Risiko einer teilweise doppelten Besteuerung
Bei zahlreichen Länderkonstellationen kann es aufgrund der neuen Handhabung durch die deutsche Finanzverwaltung zu einer teilweise doppelten Besteuerung kommen, da der andere Vertragsstaat der deutschen Sicht nicht folgt. Konkret sind die Fälle betroffen, in denen die Ansässigkeit vor dem Zufluss der Einkünfte nach Deutschland wechselt.
Besonders fragwürdig erscheint diese Interpretation der DBA, wenn beispielsweise ein Mitarbeiter während des Erdienungszeitraums nur im Ausland einen Wohnsitz hat, dort ganz überwiegend seine Tätigkeit ausübt, aber an 10 Prozent der Arbeitstage Dienstreisen in ein anderes Land unternimmt. Wird er dann nach Deutschland entsendet und dort auch ansässig (etwa weil der Wohnsitz im Ausland aufgegeben wird), besteuert Deutschland 10 Prozent des geldwerten Vorteils. Der andere Staat wird in einigen Fällen den gesamten Betrag besteuern.
Dividendenäquivalent
Immer häufiger gewähren Arbeitgeber statt „echter“ Aktien oder Aktienoptionen virtuelle Aktienvergütungen bzw. „Phantom Shares“. Diese können unterschiedlich ausgestaltet sein.
Bisher hat das BMF-Schreiben zur steuerlichen Behandlung des Arbeitslohns nach den Doppelbesteuerungsabkommen keine Ausführungen zum Dividendenäquivalent enthalten. Die Einkünfte wurden nach den Verhältnissen im Zuflusszeitpunkt versteuert. Doch im Rahmen der Überarbeitung hat die Finanzverwaltung nun die folgenden Erläuterungen neu eingefügt:
Teilweise wird an die Beschäftigten ein Dividendenäquivalent gezahlt. Die Höhe der Zahlung richtet sich dann regelmäßig nach der Dividende, die echte Aktionäre erhalten, und der Anzahl der zum Auszahlungsstichtag gehaltenen Bezugsrechte. Zusätzliche Bedingungen (wie etwa das Bestehen des Arbeitsverhältnisses über einen bestimmten Zeitraum) gibt es normalerweise nicht. Daher ist der Mitarbeiter auch nicht verpflichtet, das Dividendenäquivalent zurückzuzahlen, wenn er aus dem Unternehmen ausscheidet, bevor die virtuelle Aktienoption unverfallbar wird.
Ein solches Dividendenäquivalent ist laut BMF nach den allgemeinen Grundsätzen aufzuteilen. Als Erdienungszeitraum ist der Zeitraum zwischen der Gewährung der Bezugsrechte und dem Auszahlungsstichtag (Unverfallbarkeit des Dividendenäquivalents) zugrunde zu legen. Die Finanzverwaltung akzeptiert es aus Vereinfachungsgründen auch, wenn das Kalenderjahr, in dem die Vergütung zufließt, als Erdienungszeitraum herangezogen wird.
Die geforderte Aufteilung des Besteuerungsrechts erhöht den Verwaltungsaufwand für Unternehmen und Berater. Zudem besteht wie bei den Aktienoptionen das Risiko einer doppelten Besteuerung, wenn die anderen involvierten Länder dem deutschen Ansatz nicht folgen. Aus diesem Grund ist auch fraglich, ob die Möglichkeit, das Kalenderjahr des Zuflusses zugrunde zu legen, in der Praxis zu einer echten Vereinfachung führt. Denn letztlich müssen nun beide Varianten im Hinblick auf die Belastung mit Einkommensteuer im In- und Ausland verglichen werden.
Vinkulierte Aktien
In dem überarbeiteten BMF-Schreiben wurden die Ausführungen zu Anteilen mit Verfügungsbeschränkungen (vinkulierte Aktien) ergänzt. Wenn die Übertragung der Aktien erst dann wirksam wird, wenn die Gesellschaft zustimmt, und die Veräußerung der Anteile für den Arbeitnehmer rechtlich unmöglich ist, soll dies dazu führen können, dass zunächst kein Arbeitslohn zufließt. Die Finanzverwaltung stützt ihre Ergänzung zu den vinkulierten Aktien auf das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 30.11.2011 (VI R 37/09). Bei der Beurteilung, ob ein Zufluss vorliegt, will die Finanzverwaltung auf die Umstände des Einzelfalls abstellen.
Wird ein Zufluss erst bei der Veräußerung der Anteile durch den Arbeitnehmer angenommen, sind sowohl der Preisabschlag beim Erwerb der Anteile als auch die Wertsteigerung zwischen Gewährung und Verkauf als Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit zu versteuern. Dies ist im Vergleich zu einer Besteuerung der Wertsteigerung als Kapitaleinkünfte regelmäßig nachteilig.
Es bleibt jedoch dabei, dass die Finanzverwaltung von einem Übergang des wirtschaftlichen Eigentums und damit einem Zufluss ausgeht, wenn der Arbeitnehmer die Aktien zwar für eine bestimmte Zeit nicht verkaufen kann, jedoch stimmberechtigt ist und Anspruch auf eine Dividende hat (vgl. auch BFH-Urteil vom 30.09.2008, VI R 67/05). Dies ist ausdrücklich zu begrüßen.
Auch daran, dass die Lohnsteuer bei Zufluss entsteht und dass ein inländisches Konzernunternehmen als inländischen Arbeitgeber i. S. v. § 38 Abs. 1 EStG nach § 38 Abs. 1 Satz 3 EStG auch dann zur Abführung von Lohnsteuer verpflichtet ist, wenn die ausländische Konzernobergesellschaft die Aktienoptionen gewährt, hat sich nichts geändert.
