12 Minuten Lesezeit 11 Mai 2022
Europa bei Nacht

Mindestbesteuerung: Welche Herausforderungen sich für betroffene Unternehmen ergeben

Von Tax & Law Magazine

Das Kundenmagazin von EY Deutschland zu aktuellen Steuer- und Rechtsthemen.

12 Minuten Lesezeit 11 Mai 2022

Der regulatorische Druck bietet in Verbindung mit einer Tax-Strategie durchaus Mehrwert für Investoren.

Nach Erscheinen der OECD-Mustervorschriften zur Einführung der internationalen Mindestbesteuerung, auch als BEPS 2.0 Pillar 2 bezeichnet, bemüht sich die Europäische Kommission ebenfalls um eine rasche Einführung. Ein entsprechender Richtlinienentwurf wurde am 22. Dezember 2021, nur zwei Tage nach Veröffentlichung der OECD-Mustervorschriften, von der Kommission zur Diskussion gestellt. Bisher konnte die erforderliche Einstimmigkeit für eine Einführung ab dem Jahr 2023 (ggf. faktisch ab 2024) unter den Mitgliedstaaten aber nicht erreicht werden. In der letzten Verhandlungsrunde im April hatte Polen seine Zustimmung zu einem überarbeiteten Kompromisstext verweigert. Ob die französische Ratspräsidentschaft ihr selbst gesetztes Ziel, die Richtlinie im ersten Halbjahr 2022 zu verabschieden, erreichen kann, ist somit ungewiss.

Mit einer raschen Umsetzung wären die Länder der Europäischen Union zwar Vorreiter bei der lokalen Umsetzung dieser umfassenden Neuordnung des internationalen Steuersystems, aber auch andere Staaten wie die Schweiz, Singapur oder das Vereinigte Königreich haben bereits erste Maßnahmen ergriffen, um die zukünftigen Anforderungen zu evaluieren und sie zu erfüllen. Im Hinblick auf die USA ist indes wegen der dortigen aktuellen politischen Mehrheitsverhältnisse noch ungewiss, ob es zu Änderungen an den sog. GILTI-Regelungen kommen wird, damit diese Steuer in das globale System eingebunden werden kann. US-Konzerne beobachten die Entwicklungen jedenfalls zunehmend intensiv.

Von der Mindestbesteuerung wären voraussichtlich Unternehmen betroffen, die basierend auf dem Konzernabschluss in mindestens zwei von vier aufeinanderfolgenden Jahren einen jährlichen Umsatz von 750 Mio. Euro oder mehr erzielt haben. 

Ermittlungsformel für die Top-up Tax

Die Anwendung der Income Inclusion Rule: Top-down-Ansatz

Im Mittelpunkt des international auch als "GloBE Proposal" (Global Anti-Base Erosion) bezeichneten Plans zur Umsetzung der Mindestbesteuerung steht die sog. Income Inclusion Rule. Diese soll im Grundsatz eine Mindestbesteuerung von niedrig besteuerten Konzerngesellschaften (sog. Constituent Entities, dabei kann es sich auch um Betriebsstätten handeln) durch eine Ergänzungssteuer (sog. Top-up Tax) auf der Ebene der obersten Konzerngesellschaft (sog. Ultimate Parent Entity) sicherstellen.

Die Erhebung der Top-up Tax folgt einem Top-down-Ansatz: Grundsätzlich soll die Income Inclusion Rule auf der Ebene der Ultimate Parent Entity zur Anwendung kommen. Ist diese in der EU ansässig, wäre die Anwendung der Income Inclusion Rule auf dieser Ebene verpflichtend. Ist die Ultimate Parent Entity jedoch in einem Drittland ansässig, das keine anerkannte Income Inclusion Rule anwendet, soll in der EU eine Anwendung auf der Ebene zwischengeschalteter Muttergesellschaften (sog. Intermediate Parent Entities) erfolgen. Hierbei handelt es sich – vereinfacht ausgedrückt – um Konzerngesellschaften, die an anderen Gesellschaften der Unternehmensgruppe beteiligt sind und nicht selbst als Ultimate Parent Entity qualifizieren. Dem Top-down-Ansatz folgend kommt die Income Inclusion Rule in diesem Fall nur auf der Ebene der obersten Intermediate Parent Entity zur Anwendung, sodass insoweit eine mehrfache Anwendung auf mehreren Gesellschaftsebenen vermieden wird.

