Juristische Personen des öffentlichen Rechts unterliegen mit ihren BgA der Ertragsbesteuerung. Dabei sind die einzelnen Tätigkeiten grundsätzlich für sich zu beurteilen. Eine Zusammenfassung - mit der Möglichkeit der Verrechnung von Gewinnen und Verlusten - kann nur in den in § 4 Abs. 6 S. 1 KStG definierten Fällen erfolgen:
- Gleichartige Betriebe
- Vorliegen einer nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse objektiven engen wechselseitigen technisch-wirtschaftlichen Verflechtung
- Verkehrs- und Versorgungsbetriebe
Im Streitfall hat eine Anstalt des öffentlichen Rechts die Wasserversorgung mit zwei BHKW (Stromversorgung) zusammengefasst. Im nächsten Schritt wurde dieser Versorgungsbetrieb auf Basis einer wechselseitigen technisch-wirtschaftlichen Verflechtung mit einem Bäderbetrieb zusammengefasst.
Die wichtigste Verwaltungsvorschrift zur Auslegung des steuerlichen Querverbundes ist das BMF-Schreiben zur Besteuerung von BgA vom 12. November 2009 (IV C 7 - S 2706/08/10004 – BStBl. I 2009 S. 1303). Die Vorinstanz, das FG Schleswig-Holstein, hielt die beschriebene Zusammenfassung auf Basis der im BMF-Schreiben niedergelegten Auslegung für zulässig (Urteil v. 17.6.2021-1 K 115/ 17). Der BFH wirft nun die Frage auf, ob die Regelungen dieses Schreibens im Einklang mit geltendem Recht stehen. Konkret geht es um die folgenden beiden Fragestellungen:
Ermöglicht § 4 Abs. 6 S. 1 KStG eine Zusammenfassung ohne organisatorische Verflechtung der zusammenzufassenden Betriebe gewerblicher Art (BgA)?
Nach Auffassung der Finanzverwaltung ist eine organisatorische Verflechtung nicht erforderlich. Vielmehr genügt zur Ausübung des Zusammenfassungswahlrechts eine eigenständige Gewinnermittlung für den zusammengefassten BgA (BMF v. 12.11.2009, Rn. 1 S. 5, Rn. 3). Das Gericht hat hieran Zweifel und leitet diese aus diversen Urteilen zur alten Rechtslage - vor der gesetzlichen Normierung des Querverbundes durch das Jahressteuergesetz 2009 - ab. Zudem könnte der Begriff „Zusammenfassung“ im Gesetz so auszulegen sein, dass hierfür organisatorische Maßnahmen erforderlich sind. Auch in der Literatur wird teilweise eine organisatorische Verflechtung gefordert. Dabei ist allerdings nicht klar definiert, welche Voraussetzungen hierfür im Einzelnen zu erfüllen sind. Möglich wäre beispielsweise die Anknüpfung an eine einheitliche Leitung, Rechnungslegung oder sonstige Organisationsmaßnahmen wie Einkauf oder Verkauf.
Sollte sich diese Sichtweise durchsetzen, wären zahlreiche Zusammenfassungen in der Praxis ohne teilweise erhebliche organisatorische Änderungen wohl nicht mehr haltbar. Besonders kritisch könnten Personengesellschaftsstrukturen sein, wenn verschiedene Tätigkeiten in rechtlich separaten Einheiten und daher getrennt voneinander organisiert sind. Im Fall von Kapitalgesellschaftskonzernen mit Organschaft wäre zumindest klarzustellen, dass ein Ergebnisabführungsvertrag ausreichend ist, um die geforderte organisatorische Verflechtung zu bejahen. Je nach konkreter Definition der Anforderungen an die Verflechtung ergäben sich auch Auswirkungen auf die in der Praxis häufig vorliegende Zusammenfassung von BgA, die sich in verschiedenen Eigenbetrieben befinden oder von verschiedenen Ämtern verwaltet werden oder auch auf die Zusammenfassung von Verpachtungs-BgA mit selbst betriebenen BgA. Auch Zusammenfassungen nach § 4 Abs. 6 S. 1 Nr. 2 und 3 KStG würden in der Praxis deutlich schwieriger umzusetzen sein, wenn hier zusätzlich organisatorische Maßnahmen gefordert würden – es sei denn, man legt die Anforderungen eher weit aus. Denkbar wäre z.B. dass nicht die gemeinsame Steuerung in einem Amt erforderlich ist, sondern sich das Merkmal „Verflechtung“ mehr auf eine betriebswirtschaftliche Verzahnung oder z.B. den gemeinsamen „Marktauftritt“ bezieht. Auch eine Überwachung durch die Verwaltungsspitze oder Gemeinderäte in den Aufsichtsgremien der Gesellschaften könnte für eine „Verflechtung“ zur Trägerkörperschaft sprechen. Zur Beurteilung der zahlreichen Praxisfälle wäre somit eine sehr konkrete Definition des Begriffs der organisatorischen Verflechtung unumgänglich.
