Der BFH äußert sich eingehender zum Typenvergleich im Zusammenhang mit der Qualifizierung von Anteilen an einer ausländischen Gesellschaft. Herauszustellen ist insbesondere, dass der BFH eine rechtliche und wirtschaftliche Gesamtwürdigung vornimmt und hierbei ausdrücklich nicht den Genussrechtstest führt, wenn es sich dem Grunde nach um Aktien handelt.
Im Streitfall war eine deutsche GmbH an einer US-amerikanischen Schwestergesellschaft („X Inc.“) über Vorzugsaktien („Preferred Shares“) beteiligt. Diese Vorzugsaktien waren mit Stimmrechten ausgestattet und bezogen sich – vereinfacht dargestellt – auf eine Sparte der X Inc., den „Financial Asset Securitization Investment Trust“ („FASIT“). Der FASIT war vermögensmäßig nicht getrennt von der X Inc. und es wurde u.a. durch die Ausgabe der Preferred Shares ein sog. Regular Interest an dem FASIT gebildet. Hierauf geleistete Zahlungen sind nach US-amerikanischen Recht als Zinsen zu behandeln (Aufwand bei der X Inc.).
Streitig war nun, ob die Aktien im Rahmen des § 8b Abs. 1 KStG in der Fassung des Streitjahres 2001 als Aktien im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG qualifizieren. Sowohl das Finanzamt als auch die Vorinstanz (FG Nürnberg) ordneten die Zahlungen als Zinsen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG ein.
Aufbauend auf tradiertem Richterrecht wendete der BFH in seinem Urteil vom 18.05.2021 (I R 12/18) den sogenannten Rechtstypenvergleich an. Hierbei ging der BFH zweischrittig vor:
(1) In einem ersten Schritt wird eine Einordnung dem Grunde nach vorgenommen, sowohl bezogen auf die Gesellschaftsform als auch das Finanzinstrument. Die X Inc. sei – auch unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Ausgestaltung (hier des FASIT) - der Rechtsform einer deutschen AG vergleichbar und die ausgegebenen Preferred Shares entsprächen inländischen Aktien. Damit schließt der BFH bereits an dieser Stelle eine Einordnung als Genussrechte aus und macht damit die Ausführungen des FG zum Genussrechtstest im Sinne von § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG in der Fassung des Streitjahres 2001 obsolet.
(2) Erst in einem zweiten Schritt ist anhand des konkreten Vergleichsmaßstabs (deutsches Aktienrecht) zu prüfen, ob die Preferred Shares so ausgestaltet sind, wie es das Aktienrecht vorgibt. Die zu prüfende mitgliedschaftliche Beteiligung gliedert sich grundsätzlich in Vermögens- und Mitwirkungsrechte, wobei aber auch die Besonderheiten im deutschen Aktienrecht (z.B. stimmrechtslose Vorzugsaktien; Satzungsbestimmungen zum Dividendenbezug oder Beteiligung am Liquidationserlös) zu berücksichtigen sind.
Die konkrete Prüfung erfolgt durch eine rechtliche und wirtschaftliche Gesamtwürdigung: Ausgangspunkt ist hierbei die bereits vorangehend erfolgte Einordnung als Aktien und die Frage, ob es hierbei bleibt oder besondere Umstände der Ausgestaltung gegen eine mitgliedschaftliche Beteiligung sprechen. Fremdkapitalähnliche Elemente, wie etwa weitere Vermögensrechte mit einer festen Verzinsung analog zu langfristigen Anleihen, schaden der Qualifizierung als Aktien grundsätzlich nicht. Gleiches gilt auch für eine Kumulierung von nicht ausbezahlten Dividendenansprüchen vergangener Jahre, da dies auch im deutschen AktG vorgesehen ist. Des Weiteren kennt auch das deutsche Aktienrecht „Spartenaktien“, die sich nur auf einen Teil eines Unternehmens beziehen. Zudem wurde in diesem Fall der Liquidationsanspruch durch stille Reserven aus dem Vermögen der X Inc. gedeckt, falls der berechnete Liquidationswert nicht durch den Ausgabepreis der Aktien zzgl. noch nicht vorgenommener Auszahlungen aus dem FASIT gedeckt werden kann. An dieser Stelle betont der BFH nochmals, dass es für den (erfolgreichen) Typenvergleich nicht entscheidend ist, ob und in welcher Höhe tatsächlich stille Reserven vorhanden sind.
Entgegen der Prüfung durch die Vorinstanz lehnt der BFH jedoch eine strenge Bindung an die Kriterien der Beteiligung am Gewinn und am Liquidationserlös (sog. Genussrechtstest) im Wege der Wortlautauslegung des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG ab.
Eine weitere Besonderheit des Streitfalls war, dass sich ein Interessent auch über ein sog. Commercial Paper beteiligen konnte, was eine Art Fremdkapital darstellt. Die Ansprüche der Eigentümer solcher Commercial Papers waren vorrangig zu den Ansprüchen von Eigentümern der Preferred Shares. Der BFH betont hier jedoch, dass es auf die Stellung der in Rede stehenden Beteiligung ankommt und nicht auf mögliche andere Beteiligungsoptionen.
Da das Korrespondenzprinzip in § 8b Abs. 1 Satz 2 KStG erst nach dem Streitjahr eingeführt wurde, ist für die Qualifizierung als steuerfreie Bezüge unschädlich, dass die USA die Ausschüttungen als Zinsen qualifizieren (sog. Regular Interest). Die Beteiligungserträge konnten damit steuerfrei bezogen werden. Allerdings greift die im Streitjahr unionsrechtswidrige Fassung des § 8b Abs. 5 KStG – in Gänze – nicht ein, sodass die Beschränkung des Betriebsausgabenabzugs über die allgemeine Vorschrift des § 3c Abs. 1 EStG wieder auflebt.
Entsprechend der Qualifizierung der Ausschüttungen für Zwecke des § 8b Abs. 1 KStG kommt auch das gewerbesteuerliche Schachtelprivileg des § 9 Nr. 7 GewStG grundsätzlich zur Anwendung. Allerdings wurde im Streitfall die zum 01.01.2001 erforderliche Mindestbeteiligung noch nicht gehalten. Auch die Anwendungsvoraussetzungen für das abkommensrechtliche Schachtelprivileg nach dem DBA USA konnten nicht erfüllt werden.
Der Fall ist insofern für die Praxis von Bedeutung, als dass der bisher oft zusätzlich geführte Genussrechtstest nur noch in den Fällen anzuwenden ist, in denen das Beteiligungsrecht als einem Genussrecht vergleichbar eingeordnet wird. Vielmehr ist es ausreichend, wenn die Beteiligungsrechte entsprechend der deutschen Vorgaben des Gesellschaftsrechts – einschließlich der Besonderheiten – ausgestaltet werden. Hierbei ist allerdings vorsichtig zu agieren, da im Rahmen der Gesamtbetrachtung gewisse Gestaltungsspielräume nicht extensiv ausgenutzt werden sollten. Im Zweifel kann sich vorab die Einholung einer verbindlichen Auskunft anbieten.
Der Volltext des Urteils steht Ihnen auf der Internetseite des BFH zur Verfügung.
Direkt zum BFH-Urteil kommen Sie hier.
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