Eine Ausnahme vom Top-down-Ansatz besteht für „Partially-Owned Parent Entities“ (sog. POPE). Darunter sind Konzerngesellschaften zu verstehen, an denen zu mehr als 20 Prozent Gesellschafter beteiligt sind, die selbst nicht Teil der Unternehmensgruppe sind. Eine POPE hat die Income Inclusion Rule abweichend vom Top-down-Ansatz selbst auf nachgelagerte Tochtergesellschaften anzuwenden, obwohl sie nicht selbst die Ultimate Parent Entity ist. Auf diese Weise wird vermieden, dass die Mindestbesteuerung in Höhe der Beteiligung von außenstehenden Gesellschaftern leerläuft. 

Erdkugel

Das African Tax Administration Forum (ATAF) hat bei den OECD-Verhandlungen erreicht, dass einige Regelungen zugunsten der Entwicklungsländer aufgenommen wurden. Im Einigungsprozess legten gerade Entwicklungsländer Wert darauf, dass ihnen gewisse steuerliche Optionen zur Attraktivitätssteigerung ihrer Volkswirtschaft nicht genommen werden. Demnach erkannten die Mitglieder des Inclusive Frameworks (IF) an, dass die „Subject to tax rule“ (STTR) für Entwicklungsländer Voraussetzung für einen Konsens über Säule 2 ist. IF-Mitglieder, die auf Zinszahlungen, Lizenzgebühren sowie eine Reihe anderer Zahlungen einen nominalen Körperschaftsteuersatz anwenden, der unter dem STTR-Mindestsatz liegt, nehmen in ihre bilateralen Steuerabkommen mit Entwicklungsländern, die Mitglied des IF sind, die STTR auf, wenn sie darum ersucht werden.

Die Undertaxed Payments Rule und die Domestic Minimum Top-up Tax

Als Auffangvorschrift zur Income Inclusion Rule fungiert die sog. Undertaxed Payments Rule. Diese ermöglicht einen Zugriff auf das niedrig besteuerte GloBE-Einkommen in anderen Jurisdiktionen, soweit dieses nicht bereits durch die Anwendung der Income Inclusion Rule erfasst wird. Hierbei handelt es sich um eine Abweichung vom Top-down-Ansatz, auf dem die Income Inclusion Rule basiert. Die Top-up Tax wird bei der Undertaxed Payments Rule von anderen Konzerngesellschaften der Unternehmensgruppe nacherhoben, wenn der jeweilige Ansässigkeitsstaat eine Undertaxed Payments Rule eingeführt hat – unabhängig davon, in welchem unmittelbaren oder mittelbaren Beteiligungsverhältnis die Gesellschaft zu derjenigen Gesellschaft steht, welche die Top-up Tax durch ihre Niedrigbesteuerung ausgelöst hat. Da es hierbei anders als bei der Income Inclusion Rule keine Zugriffsreihenfolge gibt, sondern dem Regelwerk nach alle berechtigten Staaten gleichzeitig zum Zuge kommen, wird die Top-up Tax durch einen Schlüssel aufgeteilt. Konkret erfolgt die Verteilung zwischen den Jurisdiktionen, die einen Zugriff auf der Basis der Undertaxed Payments Rule vorsehen, zu je 50 Prozent im Verhältnis der Beschäftigten und des Sachanlagevermögens. Anders als der Name vermuten lässt, kommt es somit für die Anwendung der Undertaxed Payments Rule keineswegs nur auf Zahlungen an die niedrig besteuerte Gesellschaft an.

