanzierung Zeit verschaffen. Aber sie stehen noch immer vor all den Maßnahmen, die sie viel früher hätten ergreifen sollen.

Deutsche Unternehmen, die jetzt handeln, indem sie ihre Widerstandsfähigkeit weiter ausbauen und ihre Portfolioüberprüfungen beschleunigen, um Restrukturierungsmöglichkeiten zu nutzen, können ihre Leistungsergebnisse trotz des unsicheren Umfeldes verbessern.

Fazit

Unser Global Capital Confidence Barometer (PDF) misst das Vertrauen der Unternehmen in die Zukunft der Wirtschaft und identifiziert auf Vorstandsebene Trends und Praktiken, mit denen Unternehmen ihre Kapitalagenden verwalten.

Über diesen Artikel

Von Constantin Gall

Managing Partner Strategy and Transactions

Hat jahrzehntelange Erfahrung in der Strategie- und Transaktionsberatung sowie in der Automobilbranche. Ist auch privat ein Autoenthusiast und geht gerne mit Familie und Freunden auf Reisen.