Ausblick: Verwaltungsauffassung zu § 19a EStG und zu § 3 Nr. 39 EStG
Verfügungsbeschränkungen
Das geplante BMF-Schreiben berücksichtigt in seiner aktuellen Fassung insbesondere auch die Neuerungen durch das Zukunftsfinanzierungs- und das Wachstumschancengesetz. Die Erläuterungen zu Anteilen mit Verfügungsbeschränkungen entsprechen zunächst im Wesentlichen denen im BMF-Schreiben vom 12.12.2023, enthalten jedoch zusätzlich eine Passage zur neuen Ausnahmeregelung in § 19a EStG. Die gesetzliche Regelung wurde als notwendig erachtet, weil es bei Anteilen mit Verfügungsbeschränkungen immer wieder strittig scheint, ob das wirtschaftliche Eigentum an den Anteilen bei Gewährung übergeht oder erst dann, wenn die Veräußerung rechtlich möglich bzw. eine Zustimmung erfolgt ist.
Ausnahme im Fall der aufgeschobenen Besteuerung nach § 19a EStG
Der Vorteil aus der unentgeltlichen oder verbilligten Übertragung von Vermögensbeteiligungen i. S. d. § 19a Abs. 1 Satz 1 EStG unterliegt im Kalenderjahr der Übertragung nicht der Besteuerung, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt. Ein solcher Vorteil gilt auch dann als lohnsteuerlich zugeflossen, wenn es dem Arbeitnehmer rechtlich unmöglich ist, über die Vermögensbeteiligung zu verfügen (§ 19a Abs. 1 Satz 3 EStG).
Dies soll laut geplantem BMF-Schreiben allerdings nur dann gelten, wenn alle Voraussetzungen von § 19a EStG erfüllt sind. Unter anderem müsse der Arbeitnehmer der aufgeschobenen Besteuerung zustimmen.
Letzteres lässt sich so nicht dem Gesetz entnehmen. Zudem ist bei Mitarbeiterprogrammen unseres Erachtens ohnehin regelmäßig davon auszugehen, dass ein Zufluss stattfindet, da das Unternehmen der Übertragung auf die betreffenden Beschäftigten (zumindest implizit) zugestimmt hat. Lediglich die Weiterveräußerung bedarf der Zustimmung. Darüber hinaus besteht üblicherweise auch ein Anspruch auf Dividende.
Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 39 EStG
Die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 39 Satz 2 EStG ist an die Voraussetzung gebunden, dass die Vermögensbeteiligung mindestens all jenen Beschäftigten offensteht, die ein Jahr oder länger ununterbrochen in einem (noch immer aufrechten) Dienstverhältnis zum Unternehmen des Arbeitgebers stehen. Maßgeblich sind insoweit die Verhältnisse bei Bekanntgabe des Angebots.
Von dieser Bedingung gibt es jedoch schon jetzt Ausnahmen (etwa ausscheidende Arbeitnehmer oder Organe von Körperschaften). Bisher hat die Finanzverwaltung unter anderem auf die Einbeziehung von Beschäftigten verzichtet, die in ein anderes Unternehmen entsandt wurden, wenn das Dienstverhältnis mit dem entsendenden Unternehmen ruht und mit dem aufnehmenden Unternehmen ein eigenständiger Arbeitsvertrag geschlossen wurde. Dies soll in dieser Form nun nur noch für Entsendungen in ein inländisches Unternehmen gelten. Für Entsendungen ins Ausland soll es dagegen genügen, wenn für den Entsendezeitraum das aufnehmende Unternehmen die Kosten für den Arbeitslohn trägt.
Außerdem will die Finanzverwaltung den begünstigten Arbeitnehmern den Freibetrag auch dann gewähren, wenn das Unternehmen Beschäftigte, die über Insiderinformationen im Sinne der EU-Marktmissbrauchsverordnung oder anderer anwendbarer Gesetze verfügen, nicht in das Angebot einbezieht.
Fazit und Handlungsempfehlung
Die Neuerungen zur Beurteilung der Ansässigkeit und zur steuerlichen Behandlung des Dividendenäquivalents können je nach Länderkonstellation bzw. Sachverhalt zu einer teilweise doppelten Besteuerung führen. Da die deutsche Finanzverwaltung bei Auslandseinsätzen seltener als bisher eine Verlagerung der Ansässigkeit annehmen wird, sind insbesondere Entsendungen aus Deutschland ins Ausland und Entsendungen nach Deutschland mit Wohnsitzaufgabe risikobehaftet.
Arbeitgeber sind gut beraten zu prüfen, wie diese potenzielle doppelte Besteuerung minimiert werden kann, etwa durch eine Reduktion von Dienstreisen nach Deutschland oder in Drittstaaten. Der Trend zu Online- bzw. hybriden Meetings ist hier sicher hilfreich.
In bestimmten Fällen kommt auch die Vermeidung problematischer Länderkonstellationen oder eine Änderung der zeitlichen Abfolge in Betracht (beispielsweise wenn die Auszahlung oder Ausübung größerer Beträge kurz vor dem geplanten Beginn des Auslandseinsatzes im Raum steht).
Im Hinblick auf das geplante BMF-Schreiben zur lohnsteuerlichen Behandlung der Überlassung bzw. Übertragung von Vermögensbeteiligungen ab 2024 bleibt abzuwarten, ob es in der vorliegenden Fassung veröffentlicht wird.
Ihre Kontaktpersonen zu diesem Artikel: Martin Neutzner, Gordon Rösch