Um dem Steuerzugriff durch die Income Inclusion Rule oder die Undertaxed Payments Rule durch andere Staaten „zuvorzukommen“, sehen die OECD-Vorschriften die Möglichkeit vor, eine sog. Domestic Minimum Top-up Tax einzuführen. Hierdurch können Staaten die Top-up Tax von lokal ansässigen Konzerngesellschaften selbst erheben und somit schon lokal eine Besteuerung in Höhe des globalen Mindestsatzes sicherstellen. Es besteht ein erheblicher Anreiz, dies zu tun, da ansonsten ein anderer Staat das lokale – bisher niedrig versteuerte – Einkommen nachversteuert.

Ermittlungssystematik von GloBE-ETR und Top-up Tax

Für die Frage, ob eine Konzerngesellschaft niedrig besteuert wird, erfolgt ein sog. Jurisdictional Blending. Bei diesem Vorgehen werden Steuern und Einkommen aggregiert für alle Konzerngesellschaften einer Jurisdiktion ermittelt. Hierdurch kann eine Niedrigbesteuerung einer Konzerngesellschaft durch eine hohe Besteuerung einer anderen Konzerngesellschaft im selben Staat „kompensiert“ werden. Maßgeblich für die Ermittlung dieser „GloBE-ETR“ sind die sog. Adjusted Covered Taxes als Zähler und das sog. GloBE-Einkommen als Nenner (zur Ermittlung dieser Werte siehe unten). Liegt die sich so ergebende GloBE-ETR unter 15 Prozent, ist eine länderbezogene Top-up Tax zu ermitteln. Soweit die GloBE-ETR der Jurisdiktion den Mindeststeuersatz in Höhe von 15 Prozent unterschreitet, ist dieser Differenzsteuersatz auf den Gewinnüberschuss der Jurisdiktion nach Abzug bestimmter Substanzfaktoren (sog. substance-based Carve-outs, berechnet aus anteiligen Personalaufwendungen und der anteiligen Berücksichtigung von Anlagegütern) anzuwenden. Nach Abzug einer etwaigen Domestic Minimum Top-up Tax ergibt sich die (verbleibende) landesbezogene Top-up Tax. Die Verteilung dieser Top-up Tax auf die einzelnen Konzerngesellschaften im jeweiligen Staat erfolgt im Verhältnis des GloBE-Einkommens der einzelnen Gesellschaft zum gesamten GloBE-Einkommen der Gesellschaften in der Jurisdiktion. 

Erdkugel Asien

Viele asiatische Länder bieten eine Reihe von Steueranreizen, um Unternehmen und Investitionen anzuziehen. Die Einführung einer globalen Mindeststeuer wirft Fragen hinsichtlich der künftigen Standortattraktivität auf. Jedoch haben China und Indien angekündigt, Schlüsselelemente der OECD-Empfehlungen in die Gesetzgebung zu übernehmen.

  • GloBE Glossar

    Adjusted Covered Taxes

    Tatsächlicher Steueraufwand einzelner Konzerneinheiten (Constituent Entities) für das Geschäftsjahr, der gemäß der OECD-Modellregelungen sowie in der EU gemäß (geplanter) Richtlinie zu berechnen, anzupassen und ggf. zu bereinigen ist.

    Constituent Entity

    Geschäftseinheit, deren Finanzzahlen aus Bilanz und GuV für Zwecke der GloBE-Besteuerung einzubeziehen sind (Konzerngesellschaft oder Betriebsstätte).

    Country-by-Country Reporting (CbCR)

    Das CbCR ist Teil des BEPS-Projekts der OECD und verpflichtet große Unternehmen, den Finanzbehörden Auskunft über Kenndaten einschließlich gezahlter Steuern sowie über grenzüberschreitende Konzernstrukturen zu geben.

