Nach erneuter mündlicher Verhandlung hält der BFH an seiner Rechtsprechung zur grenzüberschreitenden Konzernfinanzierung insoweit fest, als dass durch die fehlende Besicherung des Darlehens eine Einkünfteminderung nach § 1 Abs. 1 AStG eintreten kann und diese Einkünftekorrektur nicht durch Art. 9 Abs. 1 OECD-MA gesperrt wird. Darüber hinaus lässt der BFH eine Risikokompensation wegen fehlender Besicherung grundsätzlich zu. Dennoch muss der (höhere) Zinssatz fremdüblich sein. Ist er dies nicht, ist laut BFH vorrangig der Zins zu korrigieren. Von einer Prüfung, ob das Unionsrecht entgegensteht, sah der BFH im konkreten Fall allerdings ab.
Im konkreten Fall haben eine inländische Konzernmuttergesellschaft bzw. mit dieser verbundene Organgesellschaften unbesicherte aber – bis auf einen Fall – festverzinsliche Darlehen an ihre ausländischen Tochtergesellschaften vergeben (Frankreich und USA). In dem Sonderfall wurde statt des festen Zinssatzes als Gegenleistung eine jährliche Beteiligung am Bilanzgewinn gewährt. Im Streitjahr (2005) schrieb die deutsche Konzernmutter die Darlehen gewinnmindernd ab. Das Finanzamt korrigierte die Teilwertabschreibung über § 1 Abs. 1 AStG, dem der BFH grundsätzlich mit Urteil vom 19.06.2019 (I R 32/17) zustimmte.
Nun hatte der BFH über diesen Fall erneut zu entscheiden (BFH-Urteil vom 09.06.2021, I R 32/17). Dabei hält der BFH an seiner Auffassung fest, dass durch die fehlende Besicherung des Darlehens eine Einkünfteminderung nach § 1 Abs. 1 AStG eintreten kann und diese Einkünftekorrektur nicht durch Art. 9 Abs. 1 OECD-MA gesperrt wird.
Zudem äußert sich der BFH ausführlich zum Fremdvergleich. Im Rahmen der Fremdvergleichsprüfung ist zu unterstellen, dass es sich bei dem Darlehensgeber nicht um einen Gesellschafter, sondern um einen fremden Dritten handelt. Daher können (faktische) Sicherheiten, die sich nur aus der Gesellschafterstellung ergeben, nicht berücksichtigt werden. Das Tatbestandsmerkmal der „gleichen oder ähnlichen Verhältnisse“ vermag für den BFH zudem nicht den Fremdvergleich auf eine Art eines „Konzernvergleichs“ zu reduzieren. Daher ist die Nichtbesicherung dann fremdunüblich, wenn ein fremder Gläubiger die Darlehensgewährung von der Einräumung einer Sicherheit abhängig gemacht hätte. Bei diesem fremden Dritten muss es sich aber nicht um eine „klassische Bank“ handeln, so der BFH (vgl. hierzu auch Steuernachricht vom 28.10.2021 zu I R 62/17). An dieser Stelle weist der BFH darauf hin, dass, sofern seine bisherige Rechtsprechung dahingehend verstanden wurde, dass stets auf ein bankenübliches Verhalten abzustellen sei, es sich um eine Fehlinterpretation seiner bisherigen Entscheidungen gehandelt habe. D.h., auch für den BFH ist nicht stets von einer Vollbesicherung auszugehen. Dies hatte das BVerfG in seiner Verfassungsbeschwerde vom 04.03.2021 (2 BvR 1161/19) noch gerügt.
Sofern demnach ein Markt für die vereinbarten Darlehen ermittelt werden kann, bildet dieser Markt den Maßstab des Fremdvergleichs. Ist sodann auf diesem Markt ein fremder Dritter bereit, gegen Vereinbarung eines Zinszuschlags das durch die Nichtbesicherung erhöhte Ausfallrisiko zu kompensieren, erkennt der BFH eine Risikokompensation wegen fehlender Besicherung grundsätzlich an. Ob ein unbesichertes Konzerndarlehen im Rahmen dieser Gesamtbetrachtung aller Umstände des Einzelfalles fremdvergleichskonform ist, hängt damit davon ab, ob auch ein fremder Dritter – auch unter Berücksichtigung möglicher Risikokompensationen – das Darlehen unter gleichen Bedingungen ausgereicht hätte. Daher darf das Fehlen einer einzelnen "Bedingung", wie hier die fehlende Besicherung, nicht unmittelbar zu einer Einkünftekorrektur nach § 1 AStG führen (vgl. BMF-Schreiben v. 14.07.2021, Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise, Rz. 1.22).
Mangels Feststellungen verweist der BFH das Urteil an das FG zurück, welches nun die erforderlichen Feststellungen zum Fremdvergleich der unbesicherten Darlehen nachzuholen hat. Dabei weist der BFH daraufhin, dass, sofern der Zinssatz auch unter Berücksichtigung der Risikokompensation fremdunüblich ist, eine Korrektur der Teilwertabschreibung nach § 1 AStG trotzdem ausgeschlossen sei. Denn vorrangig ist die Differenz zwischen den tatsächlich erzielten und den fremdüblichen Zinseinnahmen zu korrigieren, d.h. der Zinssatz als solcher. Dies schließt sodann eine weitere Korrektur des identischen Lebenssachverhalts aus, wie etwa die Korrektur einer Teilwertabschreibung. Da daher laut BFH ungewiss sei, ob § 1 AStG auf die Teilwertabschreibung im Streitfall überhaupt zur Anwendung kommen kann, sieht er auch von einer Prüfung des Unionsrechts sowie von einer möglichen Vorlage an den EuGH ab.
Neben der Frage der Konzernfinanzierung hatte der BFH im Urteil (I R 32/17) auch hinsichtlich der steuerlichen Behandlung einer grenzüberschreitenden verdeckten Einlage zu entscheiden. Die inländische Konzernmuttergesellschaft übertrug zu Buchwerten Wirtschaftsgüter an ihre maltesische Tochterkapitalgesellschaft. Der BFH sah in der Übertragung der Wirtschaftsgüter eine verdeckte Einlage, für die grundsätzlich ebenfalls eine Korrektur nach § 1 Abs. 1 AStG in Betracht komme. Auch eine verdeckte Einlage kann nach Auffassung des I. Senats grundsätzlich eine „Geschäftsbeziehung" i.S.d. § 1 Abs. 4 AStG darstellen. Entscheidend ist für den BFH, ob eine gesellschaftsvertragliche Vereinbarung zugrunde liegt. Eine solche setzt voraus, dass die Übertragung des Wirtschaftsguts auch zu einer Änderung der Gesellschafterstellung führt (z.B. Änderung der Beteiligungshöhe oder der Beteiligungsrechte). Nur eine Abrede in den Gesellschaftsvertrag aufzunehmen, reicht nicht aus. Ob sich die Gesellschafterstellung geändert hat, ist anhand des Gesellschaftsrechts der empfangenden Gesellschaft – also im Streitfall des maltesischen Gesellschaftsrechts – zu prüfen. Da das FG keine diesbezügliche Feststellung vornahm, hat der BFH zurückverwiesen.
Einer Einkünftekorrektur nach § 1 AStG steht laut BFH auch das Unionsrecht nicht entgegen. Zwar können wirtschaftliche Gründe den Abschluss von Geschäften unter fremdunüblichen Bedingungen rechtfertigen. Allerdings wurden im konkreten Fall keine wirtschaftlichen Gründe vorgebracht.
Der Volltext des Urteils steht Ihnen auf der Internetseite des BFH zur Verfügung.
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