Ausführungen des BMF vom 15.12.2021 zum Begriff der Entgeltlichkeit – Was ist bei bestehenden Betriebsverpachtungen und Betriebsaufspaltungen zu beachten?

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Gabriele Kirchhof

16 Dezember 2022

In Kommunen wird der Betrieb von Schulkantinen oder kommunalen Schwimmbädern im Rahmen einer Betriebsverpachtung regelmäßig an Dritte überlassen. Dadurch entstehen auf Ebene der Kommune in der Regel sogenannte Verpachtungs-Betriebe gewerblicher Art (BgA).

Einleitung

Wird ein ganzer Betrieb oder nur einzelne wesentliche Betriebsgrundlagen an eine kommunale Kapitalgesellschaft überlassen, entstehen sogenannte Betriebsaufspaltungen bzw. Betriebsaufspaltungs-BgA. Betriebsaufspaltungen wurden in der Vergangenheit regelmäßig als Gestaltungsinstrument gewählt, um im BgA Kapitalertragsteuer anrechnen zu können und sich auf Ebene der Kommune den Vorsteuerabzug aus der Anschaffung von Wirtschaftsgütern zu sichern.

Zur Begründung eines Verpachtungs- bzw. Betriebsaufspaltungs-BgA ist eine entgeltliche Überlassung des Betriebes bzw. der  notwendigen Betriebsgrundlagen erforderlich.

Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat mit Schreiben vom 15.12.2021 auf die BFH-Rechtsprechung zur Frage der Entgeltlichkeit bei (Betriebs-)Verpachtungen durch die öffentliche Hand reagiert.

Soweit Kommunen den Pächtern Zuschüsse oder andere Zuwendungen gewähren, muss zukünftig ganz genau geprüft werden, ob die Verpachtung überhaupt noch entgeltlich erfolgt und folglich noch ein BgA vorliegt.

Entgeltlichkeit der Verpachtung

1.   Bisherige Praxis

Gemäß § 4 Abs. 4 KStG gilt als Betrieb gewerblicher Art auch die Verpachtung eines solchen Betriebes. Die „Verpachtung“ ist definiert als eine entgeltliche Überlassung von Einrichtungen, Anlagen oder Rechten, die auch beim Verpächter zur Begründung eines BgA führen würde.

Die Finanzverwaltung hatte hinsichtlich der Entgeltlichkeit der Verpachtung in R 4.3 KStR a.F. geregelt, dass vom Verpächter gewährte Zuschüsse an den Pächter mit der bezahlten Pacht zu verrechnen sind, wenn zwischen der Pacht und dem Zuschuss eine rechtliche und tatsächliche Verknüpfung besteht.

Ein Indiz für die rechtliche und tatsächliche Verknüpfung war das Vorliegen eines einheitlichen Vertragswerks (z. B. beides im gleichen Vertrag geregelt). Die oben genannten Grundsätze galten bisher grundsätzlich auch für Betriebsaufspaltungs-BgA.

An dieser Sichtweise hält die Finanzverwaltung nun nicht mehr fest. Im BMF-Schreiben vom 15.12.2021 gibt es eine Übergangsfrist, sodass die bisherige Sichtweise bis zum 31.12.2022 noch weiter angewendet werden kann.

2.   Änderungen durch das BMF-Schreiben für Verpachtungs-BgA und Betriebsaufspaltungs-BgA

Im BMF-Schreiben vom 15.12.2021 übernimmt die Finanzverwaltung die Grundsätze der einschlägigen BFH-Rechtsprechung und beurteilt nun die Entgeltlichkeit nach der wirtschaftlichen Betrachtungsweise. Entgeltlichkeit liegt danach vor, wenn bei wirtschaftlicher Betrachtung der Pächter die wirtschaftliche Last der vereinbarten Pacht zu tragen hat.

Es kommt daher nicht auf ein einheitliches Vertragswerk an. Vielmehr ist eine „wirtschaftliche Gesamtschau“ vorzunehmen. Sollte nicht der Pächter, sondern der Verpächter die wirtschaftliche Last tragen, ist die Entgeltlichkeit zu verneinen und im Ergebnis liegt kein BgA vor. Wie eine solche „wirtschaftliche Betrachtung“ im Einzelfall auszulegen ist, wurde vom BMF offengelassen.

Die genannten Grundsätze sind sowohl bei Verpachtungs-BgA als auch bei Betriebsaufspaltungen anzuwenden.

Zur Frage, ob im Falle einer Betriebsaufspaltung die Entgeltlichkeit vorliegt, sind nach Auffassung des BMF in einer Gesamtbetrachtung neben der Pacht auch erwartbare Dividenden aus der Beteiligung und etwaige Wertzuwächse im Betriebsvermögen der Eigengesellschaft zu berücksichtigen.

Bei einer bestehenden Betriebsaufspaltung mit einer kommunalen Kapitalgesellschaft, die dauerhaft Verluste erzielt, muss bei der Gewährung von Zuschüssen oder anderen Maßnahmen zur Verlustabdeckung der Trägerkörperschaft zukünftig geprüft werden, ob im Einzelfall ein Zuschuss im Sinne des genannten BMF-Schreibens vorliegen könnte, der mit der Pachtzahlung saldiert werden muss.

Wie sind Zuwendungen an Eigengesellschaften hinsichtlich einer möglichen Saldierung zu beurteilen?

Hinsichtlich der Anwendung der wirtschaftlichen Gesamtschau stellt sich die Frage, welche Zuschüsse bzw. Zuwendungen von jPdöR an ihre Tochtergesellschaften im Rahmen einer wirtschaftlichen Gesamtschau zukünftig mit Pachtzahlungen (zur Prüfung der Entgeltlichkeit der Verpachtung) saldiert werden müssen.