    Fast Close

    Beschleunigte Erstellung, Prüfung und Veröffentlichung von Jahresabschlüssen. Gängige Praxis bei vielen Unternehmen, da sich ein zügiger Jahresabschluss aus vielen Gründen als vorteilhaft erweist, um eine frühzeitige Berichterstattung über die Vermögens-, Ertrags- und Finanzanlage zu erhalten.

    GloBE

    „GloBE“ steht für „Global Anti-Base Erosion“. Die GloBE-Regeln beschreiben den Mechanismus, wie die Mindestbesteuerung von 15 Prozent bei Konzernen umgesetzt wird.

    GloBE Effective Tax Rate (GloBE-ETR)

    Steuerrate, die Konzerneinheiten eines Landes auf ihr jeweiliges GloBE-Einkommen entrichten. Liegt diese in jedem Land bei mindestens 15 Prozent, ist keine Nachversteuerung erforderlich.

    GloBE-Einkommen

    Länderbezogenes Einkommen der Konzerneinheiten, das im ersten Schritt grundsätzlich nach den geltenden Rechnungslegungsstandards zu ermitteln und im zweiten Schritt an die GloBE-Regeln anzupassen ist.

    GloBE Information Return

    Feststellungserklärung, die jede einbezogene Gesellschaft 15 Monate nach Ende des Wirtschaftsjahres abzugeben hat. Sie enthält Beteiligungsinformationen und die Berechnungsgrundlagen zur Ermittlung der GloBE-Kennzahlen.

    Income Inclusion Rule (IIR)

    Primärregel, wonach der Ansässigkeitsstaat der Konzernmutter auf deren Ebene eine „Top-up Tax“ auf die Einkünfte ausländischer Tochterunternehmen oder der Muttergesellschaft selbst zu erheben hat, soweit die GloBE-ETR weniger als 15 Prozent beträgt.

    Notification

    Sobald der Informationsaustausch zwischen den Finanzverwaltungen sichergestellt ist, soll es möglich sein, dass nur noch die Konzernspitze oder eine andere hierfür bestimmte Gesellschaft den GloBE Information Return abgibt. Hierzu bedarf es sodann einer Mitteilung an lokale Steuerbehörden („Notification“).

    Qualifying Refundable Tax Credit

    Qualifizierte erstattungsfähige Steuerbeträge, die innerhalb von vier Jahren gezahlt werden müssen, sind gemäß der geplanten EU-Richtlinie in die erfassten Steuern einzubeziehen, sofern diese den laufenden Steueraufwand reduzieren.

    Recapture-Regel

    Rückfallklausel, wonach latente Steuern aus dem GloBE-Rechenwerk herauszunehmen sind, sofern diese nicht innerhalb eines in der Richtlinie festgelegten Zeitraums tatsächlich entrichtet werden.

    Reporting Package

    Konvolut zum Jahresabschluss eines internationalen Konzerns, das Angaben, Informationen, Berichte und Erklärungen nach den jeweiligen Rechnungslegungsvorschriften enthält.

    Tax Credit

    Steuergutschriften: Nach den GloBE-Regeln werden Tax Credits im Grundsatz im Jahr ihrer Gewährung als Ermäßigung der erfassten Steuern behandelt.

    Top-up Tax

    Ergänzungssteuer, die nach den GloBE-Regeln länderbezogen ermittelt wird, sofern die GloBE-ETR unter 15 Prozent liegt.

    Undertaxed Payments Rule (UTPR)

    Sekundärregel, wonach im Falle der Nichtanwendbarkeit der Income Inclusion Rule beim Konzern alternativ die Top-up Tax in den Ansässigkeitsstaaten der Tochtergesellschaften nach einem bestimmten Schlüssel erhoben wird.

