Laut BFH steht der Rückgängigmachung eines Erwerbsvorgangs nicht entgegen, wenn ein Notar den Erwerbsvorgang nicht innerhalb der für ihn geltenden Frist, jedoch innerhalb der für den Steuerschuldner (nachlaufenden) gültigen Frist beim zuständigen Finanzamt anzeigt.
Erwirbt der Veräußerer das Eigentum an dem veräußerten Grundstück zurück, wird nach § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG auf Antrag sowohl für den Rückerwerb als auch für den vorausgegangenen Erwerbsvorgang die Steuer nicht festgesetzt oder eine bereits erfolgte Steuerfestsetzung aufgehoben, wenn der Rückerwerb innerhalb von zwei Jahren seit der Entstehung der Steuer für den vorausgegangenen Erwerbsvorgang stattfindet. Gemäß § 16 Abs. 5 GrEStG gilt § 16 Abs. 2 GrEStG jedoch nicht, wenn der Erwerbsvorgang i.S.d. § 1 Abs. 2 bis 3a GrEStG, der rückgängig gemacht wird, nicht fristgerecht und in allen Teilen vollständig angezeigt (§§ 18 bis 20) war.
Der BFH hat sich nun in einem Fall zu der Frage geäußert, ob die (nicht-fristgerechte) Anzeige des Notars i.S.d. § 18 GrEStG innerhalb der nachlaufenden für den Steuerpflichtigen geltenden Frist des § 19 GrEStG ausreichend ist, um das Tatbestandsmerkmal der fristgerechten Anzeige i.S.d. § 16 Abs. 5 GrEStG zu erfüllen.
Im konkreten Fall (Streitjahr 2016) war die Klägerin zu 90,1 Prozent an einer grundbesitzenden GmbH beteiligt. Mit Erwerb der verbleibenden 9,9 Prozent der Anteile verwirklichte die Klägerin einen grunderwerbsteuerbaren Erwerbsvorgang i.S.d. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG a.F. (Anteilsvereinigung). Innerhalb von zwei Jahren trat die Klägerin jedoch die neu erworbenen Anteile wieder an den Verkäufer ab und begehrte beim Finanzamt die Aufhebung der Steuerfestsetzung nach § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG. Dieses vertrat die Auffassung, dass der Notar seinerzeit den Erwerbsvorgang nicht fristgerecht i.S.d. § 18 Abs. 3 GrEStG, d.h. innerhalb von zwei Wochen, angezeigt hatte und (da wohl auch keine fristgerechte Anzeige des Steuerpflichtigen nach § 19 Abs. 3 GrEStG vorlag) die Norm des § 16 Abs. 5 GrEStG der Aufhebung nach § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG entgegenstehe.
Mit Urteil vom 21.06.2023 (II R 2/21) widersprach der BFH der Auffassung der Finanzverwaltung. Hinsichtlich des Fristbeginns der Anzeigepflicht äußert der BFH, dass die Anzeigepflichten der §§ 18, 19 GrEStG an unterschiedliche Ereignisse knüpfen und daher auch zu unterschiedlichen Zeitpunkten beginnen können. Während das Wirksamwerden eines Rechtsvorgangs in Abhängigkeit einer Genehmigung für einen Notar unerheblich und für den Fristbeginn ausschließlich auf die Beurkundung des Rechtsvorgangs abzustellen sei, beginne die Frist für den Steuerpflichtigen, wenn das Rechtsgeschäft wirksam und der Erwerbsvorgang verwirklicht wurde. Hänge dessen Wirksamkeit – wie im Streitfall – von einer Genehmigung ab, sei der Erwerbsvorgang erst im Zeitpunkt des Vorliegens der Genehmigung erfüllt (§ 14 Nr. 2 GrEStG) und die Frist beginnt auch erst dann zu laufen.
Dass es ausreicht, wenn einer von mehreren Anzeigepflichtigen seiner Anzeigepflicht ordnungsgemäß und fristgerecht nachkommt, hat der BFH bereits in seiner früheren Rechtsprechung entschieden. Nach Ansicht des BFH steht dem auch nicht der geänderte Wortlaut des § 16 Abs. 5 GrEStG („fristgerecht und in allen Teilen vollständig“) entgegen, da auch die neue Fassung nicht verlange, dass beide Anzeigeverpflichteten ihren Anzeigepflichten nachkommen müssen. § 16 Abs. 5 GrEStG sei weiterhin passivisch formuliert, indem es genüge, dass der Erwerbsvorgang angezeigt war.
Soweit ersichtlich führt der BFH jedoch erstmals aus, dass es ausgehend vom Wortlaut und Zweck des § 16 Abs. 5 GrEStG ausreichend sei, dass der Erwerbsvorgang innerhalb der für den Notar nach § 18 Abs. 3 Satz 1 GrEStG oder der für den Steuerschuldner nach § 19 Abs. 3 Satz 1 GrEStG geltenden Anzeigefrist in allen Teilen vollständig angezeigt war. Dies unabhängig davon, von wem und für wen die Anzeige erfolgt ist. Nach dem Normzweck des § 16 Abs. 5 GrEStG genügt es, wenn der Erwerbsvorgang innerhalb der in § 18 Abs. 3 GrEStG und § 19 Abs. 3 GrEStG vorgesehenen Anzeigefrist dem Finanzamt in einer Weise bekannt wird, dass es die Verwirklichung eines Tatbestands nach § 1 Abs. 2 bis 3a GrEStG prüfen kann. Sodann kommt es nicht darauf an, ob die Anzeige durch den Notar oder den Steuerschuldner erfolgt ist und auch nicht, ob der Steuerschuldner Kenntnis davon hatte, ob und wenn ja zu welchem Zeitpunkt der Notar seiner Anzeigepflicht nach der für ihn geltenden Frist nachgekommen ist. Maßgebend für das Erfüllen des § 16 Abs. 5 GrEStG ist somit nur, dass dem Finanzamt innerhalb der gesetzlichen Fristen der grunderwerbsteuerbare Vorgang angezeigt wurde.
Nach diesen Grundsätzen ist es für den BFH i.S. der Norm des § 16 Abs. 5 GrEStG ausreichend, wenn der Notar eine Anzeige erstattet, die zwar nach der gemäß § 18 Abs. 3 GrEStG für den Notar laufenden Frist verspätet ist, die dem zuständigen Finanzamt aber innerhalb der nach § 19 Abs. 3 GrEStG für den Steuerschuldner geltenden Frist zugeht. Dies gilt auch dann, wenn die Verwirklichung des Erwerbsvorgangs von der Genehmigung einer Vertragspartei abhängt und diese für die Berechnung der in § 19 GrEStG benannten Fristen für die Anzeigepflicht eines Beteiligten maßgebend ist.
Das Urteil kann in vergleichbaren Fällen u.U. auch für die Neuregelung des § 16 Abs. 4a i.V.m. Abs. 5 Satz 2 GrEStG (doppelte Anzeige bei zeitlichem Auseinanderfallen von Signing und Closing) von Bedeutung sein.
Der Volltext des Urteils steht Ihnen auf der Internetseite des BFH zur Verfügung.
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