Der BFH äußert sich zur Bewertung eines im Wege einer Sachspende übertragenen GmbH-Anteils mit stark disquotal ausgestalteten Stimm- und Gewinnbezugsrechten. Für den BFH ist eine solche Ausgestaltung bei der Wertermittlung des Anteils (für die im konkreten Fall erforderliche Bewertung zum gemeinen Wert) regelmäßig wertmindernd zu berücksichtigen.
Im Streitfall hatte ein Gesellschafter eine im Privatvermögen gehaltene 89-prozentige GmbH-Beteiligung an eine gemeinnützige Stiftung schenkweise übertragen und diese Spende mit dem anteiligen gemeinen Wert der gesamten Beteiligung bewertet. Er vertrat die Auffassung, dass allein die Kapitalbeteiligung von 89 Prozent für die Bewertung maßgeblich sei, obwohl der Anteil nur mit einem Gewinnbezugs- und Stimmrecht von 1 Prozent ausgestattet war. Der BFH widersprach dieser Auffassung (Urteil vom 16.11.2022, X R 17/20). Die disquotale Ausgestaltung des Stimm- und Gewinnbezugsrechts sei zwar kein „ungewöhnlicher oder persönlicher“ Umstand, der nach § 9 Abs. 2 Satz 3 BewG nicht hätte berücksichtigt werden dürfen. Vielmehr handle es sich dabei um einen Umstand, der „den Preis beeinflusst“ und der so nach § 9 Abs. 2 Satz 2 BewG bei der Bewertung zu berücksichtigen sei (abweichender Gewinnverteilungsschlüssel als wertbildender Faktor). Konkret habe dies zur Folge, dass die geschenkte Beteiligung im Rahmen der Spendenregelung des § 10b EStG mit einem niedrigeren gemeinen Wert zu bewerten sei. In diesem Zusammenhang äußerte sich der BFH auch zu den Folgen u.a. für den Vertrauensschutz einer ausgestellten Zuwendungsbestätigung (§ 10b Abs. 4 EStG).
Für die Schätzung des gemeinen Werts für die Wertermittlung i.R.d. § 10b Abs. 3 EStG a.F. (Sachspende) seien nach Auffassung des BFH allein die Regelungen des § 11 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 9 BewG maßgeblich; weder dürfe für die Verteilung des Gesamtwerts der GmbH das sog. Stuttgarter Verfahren herangezogen werden noch seien die erbschaftsteuerrechtlichen Spezialvorschriften (§ 97 Abs. 1b BewG) anwendbar. Eine Ausnahme könnte nur für den – im Streitfall zu verneinenden – Fall einer konkret absehbaren Liquidation der Gesellschaft gelten. Denn im Fall der Liquidation einer GmbH werde das Vermögen nach dem Verhältnis der Geschäftsanteile verteilt (§ 72 Satz 1 GmbHG).
Für die konkrete Bewertung auf Basis dieser Grundsätze bedeutet dies nach Auffassung des BFH, dass zunächst ein Gesamtwert der GmbH unter Anwendung des Ertragswertverfahrens zu ermitteln sei. Der so ermittelte Gesamtwert wäre dann nach Maßgabe des Gewinnverteilungsschlüssels auf die einzelnen Anteile zu verteilen. Die besonders stark ausgeprägte Disquotalität könne also nicht durch einen pauschalen Bewertungsabschlag, sondern allein dadurch berücksichtigt werden, dass auf den übertragenen Anteil – entsprechend dem Gewinnbezugs- und Stimmrecht – nur 1 Prozent des Gesamtwertes der GmbH entfalle. Hierfür spreche insbesondere, dass der übertragene Anteil nur über Gewinnausschüttungen – und damit i.H.v. 1 Prozent – an dem Wert der GmbH partizipieren könne. Im Streitfall wurde die Sache dennoch an das FG zurückverwiesen, da der BFH Mängel bei der vom FG vorgenommenen Schätzung feststellte.
In Bezug auf den hier vorliegenden Fall einer Sachspende des GmbH-Anteils bleibt ergänzend festzustellen, dass die Norm § 10b Abs. 3 EStG, die die Ermittlung der Zuwendungshöhe regelt, mit Wirkung ab 2009 (Streitjahr: 2007) ergänzt wurde. Nach geltendem Recht dürfen bei der Zuwendung eines Wirtschaftsguts, dessen Veräußerung einen Besteuerungstatbestand erfüllen würde, die fortgeführten Anschaffungs- oder Herstellungskosten ohne Herbeiführung einer Gewinnrealisierung nicht überschritten werden.
Bislang nicht höchstrichterlich geklärt war, nach welchen Grundsätzen Gesellschaftsanteile mit disquotal ausgestalteten Beteiligungsrechten zu bewerten sind. Diese Bewertungsfrage stellt sich insbesondere auch im Rahmen des – im Streitfall nicht anwendbaren – § 97 Abs. 1b Satz 4 BewG.
Der Volltext des Urteils steht Ihnen auf der Internetseite des BFH zur Verfügung.
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