Herausforderung: Ermittlung von GloBE-Einkommen und Adjusted Covered Taxes

Zentrale Herausforderung der neuen Regelungen ist die Ermittlung der GloBE-ETR, die sich aus den Adjusted Covered Taxes und dem GloBE-Einkommen ergibt. Für die Ermittlung dieser Werte ist (zwar) grundsätzlich vom Rechnungslegungsstandard des Konzernabschlusses als Startpunkt auszugehen; das GloBE-Einkommen unterscheidet sich jedoch von den Jahresüberschüssen der Konzernabschlüsse, die Unternehmen nach den üblichen Rechnungslegungsstandards IFRS, HGB und US-GAAP erstellen. Der Konzernabschluss wird in der Regel anhand von sogenannten Reporting Packages erstellt, die im Gegensatz zu einem Einzelabschluss einer Gesellschaft häufig schon Anpassungen im Hinblick auf die Konsolidierung enthalten. So sind häufig die Effekte aus Kaufpreisallokationen bei einem Unternehmenserwerb oder Zwischenergebniseliminierungen einschließlich der zugehörigen latenten Steuern enthalten. Diese Beträge dürfen aber für die Ermittlung des GloBE-Einkommens nicht berücksichtigt werden. Dagegen sind Buchungen einzubeziehen, die auf Konzernebene vorgenommen werden, obwohl sie einzelnen Gesellschaften zuzuordnen sind. Die Gründe hierfür sind in der Praxis vielfältig und können von zeitlichen Aspekten („late entries“) bis zu Prozessvereinfachungen bestimmter Themen reichen. Auch die Ermittlung der Adjusted Covered Taxes erfordert zahlreiche Anpassungen der im Konzernabschluss gebuchten Aufwendungen für Steuern vom Einkommen und vom Ertrag.

Der Schein kann trügen: Drei Beispiele für Abweichungen von der „Accounting ETR“

Trotz lokaler Steuersätze von mehr als 15 Prozent kann es zu einer Top-up Tax kommen. Solche Fälle sind aufgrund von Abweichungen zwischen der GloBE-ETR und der Accounting-ETR ohne eine detaillierte Berechnung nach den OECD-Mustervorschriften nicht ohne weiteres zu erkennen. Weder kann man im Falle einer niedrigen ETR nach handelsrechtlichen Regeln automatisch auf eine Top-up Tax schließen, noch bedeutet eine ETR im Konzernabschluss von über 15 Prozent, dass keine Top-up Tax anfällt. Insbesondere das unvorteilhafte Zusammenspiel aus der in den OECD-Mustervorschriften vorgesehenen Umbewertung der Steuern auf temporäre Differenzen (diese dürfen mit maximal 15 % angesetzt werden) und Verlustvorträgen in Kombination mit steuerfreien Erträgen führt in vielen Fällen zu einer zusätzlichen Besteuerung. Folgende Beispiele sollen dies verdeutlichen.

Beispiel 1: Steuerlich begünstigte Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen

Ausgehend von einem IFRS-/HGB-Ergebnis vor Steuern von 1.000 Geldeinheiten (GE) wurden Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen in Höhe von 800 GE aktiviert. Für steuerliche Zwecke seien diese Aufwendungen sofort abzugsfähig. Es ergibt sich eine zu versteuernde temporäre Differenz in Höhe von 800 GE. Weiterhin werden Einkünfte in Höhe von 100 GE aufgrund der lokal begünstigten F&E-Tätigkeit als steuerfrei behandelt. Dieser Ertrag ist für GloBE-Zwecke kein begünstigter Ertrag und mindert das GloBE-Einkommen nicht.

Das Beispiel zeigt, wie schnell steuerliche Sonderabschreibungen und steuerfreie Erträge in Kombination dazu führen können, dass Unternehmen unter die 15-Prozent-Grenze rutschen und in die Mindestbesteuerung fallen. 