Soweit kommunale Kapitalgesellschaften dauerhaft defizitäre Ergebnisse erzielen, müssen die entstehenden Verluste durch die Trägerkörperschaft ausgeglichen werden.

Der Verlustausgleich kann dabei auf schuldrechtlicher Basis (z. B. Betriebskostenzuschuss, Investitionszuschuss) oder auf gesellschaftsrechtlicher Basis (z. B. Einlage, Ergebnisabführungsvertrag) erfolgen.

Bei Zuwendungen auf gesellschaftsrechtlichen Grundlagen gibt es gute Argumente, die gegen eine Verrechnung mit Pachtentgelten sprechen: Einerseits fehlt es am wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen der Pachtzahlung und der Zuwendung, andererseits liegt  gesellschaftsrechtlichen Vorgängen eine andere Rechtsnatur zu Grunde als bei schuldrechtlichen (zweiseitigen) Pachtverträgen. Gleichwohl kann es hier auch Zweifelsfragen geben.

Bei der Prüfung, ob eine Saldierung von Zuschüssen oder Zuwendungen mit den Pachtzahlungen erfolgen sollte, sollten daher immer die vertraglichen Regelungen im Einzelfall geprüft werden.

Steuerliche Folgen bei einer zukünftig unentgeltlichen Verpachtung

Sollte bei einem bestehenden Verpachtungs-BgA oder einer bestehenden Betriebsaufspaltung die Entgeltlichkeit des Pachtentgeltes zukünftig verneint werden, beispielsweise aufgrund von hohen Zuschusszahlungen an den Pächter, stellt sich die Frage nach den ertragsteuerlichen Konsequenzen.

In den Fällen, in denen die Entgeltlichkeit aufgrund der neuen Sichtweise bei Verpachtungsfällen zukünftig nicht mehr vorliegt, sollte dies zur Folge haben, dass bisher kein BgA und somit auch kein BgA-Betriebsvermögen bestanden hat.

Wie die bestehende Übergangsfrist des BMF in diesem Kontext zu verstehen ist, bleibt abzuwarten.

Bei einer Beendigung eines bestehenden BgA kommt es grundsätzlich zur Besteuerung der stillen Reserven und gegebenenfalls zu hohen Steuerzahlungen. Daher sollten bis zum Jahresende sämtliche Zuschusszahlungen bzw. Zuwendungen an den Pächter im Rahmen einer Betriebsverpachtung oder Betriebsaufspaltung geprüft werden.

Vor der Umstellung auf § 2b UStG wird die umsatzsteuerliche Unternehmereigenschaft von Kommunen an das Vorliegen eines ertragsteuerlichen BgA geknüpft. Sollte die Umstellung auf § 2b UStG erst zum 01.01.2024 bzw. 01.01.2025 erfolgen, muss neben den ertragsteuerlichen Folgen beim Wegfall eines BgA darüber hinaus noch geprüft werden, ob mangels Unternehmereigenschaft der jPdöR in 2023 bzw. in 2024 eine Vorsteuerkorrektur gemäß § 15a UStG auf Ebene der Kommune droht.

Gestaltungsüberlegungen

Um die Problematik der Entgeltlichkeit bei Verpachtungsfällen nicht entstehen zu lassen, wäre es grundsätzlich denkbar, einen verpachteten Betrieb zukünftig wieder selbst zu betreiben.

Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, einen Verpachtungs-BgA oder einen Betriebsaufspaltungs-BgA in eine Kapitalgesellschaft auszugliedern. Hierbei sind jedoch ertragsteuerliche und grunderwerbsteuerliche Fallstricke zu beachten.

Fazit

Für das Vorliegen eines Verpachtungs-BgA oder eines Betriebsaufspaltungs-BgA ist ab dem Jahr 2023 nach der wirtschaftlichen Gesamtschau zu beurteilen, ob eine Entgeltlichkeit der Verpachtung im Einzelfall noch vorliegt.

Nur im Falle einer entgeltlichen Verpachtung ist zukünftig noch von einem BgA auszugehen. Soweit aufgrund der neuen Sichtweise der Finanzverwaltung eine bisher als entgeltlich behandelte Pacht zukünftig als unentgeltlich anzusehen wäre, drohen gegebenenfalls ertragsteuerliche und umsatzsteuerliche Folgen.

Bei Bestehen von Verpachtungs-BgA und Betriebsaufspaltungs-BgA sollte deshalb bis Ende des Jahres 2022 zwingend geprüft werden, ob dem Pächter Zuschüsse oder andere Zuwendungen gewährt werden und ob hier gegebenenfalls eine Saldierung mit der bestehenden Pacht bei der Beurteilung der Entgeltlichkeit zu erfolgen hat.

Bei Zuwendung auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage gibt es gute Argumente dafür, dass eine Saldierung mit etwaigen Pachtzahlungen nicht erfolgen muss. Hier muss jedoch eine Einzelfallprüfung erfolgen.

Um der Problematik der Entgeltlichkeit aus dem Wege zu gehen, wäre zu überlegen, dass die jPöR die Tätigkeiten ab dem Jahr 2023 wieder selbst betreibt oder ein bestehender BgA in eine Kapitalgesellschaft ausgliedert.

Veränderungen in der gegenwärtigen Struktur müssen aber sorgfältig überlegt werden, da bei Gestaltungen im Einzelfall auch Fallstricke lauern können. 

Autoren: StB Tobias Kreiter, StB Martin Burger