4 Minuten Lesezeit 7 April 2020
A young businessman feeling frustrated while working at his desk during a late night at work

Wie sich COVID-19 auf den M&A-Markt auswirkt

Von Constantin Gall

Managing Partner Strategy and Transactions

Hat jahrzehntelange Erfahrung in der Strategie- und Transaktionsberatung sowie in der Automobilbranche. Ist auch privat ein Autoenthusiast und geht gerne mit Familie und Freunden auf Reisen.

4 Minuten Lesezeit 7 April 2020

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Kurzarbeit, sinkende Margen, Insolvenzen: Die Corona-Krise trifft deutsche Unternehmen hart. Auch M&A-Deals bleiben davon nicht verschont.

Die Weltwirtschaft im Krisenmodus: Die ökonomischen Auswirkungen der Corona-Pandemie treffen Unternehmen weltweit und in Deutschland schwer. Das zeigt das aktuelle „Capital Confidence Barometer“ von EY. Dafür wurden 2.900 Entscheider weltweit befragt, 145 deutsche Unternehmen nahmen an der Studie teil. Noch rechnen 59 Prozent der hiesigen Konzerne nur mit geringen Auswirkungen auf den Standort Deutschland, 40 Prozent gehen allerdings schon jetzt von schwerwiegenden Folgen aus.

Coronavirus-Pandemie

64 %

der deutschen Unternehmen erwarten eine starke Belastung ihrer Margen und ihrer Profitabilität.

Zudem gaben 38 Prozent der befragten Unternehmen an, Personalanpassungen vornehmen zu wollen; 31 Prozent wollen die Lage zunächst neu bewerten - Einstellungsstopps und krisenbedingte Entlassungen werden nicht ausgeschlossen. Bei den Banken gingen bereits in den ersten Tagen des KfW-Sonderkreditprogramms Tausende Anträge ein. Damit reagieren die Unternehmen auf sinkende Absatz- und Umsatzzahlen, belastete Margen und eine abnehmende Profitabilität. Das oberste Ziel in diesen Tagen: die Liquidität sichern.

M&A-Geschäft wird mittelfristig wieder an Fahrt aufnehmen

Obwohl die Profitabilität in Gefahr ist, erkennen die deutschen Unternehmen derzeit aber auch Chancen für günstige Zukäufe: 26 Prozent der Befragten sehen die Gelegenheit, ihren Marktanteil durch Fusionen und Übernahmen auszubauen, 40 Prozent hoffen jetzt auf sinkende Bewertungen möglicher Übernahmekandidaten. Global beträgt der Anteil 23 beziehungsweise 39 Prozent. Weltweit beobachten die Unternehmen den M&A-Markt nun mit besonders wachem Blick. In der akuten Phase der Corona-Krise werden sich interessierte Käufer zwar zunächst zurückhalten. Anschließend wird es aber angesichts sinkender Bewertungen von Übernahmekandidaten zu einem deutlichen Anstieg der M&A-Aktivitäten kommen. Das ist ein Lerneffekt aus der Finanzkrise, nach der sich viele aus Vorsicht zunächst nicht an Fusionen und Übernahmen herangetraut hatten. Insbesondere jetzt zeigt sich auch, welcher Konzern sich schon frühzeitig als Portfolio-Unternehmen aufgestellt hat und damit besser durch die Krise kommt. Im Vergleich zu Wettbewerbern, die eng miteinander verwoben sind, sind jene nämlich offener für Kooperationen, Joint Ventures und den Verkauf von Unternehmen beziehungsweise die Abspaltung von Unternehmensteilen.

In der akuten Phase der Corona-Krise werden sich interessierte Käufer zwar zunächst zurückhalten. Wir rechnen aber damit, dass es anschließend angesichts sinkender Bewertungen von Übernahmekandidaten zu einem deutlichen Anstieg der M&A-Aktivitäten kommen wird.