Steuerlich beguenstigte Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen

Beispiel 2: Verlustfälle

Auch in Verlustfällen kann es zu ähnlich unvorteilhaften Fällen kommen, wenn im Jahr der Verlustnutzung nach lokalem Recht steuerfreie Erträge entstehen, die nach den OECD-Mustervorschriften aber zu keiner Einkommenskürzung führen.

Die Berücksichtigung der latenten Steuern auf Verluste im Rahmen der Adjusted Covered Taxes mit maximal 15 Prozent in Kombination mit einem steuerfreien Ertrag kann zu einer Top-up Tax im Jahr der Verlustnutzung führen.

Verlustfälle

Beispiel 3: Nachbesteuerung latenter Steuern (Recapture-Regel)

Eine weitere Herausforderung der OECD-Mustervorschriften stellt die sogenannte Recapture-Regel dar. Unternehmen müssen ihren latenten Steueraufwand aus zu versteuernden temporären Differenzen, die sich nicht innerhalb von fünf Jahren umkehren, nach den GloBE-Regeln rückwirkend im Jahr der Entstehung der Differenz kürzen, wenn nicht ein Ausnahmetatbestand vorliegt. Dadurch verringern sich die Adjusted Covered Taxes und die GloBE-ETR, woraus sich eine (zusätzliche) Top-up Tax ergeben kann. Die von den OECD-Mustervorschriften hierfür genannten Ausnahmetatbestände umfassen u. a. Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen sowie diverse Abweichungen im Sachanlagevermögen, nicht jedoch immaterielle Wirtschaftsgüter. Im folgenden Beispiel soll ein immaterielles Wirtschaftsgut steuerlich jährlich mit 400 GE gegeben und nach IFRS / HGB nicht abzuschreiben sein. Die hierdurch entstehende zu versteuernde temporäre Differenz kehrt sich erst bei einem Verkauf des Wirtschaftsgutes um. Ein solcher Verkauf soll hier annahmegemäß nicht innerhalb von fünf Jahren stattgefunden haben. Es ergibt sich somit eine rückwirkende Neuberechnung im Jahr der Entstehung der temporären Differenz. In diesem Fall hat die Recapture-Regel die Entstehung einer Top-up Tax zur Folge.

Die Beispiele zeigen, wie die Anwendung der OECD-Mustervorschriften zu einer Top-up Tax führen kann, obwohl ein Nominalsteuersatz und eine handelsrechtliche ETR über dem Mindeststeuersatz vorliegen. Es ist somit nicht nur aufgrund der Anforderung zur Erstellung einer verlässlichen Steuerklärung (siehe hierzu den nächsten Abschnitt), sondern insbesondere im Hinblick auf eine zuverlässige Planung von Steuerzahlungen und ETR erforderlich, frühzeitig potenzielle Auswirkungen der OECD-Mustervorschriften zu analysieren.

Nachbesteuerung latenter Steuern

Deklarationspflichten

Im Mittelpunkt der Deklaration steht mit dem sog. GloBE Information Return eine Steuererklärung, die umfangreiche Angaben zu Unternehmensstruktur, Steuernummern und zu den Berechnungsgrundlagen der Top-up Tax enthalten soll. Durch einen grenzüberschreitenden Informationsaustausch zwischen den Finanzverwaltungen soll ermöglicht werden, dass die Einreichung dieser Erklärung nur in einzelnen oder einer einzigen Jurisdiktion notwendig ist. So läge es beispielsweise nahe, dass in der Praxis die Ultimate Parent Entity einen ordnungsgemäßen GloBE Information Return einreicht und dieser dann weltweit geteilt werden kann. Die weltweiten Konzerngesellschaften würden dann lediglich ihre lokalen Steuerbehörden über die einreichende Gesellschaft und deren Ansässigkeitsstaat informieren („Notification“). Eingereicht werden soll der GloBE Information Return innerhalb von 15 Monaten nach Ende des Wirtschaftsjahres, wobei für Unternehmensgruppen, die erstmals in den Anwendungsbereich der Mindestbesteuerung gelangen, eine verlängerte Abgabefrist von 18 Monaten vorgesehen ist. Ob die auf eines oder wenige Länder beschränkte Abgabeverpflichtung aber in der Praxis tatsächlich gelingt, bleibt abzuwarten. Gerade in Ländern mit einer Domestic Minimum Top-up Tax ist mit zusätzlichen lokalen Abgabeverpflichtungen zu rechnen.