Gestattet § 4 Abs. 6 S. 1 KStG eine mehrstufige Zusammenfassung von mehr als zwei BgA, bei der auf einer ersten Stufe zwei BgA zusammengefasst werden und es dann auf einer zweiten Stufe für die Zusammenfassung dieser zusammengefassten BgA mit einem weiteren BgA ausreicht, dass die Voraussetzungen des § 4 Abs. 6 S. 1 KStG nur zu einem der bereits zusammengefassten BgA vorliegen?
Hier geht es um die sogenannte Kettenzusammenfassung. Diese ermöglicht es, mindestens drei Betriebe zusammenzufassen, die in Zweierkombinationen nicht hätten zusammengefasst werden können. Im Streitfall werden faktisch ein Wasserbetrieb und ein Bad zusammengefasst, was isoliert nicht möglich wäre und hier nur deshalb gelingt, weil über die BHKW auch eine Stromversorgung vorhanden ist. Dieser Fall ist in der Praxis sehr häufig anzutreffen. Eine Einschränkung des Bäderquerverbundes auf die Stromversorgungssparte kann zu erheblichen steuerlichen Mehrbelastungen führen, wenn die Stromgewinne zur Deckung der Bäderverluste nicht ausreichen.
Bemerkenswert ist, dass der V. Senat des BFH erst seit dem 1.01.2024 für den steuerlichen Querverbund zuständig ist (bisher I. Senat) und diesen mit seinem Beschluss nun sofort in seinen Grundfesten erschüttert. Auch wenn Gegenargumente angeführt werden, ist die Neigung des BFH zu einer strengen Auslegung erkennbar. Zwar wird auch angeführt, dass die geltende gesetzliche Regelung des Querverbundes ggf. abweichend von der vorherigen Rechtspraxis zu sehen ist - mit der Folge, dass die alten Urteile heute nicht mehr anwendbar wären. Diese Argumentation ist aber gefährlich: Wenn die Verrechnung nach geltendem Recht weiter gehen würde nach altem Recht, kann das Rückwirkungen auf die Frage nach einer eventuell EU-rechtswidrigen Beihilfe haben. Es ließe sich dann nämlich nicht mehr argumentieren, die Vorschrift des § 4 Abs. 6 KStG sei als zulässige „Altbeihilfe“ anzusehen.
Die mündliche Verhandlung soll im Juli stattfinden. Es bleibt abzuwarten, wie sich das BMF hier positionieren wird. Sollte die kritische Haltung des BFH Bestand haben, wäre dies zunächst für den konkreten Urteilsfall relevant. Die generelle Frage nach den Voraussetzungen einer organisatorischen Verflechtung wäre ohne weitere Stellungnahme der Finanzverwaltung damit noch nicht geklärt. Die Bestätigung der Unzulässigkeit einer Kettenzusammenfassung könnte hingegen eine unmittelbare Verschärfung der Rechtslage für viele Praxisfälle bedeuten. Jedoch ist in jedem Fall mit einer Übergangsfrist zu rechnen, die ggf. Anpassungsmaßnahmen - z.B. durch Schaffung einer organisatorischen Verflechtung – ermöglicht. Eventuell kommt es aber auch nicht zu einem Urteilsspruch, wenn die Klage vorher zurückgezogen wird.
Der steuerliche Querverbund hat damit – neben der Beihilfediskussion – nun eine weitere offene Flanke. Es bleibt spannend, wie sich diese Rechtssache entwickeln wird. Wir halten Sie auf dem Laufenden.
Autor:innen: StB Gabriele Kirchhof, StB Tobias Kreiter