Corona-Krise trifft produzierendes Gewerbe besonders hart

Weltweit bewerten die Befragten die Automobilindustrie als am stärksten von der Krise betroffen (27 Prozent). Die deutschen Unternehmer sehen jedoch einen anderen Bereich auf Platz eins: die hochentwickelte Fertigung (28 Prozent). Sowohl in der Automobilindustrie als auch im Maschinenbau steht die Produktion praktisch still, unter anderem weil infolge unterbrochener globaler Lieferketten wichtige Teile fehlen. Das lässt die Umsätze der Unternehmen sinken.

Auf Platz drei rangiert der Handel (14 Prozent), wobei sich hier ein ambivalentes Bild zeigt: Unternehmen mit Produkten des täglichen Bedarfs, zum Beispiel Supermärkte oder Drogerien, und Unternehmen, die einen gut funktionierenden Onlinehandel haben, sind gut ausgelastet. Bei anderen Handelsunternehmen, vor allem kleineren Firmen, ist der Absatz fast vollständig eingebrochen. Durch die Unsicherheit der Coronavirus-Pandemie konsumieren die Menschen weniger, durch Kurzarbeit haben viele weniger Geld zur Verfügung, zudem hemmen sie Zukunftssorgen.

Coronavirus-Pandemie

47 %

der deutschen Unternehmen arbeiten daran, die Automatisierung zu beschleunigen.

Digitalisierung im Schnellverfahren – die Krise bringt auch Chancen

Unternehmen in Deutschland stehen vor enormen Sorgen und Herausforderungen, aber auch vor kleinen und größeren Chancen. Die Coronavirus-Pandemie treibt Innovation, Kreativität und sich schnell(er) verändernde Prozesse. Viele Mitarbeiter großer Konzerne arbeiten inzwischen im Homeoffice, an ihre Arbeitsplätze kommen sie nur, wenn ihr Beruf unverzichtbar oder der Arbeitsplatz unverlegbar ist. Die Remote-Arbeit lässt die digitale Transformation schneller voranschreiten; Videokonferenz-Tools oder digitale Workspaces werden in Windeseile eingeführt. 34 Prozent der deutschen Unternehmen verstärken derzeit ihre digitale Transformation. 

Ein weiteres Ergebnis der aktuellen Krise wird die Erkenntnis sein, dass die digitale Transformation noch viel zügiger umgesetzt werden muss. Ohne ein funktionierendes digitales Geschäftsmodell wird es zukünftig nicht mehr gehen.

Noch mehr Befragte (47 Prozent) geben an, die Automatisierung in ihren Betrieben deutlich beschleunigen zu wollen, immerhin 36 Prozent optimieren ihre weltweiten Lieferketten. Wenn die Coronavirus-Pandemie etwas schmerzhaft zeigt dann, dass Just-in-time-Produktion und enge globale Verflechtungen in Krisenzeiten kaum noch haltbar sind.

Die Bedingungen für viele Unternehmen werden sich nach der Krise verändert haben: Kunden haben ihr Verhalten angepasst, Lieferketten müssen neu gedacht und vielleicht deglobalisiert werden. Nicht zuletzt werden viele Unternehmen höhere Schulden haben, die sie unter anderem durch Verkäufe von Unternehmensteilen reduzieren könnten. Ein Blick auf die Finanzkrise 2009 zeigt: Unternehmen, die jetzt planvoll, überlegt und mutig reagieren, könnten gestärkt aus der Corona-Krise hervorgehen. 

Fazit

Im aktuellen Capital Confidence Barometer von EY rechnen 73 Prozent der befragten Unternehmen mit schwerwiegenden Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie auf die Weltwirtschaft. Der Blick auf Deutschland zeigt: Bisher gehen nur 40 Prozent der hiesigen Unternehmen von schwerwiegenden Auswirkungen auf die Binnenkonjunktur aus. Neben Kurzarbeit, sinkenden Margen und Stellenabbau sind auch die Folgen für den M&A-Markt beträchtlich.

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Von Constantin Gall

Managing Partner Strategy and Transactions

Hat jahrzehntelange Erfahrung in der Strategie- und Transaktionsberatung sowie in der Automobilbranche. Ist auch privat ein Autoenthusiast und geht gerne mit Familie und Freunden auf Reisen.