Deklarationspflichten

Umfassender Neustart für die Steuerfunktion

Den notwendigen Mehraufwand, der im Rahmen der Mindeststeuer entsteht, können Unternehmen zum Anlass nehmen, gleich auch andere aktuelle Themen anzupacken, die in den Steuer- und Finanzabteilungen auf der Agenda stehen. Hierzu gehören beispielsweise das öffentliche Country-by-Country Reporting oder die S4/Hana-Implementierung. Das für die Mindestbesteuerung erforderliche Datenmanagement mit bis zu ca. 150 Datenpunkten pro Constituent Entity ist Anlass genug, neben der Prozess- und Durchführungsdokumentation auch den Einsatz geeigneter Technologien genau zu evaluieren, um mit einem modernen Datenbankmodell oder einem Tax Data Hub in die Ära der Mindestbesteuerung zu starten.

Auch Teamkapazitäten und gemeinsame Ressourcen aus Tax, Finance, Controlling und IT sind gefordert – verbunden mit dem notwendigen Budget, um den Compliance-Anforderungen gerecht zu werden. Viele Konzerne befinden sich ohnehin in der Transformation ihrer ERP-Landschaft und stellen auf einheitliche Kontenpläne und einheitliche ERP-Systeme um. In diesem Zusammenhang kann es sinnvoll sein, die Anforderungen der globalen Mindestbesteuerung in laufende Transformationsprojekte einfließen zu lassen, um automatisierten Lösungen den Weg zu bereiten. Hierfür spricht insbesondere, dass die Befolgung der OECD-Mustervorschriften immens datengetrieben ist. Zumindest in der zeitkritischen Jahresabschlussphase werden die erforderlichen Berechnungen ohne weitgehende Automatisierung kaum möglich sein. Hier kann sich sogar ein Neustart in Form eines ganzheitlichen Projektansatzes aufgrund des Ineinandergreifens der Themen lohnen.

Bei der bereits jetzt erkennbar hohen Anzahl erforderlicher Datenpunkte wird es in der Unternehmenspraxis aller Voraussicht nach nicht bleiben, da darüber hinausgehende „Stammdaten“ wie die Ausübung von Wahlrechten gepflegt werden müssen. Ebenso kann eine Anpassung des Buchungsverhaltens im Einzelfall notwendig sein, um neue Datenpunkte zu erlangen. Letztlich ist auch die Form der Datenhistorie anzupassen, um die Daten, die Eingang in den GloBE Information Return eingefunden haben, im Nachgang prüfen, versionieren und ändern zu können. 

Erdkugel USA

Vor allem in den USA wird die Umsetzung von BEPS 2.0 mit Spannung erwartet, müsste Washington die dortigen GILTI-Regeln anpassen, die dem OECD-Modell einer globalen Mindestbesteuerung zwar ähneln, aber in wichtigen Details abweichen. So erlaubt GILTI ein sogenanntes Global blending aller lokalen Steuersätze, während bei GloBE in jedem einzelnen Land mindestens 15 Prozent Steuern erhoben werden müssen.

