Der Verzicht auf eine angemessene Verzinsung einer Darlehensforderung auf einem Gesellschafterverrechnungskonto kann eine vGA darstellen. Für die Bewertung der vGA ist laut BFH bei Vorliegen der unten erläuterten Voraussetzungen nicht zu beanstanden, wenn der zu ermittelnde fremdübliche Zinssatz anhand des sog. Margenteilungsgrundsatzes bestimmt wird. Hierbei ist der Zinssatz innerhalb der Marge, in der die bankenüblichen Habenzinsen die Untergrenze und die banküblichen Sollzinsen die Obergrenze bilden, zu schätzen. Trotz geäußerter Kritik an diesen Grundsätzen bestätigt der BFH das Festhalten an dieser Auffassung.
Im konkreten Fall (Streitjahr 2014 und 2015) führte eine Kapitalgesellschaft, die selbst keine Kredite aufgenommen hat, ein Verrechnungskonto eines bei ihr angestellten Gesellschafter-Geschäftsführers. In Höhe der die Gehälter übersteigenden Sollbuchungen entstanden Forderungen der Gesellschaft. Das Finanzamt sprach diesen Forderungen aufgrund der wirtschaftlich schlechten Situation des Gesellschafters Darlehenscharakter zu. Mangels Verzinsung der Darlehensforderungen lag laut Auffassung des Finanzamts eine vGA vor, die es unter Ansatz eines fremdüblichen Zinssatzes von 4,5 Prozent unter Anwendung des Margenteilungsgrundsatzes bewertete. Hierfür ging das Finanzamt von einer (geringen) Bandbreite von banküblichen Habenzinssätzen aus, die nur wenig über der 0 Prozent-Marke lagen. Als bankübliche Sollzinssätze wurden revolvierende Kredite und Überziehungskredite an Privathaushalte herangezogen, die sich bei etwas über 9 Prozent bewegten.
Mit Urteil vom 22.02.2023 (I R 27/20) hat der BFH trotz geäußerter Kritik (u.a. FG Berlin-Brandenburg vom 09.03.2011, 12 K 12267/07) die Anwendung des Margenteilungsgrundsatzes bestätigt. Er hält weiter an seinen Grundsätzen fest, dass in einem Fall, in dem eine Gesellschaft für den bei ihr angestellten Gesellschafter ein unangemessen verzinstes Verrechnungskonto nach § 42 Abs. 3 GmbHG führt, zur Bemessung des angemessenen Zinssatzes der sog. „Margenteilungsgrundsatz“ als sachgerecht anerkannt wird. Sofern keine anderen Anhaltspunkte für die regelmäßig gebotene Schätzung der fremdüblichen Zinsen erkennbar sind, ist für den BFH somit nicht zu beanstanden, wenn von dem Erfahrungssatz ausgegangen wird, dass sich private Darlehensgeber und -nehmer die bankübliche Marge zwischen Sollzinsen (Obergrenze) und Habenzinsen (Untergrenze) teilen. Die Teilung der Marge selbst beruht laut BFH auf einer Beobachtung des Wirtschaftslebens und damit auf einem Erfahrungssatz, den der Senat als fremdübliches Verhalten auch für das Verhältnis zwischen Kapitalgesellschaft und Gesellschafter annimmt.
Der BFH sieht in dieser Entscheidung keinen Widerspruch zur bisherigen jüngeren Rechtsprechung, in dem der Preisvergleich als vorrangige Methode zur Ermittlung fremdüblicher Zinsen gesehen wurde, die das Kreditrisiko des Darlehensnehmers widerspiegeln, weil die Situation des vorliegenden Urteils „gänzlich anders gelagert“ sei. Kennzeichnend sei hier die private Gelegenheitskreditvergabe durch eine personalistisch strukturierte Gesellschaft an ihren beherrschenden Gesellschafter und das Fehlen anderer Anhaltspunkte.
Die Auffassung, dass ein zwingender Grund bestehe, sich in der Kreditvergabesituation allein an dem vom Kreditgeber alternativ erzielbaren Habenzins als Vergleichsmaßstab und in der Kreditaufnahmesituation allein an dem vom Kreditnehmer alternativ hinzunehmenden Sollzins zu orientieren, lehnt der BFH ab. Mit einem solch gespaltenen Ansatz können laut BFH unterschiedliche Fremdvergleichspreise hervorgehen.
Auch widerspricht der BFH einer starren Orientierung an den Habenzinsen als alleinigen Maßstab für die Fremdvergleichsprüfung. Zum einen betont der BFH, dass die Kapitalgesellschaft keine Bankgeschäfte betreibe, und deshalb auch nicht den damit verbundenen ("einzupreisenden" banküblichen) Aufwand habe. Zum anderen komme dem Risiko, dass das Darlehen nicht zurückgezahlt werden kann, besondere Bedeutung zu. Im Streitfall wurde das Kapital ohne hinreichende Besicherung an den Gesellschafter-Geschäftsführer ungeachtet dessen zweifelhafter Bonität überlassen. Eine Geldanlage bei einer inländischen Geschäftsbank wäre dagegen typischerweise nicht mit einem finanziellen Risiko verbunden gewesen. Aus diesen Gründen habe sich die Schätzung am Haben- und Sollzinssatz zu orientieren und ein sich zwischen Haben- und Sollzinssatz bewegender Zinssatz heranzuziehen.
Dass das Finanzamt auf Überziehungskreditzinssätze für private Haushalte abgestellt hat, ist für den BFH sachlich nachvollziehbar, weil die streitige Darlehensgewährung ebenfalls den Charakter eines unbesicherten Privatkredits mit Ausfallrisiko hat.
Zudem äußert sich der BFH zu dem Umstand der fehlenden Besicherung und betont, dass diesem bei der Feststellung des fremdüblichen Zinssatzes eine besondere Bedeutung beizumessen ist. Dem ist das FG aus Sicht des BFH ausreichend nachgekommen, da es die nicht ausreichende Besicherung sowohl bei der Frage des Vorliegens einer vGA als auch bei der Schätzung des anzuwendenden Zinssatzes "zinserhöhend" berücksichtigt bzw. als ein den Zinssatz von 4,5 Prozent stützendes Argument bewertet hat.
Der Volltext des Urteils steht Ihnen auf der Internetseite des BFH zur Verfügung.
Direkt in Ihr E-Mail Postfach
Nutzen Sie unser neues Email Preference Center, um sich für den Erhalt des eNewsletter Tax und anderen Medien zu registrieren oder diese anderen Kolleg:innen zu empfehlen.