Digitale Transformation

Die Mindestbesteuerung setzt Unternehmen weiter unter Druck, ihre Digitalisierung unter Einsatz von künstlicher Intelligenz voranzutreiben. Dazu zählt auch die Anpassung der IT-Infrastruktur. Hier kristallisieren sich bislang folgende Handlungsoptionen heraus:

  • vollständige Ende-zu-Ende-Implementierung auf der Basis der bestehenden IT-Plattform des Konzerns, etwa von SAP, Microsoft, Anaplan (Unternehmensplanungssoftware) oder anderen Anbietern
  • Einbindung einer Tax-Accounting-Lösung, die auch die GloBE-Funktionalität anbietet und die wegen des erforderlichen hohen Automatisierungsgrades in die vorhandene IT-Infrastruktur des Unternehmens integriert werden sollte
  • Verbindung der unternehmenseigenen Cloud mit der Cloud eines Service-Providers wie EY, um Betrieb und Wartung der GloBE-Regelbasis auf den Service-Provider auszulagern
  • Outsourcing von Kalkulationen, Reportings usw. an einen Service-Provider wie EY, sodass sich die IT-Umsetzung im Unternehmen insbesondere auf das Datenmanagement konzentriert
Zusammenfassende Darstellung paralleler Aufgaben
Hauswand bewachsen mit grünen Pflanzen

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Nach der politischen Einigung auf ein 2-Säulen-Modell geht es um das Kleingedruckte und um die nationalen Umsetzungen. Unternehmensgruppen müssen sich dem komplexen Regelwerk widmen und entsprechend vorbereiten. Daraus entsteht eventuell zeitnaher Handlungsbedarf zur Umsetzung in diversen Funktionen, maßgeblich bleibt die Steuerabteilung gefordert.

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Fazit

Mit der Einführung einer globalen Mindestbesteuerung betreten Wirtschaft und Finanzverwaltung Neuland. Die Umsetzung der Mindestbesteuerung in den OECD-Mustervorschriften und dem hierauf basierenden Richtlinienvorschlag der EU ist in weiten Teilen sehr komplex. Feststellen lässt sich bereits jetzt, dass die „Accounting-ETR“ in vielen Fällen kein zuverlässiger Indikator dafür ist, ob für GloBE-Zwecke eine Niedrigbesteuerung vorliegt und potenziell eine Top-up Tax entsteht. Verschiedene Fälle wie beispielsweise steuerlich begünstigte Forschungs-und Entwicklungsaufwendungen in Kombination mit der Umbewertung latenter Steuern auf Verluste und temporären Differenzen auf 15 Prozent können trotz eines nominal höheren Steuersatzes eine Niedrigbesteuerung für GloBE-Zwecke zur Folge haben. Die substanzbasierten Carve-outs reduzieren die Höhe der Bemessungsgrundlage für die Top-up Tax. In welchem Maße, hängt vom Umfang der Aktivitäten im jeweiligen Land ab.

Um komplexe Herausforderung wie die Umsetzung der globalen Mindestbesteuerung zu meistern und Compliance mit den zukünftigen Deklarationspflichten (GloBE Information Return) sicherzustellen, ist eine enge Zusammenarbeit von Tax, Finance, Controlling und IT notwendig. Eine global konsistente Erfassung und Berechnung der Bemessungsgrundlagen und der Top-up Tax ist nur durch standardisierte Prozessabläufe und eine harmonisierte steuerliche Rechnungslegung nach den neuen GloBE-Regeln erreichbar. Im Mittelpunkt sollte dabei ein modernes Daten- und Prozessmanagement stehen, das den bis zu 150 Datenpunkten pro Konzerngesellschaft Rechnung tragen kann. Hier bietet es sich an, die rechtlichen Anforderungen zur Umsetzung der Mindestbesteuerung in laufende Transformationsprojekte einfließen zu lassen oder gar eine weitgehende Neuausrichtung laufender Projekte in Erwägung zu ziehen, um automatisierten Lösungen den Weg zu bereiten und geeignete Handlungsoptionen zu identifizieren. Die hiermit verbundene Komplexität und die vielfältigen Implementierungsoptionen erfordern in nächster Zeit maximale Aufmerksamkeit.

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